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Rohstoffabbau in Grönland:Rubine, versteckt im ewigen Eis

Lesezeit: 5 min

Boom dank Eisschmelze: Grönland beherbergt Rohstoffschätze wie Rubine und Öl im Milliardenwert. Doch die Einwohner sind finanziell nicht in der Lage, die nötigen Häfen, Straßen und Kraftwerke zu bauen, um ihre Insel in eine Rohstoffmacht zu verwandeln. Die Chinesen schon.

Von James T. Arredy, Wall Street Journal Deutschland

Geologen wissen schon lange, dass tief unter dem arktischen Eis große Schätze verborgen liegen. Viele Meter unter dem Eis und der Erde liegen Eisen, Kupfer, Nickel, Zink, Seltene Erden und Rubine. Vor der Küste liegen zudem Öl und Gas unter dem Meeresboden.

Firmen aus den unterschiedlichsten Ländern profitieren von der investitionsfreundlichen Politik in Grönland und haben bereits über 1,7 Milliarden Dollar in potenzielle Förderprojekte investiert. Eine britische Firma sucht nach Eisenerz, die Schotten wollen das Öl unter dem Meeresboden, Australien jagt Seltenen Erden nach, die Kanadier graben nach Rubinen und auch chinesische Bergbaukonzerne wollen ein Stück vom Kuchen abhaben.

Die Eisschmelze der vergangenen Jahre hat den Rohstoffabbau in dem dänischen Territorium überhaupt erst möglich gemacht. Doch die 56.000 Einwohner der weltgrößten Insel sind wirtschaftlich nicht in der Lage, die nötigen Häfen, Straßen und Kraftwerke zu bauen, um die fischereilastige Volkswirtschaft in eine Rohstoffmacht zu verwandeln.

Seit 2009 ist die Insel deutlich unabhängiger von Dänemark geworden. So konnten die Einwohner selbst entscheiden, wie die Ressourcen des Landes genutzt werden sollten. Die Inuit, die dort heimisch sind, empfingen Rohstoff-Investoren mit offenen Armen.

Grönland will eines Tages komplett unabhängig sein

Die Inselbewohner wollen eines Tages komplett unabhängig sein, doch das ist ihrer eigenen Aussage nach nicht möglich, bis sie auch wirtschaftlich ohne Dänemark auskommen. Derzeit zahlt Dänemark jährlich noch Hunderte Millionen Dollar an Grönland und entsendet zum Beispiel Polizeikräfte dorthin.

Eine einzige Mine könnte die derzeit zwei Milliarden Dollar große Volkswirtschaft von Grönland verwandeln. Die Alternative gefällt den Einwohnern überhaupt nicht: Sie wären weiterhin von den dänischen Hilfsgeldern abhängig, die ein Drittel des jährlichen Haushalts finanzieren, sowie von der Fischerei, die 90 Prozent der Exporte ausmacht.

"Das ist gerade ein sehr dynamischer Zeitpunkt in der grönländischen Geschichte: historisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell gesehen", sagt John Mair, Chef der Explorationsfirma Greenland Minerals and Energy.

Bergbaukonzerne suchen derzeit an über hundert Stellen nach Rohstoffen. Meist sind es kleinere Explorationsfirmen, die Neuland wie dieses erforschen, die Rohstoffvorkommnisse sowie die erwarteten Förderkosten dokumentieren und dann um die Unterstützung finanzstarker Investoren werben.

"Der Bergbau wird nach Grönland kommen", sagt die kürzlich gewählte Premierministerin Aleqa Hammond dem Wall Street Journal.

Da China der größte Importeur vieler Rohstoffe ist, dürfte die Zukunft der Insel auch stark von chinesischen Bankern, Ingenieuren, Bauunternehmern und Käufern abhängen. Und nicht zuletzt ist Grönland gespannt, wie wichtig es der chinesischen Regierung sein wird, in diesem Rohstoffparadies Einfluss zu gewinnen.

