Rohstoffe:Warum Kakao billig ist - Schokolade aber trotzdem teuer

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Rohstoffe, Warum Kakao billig ist - Schokolade aber trotzdem teuer (Video: sz/wochit)
  • Der Weltmarktpreis für Kakaobohnen ist in den vergangenen Wochen geradezu eingebrochen.
  • Die Bauern in Westafrika leiden enorm unter den Verlusten, die Verbraucher hier profitieren nicht.
  • Bereits seit Jahren liegt die Teuerung bei Schokolade deutlich über der allgemeinen Inflation.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Gefühlt wird ja alles immer teurer - vor allem aber Schokolade. Nehmen wir die Marke, die quadratisch und angeblich auch praktisch und gut ist: 95 Cent kostet im Supermarkt um die Ecke die 100-Gramm-Tafel, und das lilafarbene Konkurrenzprodukt ist auch nicht billiger. Manche Läden verlangen sogar schon 1,09 Euro. Waren es einst, als es die D-Mark noch gab, nicht mal 89 Pfennig? Und ist das nicht tatsächlich ein ziemlich kräftiger Aufschlag, selbst wenn man die Inflation berücksichtigt?

Vor allem aber: Wie passt das alles mit Meldungen zusammen, die dieser Tage über die Finanzticker laufen? Demnach bricht der Weltmarktpreis für Kakao gerade regelrecht ein, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. In den USA wurde eine Tonne Bohnen Anfang vergangener Woche zum Kurs von 1889 Dollar gehandelt. Das war der niedrigste Stand seit fast zehn Jahren und ein Rückgang um rund 45 Prozent seit Anfang Dezember. Ähnlich stark sanken laut Reuters in den vergangenen Monaten die Preise an der Londoner Rohstoffbörse. Am Aktienmarkt würde man von einem Crash sprechen. Oder sogar von einer Panik.

Rohstoffmärkte sind anfällig für Spekulanten

Tatsächlich sind starke Preisschwankungen im Rohstoffhandel gar nicht so selten. Das gilt besonders für vergleichsweise kleine Märkte wie den für Kakao. Denn aufgrund der geringeren Handelsumsätze sind sie für Spekulanten leichter zu manipulieren als etwa der globale Ölmarkt. Ebenso berühmt wie berüchtigt ist die Geschichte des "Schokofinger" genannten britischen Händlers Anthony Ward. Schon Ende der 1990er-Jahre hatte er den Kakaopreis zweimal künstlich in die Höhe getrieben. 2010 setzte Ward dann noch eins drauf: Über die Londoner Börse kaufte er heimlich fast 250 000 Tonnen Kakao auf - und brachte damit praktisch den gesamten europäischen Markt unter seine Kontrolle. Die Folge: Der Preis kletterte auf den höchsten Stand seit Ende der 1970er.

Es müssen allerdings nicht immer die Spekulanten sein. Die starken Preisschwankungen hängen auch damit zusammen, dass der Anbau mancher Rohstoffe aus klimatischen Gründen in nur wenigen Weltregionen überhaupt Sinn ergibt. Anders gesagt: Wenn die Opec eine Kürzung der Ölförderung beschließt - dann können immer noch die Russen oder dank Fracking neuerdings die Amerikaner die Produktion hochfahren. Bei Kakao ist das anders, hier stammen rund 70 Prozent der weltweiten Erzeugung aus Westafrika. Verdirbt das Wetter die Ernte, wie es im Frühjahr 2016 im Zuge des Wetterphänomens "El Niño" der Fall war, treibt das die globalen Marktpreise automatisch nach oben. Deutlich mehr als 3000 Dollar kostete die Tonne Kakao Mitte 2016 noch.

Bei Toblerone fehlen jetzt drei Zacken

Für dieses Jahr rechnen Experten hingegen mit außergewöhnlich guten Ernten - was ein Grund für den jüngsten Preisverfall ist. Zudem lassen die hohen Preise des Vorjahres nun plötzlich die Nachfrage fallen, wie die Financial Times berichtet. Das heißt nicht unbedingt, dass die Europäer jetzt weniger Schokolade essen. Vielmehr sei es so, dass Hersteller dazu übergingen, die Schokolade zu denselben Preisen in kleineren Mengen zu vertreiben. "Shrinkflation" nennen Ökonomen diesen Trick, also Inflation durch Schrumpfen ("shrink"). Das prägnanteste Beispiel: Die dunkelschokoladige Toblerone hatte in britischen Supermärkten letzten Herbst plötzlich drei Gipfel weniger.

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Dass süßer Genuss immer teuer wird - das allerdings galt auch schon, bevor die Zacken aus der Schokolade brachen. Und zwar nicht nur gefühlt, sondern nachweislich. Laut Statischem Bundesamt haben sich "Schokoladentafeln" allein zwischen 2010 und 2016 um 26,9 Prozent verteuert, "Riegel oder andere Erzeugnisse aus Schokolade" kosten nun 11,4 Prozent mehr, und beim "kakaohaltigem Brotaufstrich" ging es um 17,4 Prozent nach oben. Das ist deutlich mehr als die allgemeine Inflation, die im gleichen Zeitraum bei 7,4 Prozent lag.

Die Kakaobauern profitieren kaum

Und wenn man noch weiter zurückblicken will: Seit 2001, also dem letzten Jahr der D-Mark, sind die allgemeinen Preise nur um das 1,2-Fache gestiegen, während der Durchschnittspreis für Schokoladentafeln um den Faktor 1,8 nach oben schnellte. Das liegt in erster Linie tatsächlich an den verteuerten Zutaten, wie die Hersteller immer wieder betonen. Doch daneben setzt bei vielen Verbrauchern wohl auch ein Gewöhnungseffekt ein: Früher kostete die Tafel halt eine Mark - heute eben einen Euro.

Bei den Kakaobauern in Westafrika kommt trotzdem nur der kleinste Teil an - zumal der Marktanteil fair gehandelter Schokolade bei nur rund zwei Prozent liegt. Nach dem jüngsten Preisrutsch erhielten die Bauern für ein Kilogramm Bohnen nach Angaben örtlicher Journalisten nur noch umgerechnet 1,20 Euro. Im weltweit größten Anbauland, in der Elfenbeinküste, kündigten zwei Gewerkschaften, die fast 100 000 Kakaobauern repräsentieren, vergangene Woche an, in den Streik zu treten. Vermutlich wird sich auch das wieder auf den Kakaopreis auswirken.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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