Über die Rolle Chinas sagt Hammond, dass es wichtig für Grönland sei, sich mit Ländern zusammenzutun, die Förderprojekte finanzieren wollen. "Wir brauchen aber nicht nur Gelder aus dem Ausland, sondern auch helfende Hände", sagt sie.

Ein Eisenerzprojekt der britischen Firma London Mining will von grönländischen Gesetzen Gebrauch machen, die Ausländern die Arbeit in Grönland erleichtern, und chinesische Arbeiter ins Land bringen. Mitte Juli hat die australische Firma Ironbark Zinc verkündet, dass sie mit einer chinesischen Firma zusammenarbeite, die womöglich eine 485 Millionen Dollar teure Basismetallmine in Nordgrönland finanzieren, bauen und nutzen wird. Eine Woche zuvor besuchte eine Delegation aus chinesischen Bergbauarbeitern und Bankern führende grönländische Politiker und örtliche Rohstoffsucher. Vertreter der kanadischen Firma True North Gems sagen, man hoffe auf Investitionen in den Abbau von Rubinen - rote Edelsteine, die in China und Indien besonders beliebt sind.

Bedeutende chinesische Investitionen in Grönland könnten auch die politische Landschaft der Insel verändern. Historisch hat sich Grönland stärker den USA zugewendet. Diese haben Häfen und Flugplätze auf der Insel gebaut, da sie lange Zeit das Mineral Kryolith nachfragten, das früher in der Aluminiumproduktion wichtig war. Noch heute liegt die nördlichste Militärbasis der USA in Grönland.

Neue Arktis-Strategie der USA

Zwar heißt auch Dänemark diese Investoren willkommen, doch Diplomaten sagen, dass eine starke wirtschaftliche Tendenz hin zu China Dänemark und seinen Verbündeten, speziell den USA, nicht recht wäre. "Sowohl die USA als auch Russland sind höchst skeptisch gegenüber den chinesischen Versuchen, die Kontrolle über die Rohstoffe der Region zu erlangen", heißt es in einer Risikoauswertung des dänischen Verteidigungsinformationsdienstes.

Als US-Präsident Barack Obama im Mai eine neue Arktis-Strategie verabschiedete, betonte er, dass die USA "neue wirtschaftliche Chancen" ergreifen sollten. In einem Absatz über die Sicherheitsinteressen der USA wird ein Unterschied gemacht zwischen Ländern, die selbst in der Arktis Territorium besitzen, und sogenannten nicht-arktischen Staaten. Chinesische Publikationen sprechen von dem asiatischen Land immer öfters als Arktis-nahem Staat, berichten Analysten.

Peking weist Vorwürfe von sich, dass China versteckte Interessen auf der Insel habe. "Grundloser Rummel", sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums im März.

Tatsächlich gehören fast alle Explorationslizenzen in Grönland westlichen Firmen. Doch angesichts der sinkenden Rohstoffpreise und der Kapitalknappheit verhandeln viele Firmen mit China über Finanzierungsmöglichkeiten. "Das risikobereite Kapital ist in Asien", sagt Jens-Erik Kirkegaard, Industrie- und Rohstoffminister von Grönland.

Eine Eisenerzmine für 2,35 Milliarden Dollar

Hinweise auf die Ambitionen Chinas sind zu sehen, wenn man per Schnellboot in vier Stunden zum Ilulialik-Fjord fährt. Hier stürzen Eisberge so groß wie Häuser von einem Gletscher in den Ozean, wo sich Wale und Seehunde tummeln.

Hier soll eine 2,35 Milliarden Dollar teure Eisenerzmine entstehen, für die Grönland eigenen Angaben nach bis Herbst eine Lizenz ausstellen will. Das Projekt wird derzeit von London Mining geführt, wurde jedoch von einem internationalen Team entwickelt. Chinesische Staatskonzerne sollen dabei eine wichtige Rolle einnehmen.

Es dürfte teuer werden, über dem Fjord Eisenerz abzubauen. Zuerst sehen die Pläne eine Sprengung der 160 Meter dicken Eisdecke vor. Bis zu 3000 chinesische Arbeiter werden die scharfen Winde und eisigen Temperaturen aushalten müssen, während sie Kraftwerke und Verarbeitungsstätten bauen. Eine Pipeline soll die Strecke von 100 Kilometern bis zu einem neuen Hafen überbrücken. Schiffe mit einer Ladung Erz würden dann nach China fahren.

Nur wenige "Rohstoffhypermärkte", sagen begeisterte Beobachter, können mit Grönland mithalten, wenn es um die politische Situation geht. Die Stabilität, das durchschaubare Rechtssystem und die minimale Korruption, die es durch die Verbindung zu Dänemark gibt, sind für Investoren attraktiv.

Doch die Schatzsuche auf der eisigen Insel hat auch Risiken. "Es gibt viele Chancen hier, aber man muss auch realistisch sein", sagt Arent Heilmann, Partner bei Greenland Mining Services, ein Bertungs- und Zulieferungsunternehmen für Explorationsprojekte. "Die Herausforderung ist hier, dass es in Grönland keine Infrastruktur außerhalb der Städte gibt."

Es gibt keine Straßen, die die isolierten Küstendörfer verbinden. Die Landebahn in der Hauptstadt Nuuk ist zu kurz für den einzigen Jetliner von Air Greenland. Das Internet fällt aus, wenn Eisberge die Unterwasserkabel durchbrechen.

Fast 30 Prozent der Bewohner von Grönland wohnen in Nuuk. Die Menschen tragen Seehundjacken, essen mit Piment gewürztes Walfett und lieben es, zu grönländischen Polka-ähnlichen Hits zu tanzen.

Ein Sixpack Bier für 18 Dollar

Die Inuit leben oft in modernen Wohnhäusern mit dreifach verglasten Scheiben und pastellfarbenen Fassaden. Das Leben hier ist teuer: Ein Sechserpack Bier kostet 18 Dollar, fünf Minuten Youtube-Nutzung kostet einen Dollar, ein 45 Minuten langer Inlandsflug oft mehr als 500 Dollar.

Es gibt wenige Fachkräfte. Auch Übersetzer für die grönländische Sprache gibt es wenige, die aus vielsilbigen Wörtern besteht, die so lang sind wie ganze Sätze in anderen Sprachen.

Dort, wo die Rohstoffe Grönlands verborgen liegen, entstehen so schnell so viele Probleme, dass manche bezweifeln, dass der Abbau dieser Rohstoffe überhaupt das Risiko wert ist. Für Hubschrauber zahlen Bergbaufirmen 3200 Dollar pro Stunde und fahren mit Booten über Wasser, das so kalt ist, dass kaum jemand Rettungsjacken überhaupt für sinnvoll hält. Ihre Ausrüstung transportieren Arbeiter mit Hundeschlitten. Maschinen drohen ständig einzufrieren, und riesige Sandsäcke sichern Container vor Stürmen.

Trotzdem geht es voran in der Arktis. 150 Arbeiter haben einen Hafen und Straßen für ein neues, 180 Millionen Dollar teures Wasserkraftwerk gebaut und sie haben einen 15 Kilometer langen Tunnel unter einem gefrorenen See gegraben.

New Yorker Unternehmen und chinesische Arbeiter

Die New Yorker Firma Alcoa hat erste Investitionen in eine Aluminiumhütte getätigt, die durch Wasserkraft aus grönländischen Seen betrieben werden und von chinesischen Arbeitern gebaut werden soll. 46 Frachtschiffe fuhren im Sommer 2012 durch die Nordostpassage, und in dieser Saison dürften es noch deutlich mehr sein, berichtet das norwegische Centre for High North Logistics.

Johannes Heilmann rechnet mit einer neuen Ära für Grönland. Der grauhaarige 65-Jährige jagt im Winter Vögel, erntet im Frühjahr Lumpfischrogen, fängt im Sommer Kabeljau und Seehunde und bis Dezember auch Finnwale. Er glaubt, dass nach ihm kaum mehr jemand mit einem Gewehr und einer Jolle sein Leben bestreiten wird. Grönland, sagt er, "wird von einer Fischerei- zu einer Bergbaunation".

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