Süddeutsche Zeitung

Röslers Zapfsäulen-Populismus:Mit Vollgas ins Abseits

Philipp Rösler will - unterstützt vom mächtigsten Automobilclub Deutschlands - ein Bürokratie-Ungetüm schaffen, das die Preise an den Tankstellen lückenlos erfassen soll. Doch wozu das Ganze? In den Ohren wütender Verbraucher klingt sein Vorschlag erst einmal gut. Preiskontrolle an der Zapfsäule macht Benzin und Diesel jedoch teurer.

Silvia Liebrich

An Zufall mag da wohl keiner glauben. Dass Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP ausgerechnet kurz vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Mineralölkonzerne an die Leine legen will, ist blanker Populismus.

Der FDP laufen die Wähler davon, und das gilt es offenbar mit allen Mitteln zu verhindern. Zur Not auch mit einem völlig antiliberalen Vorschlag, der so gar nicht zu der Partei passt, die sich sonst gegen jede Form von staatlichen Eingriffen stemmt - wie zuletzt bei der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker. Hier hat die FDP ihr Möglichstes getan, um eine Auffanggesellschaft für die Belegschaft zu verhindern. Wenn es um Autofahrer geht, die über teuren Sprit jammern, sieht die Sache aber völlig anders aus. Klingt unlogisch? Ist unlogisch - und völlig nutzlos obendrein.

Rösler will unterstützt vom mächtigsten Automobilclub Deutschlands, dem ADAC, ein Bürokratie-Ungetüm schaffen, das die Preise an den Tankstellen und im Großhandel lückenlos erfassen soll. Aber wozu das Ganze? Angeblich, um endlich für einen fairen Wettbewerb an der Zapfsäule zu sorgen, und die Betreiber von kleinen Tankstellen vor der Marktmacht der Großen - Aral, Shell, Esso, Jet und Total - zu schützen.

Ein solches Vorhaben wäre aber nur dann sinnvoll, wenn der Wettbewerb tatsächlich nicht funktionieren würde. Doch genau das tut er. Das hat das Bundeskartellamt nach einer umfassenden dreijährigen Sektoruntersuchung im vergangenen Sommer festgestellt. Auch die vermuteten illegalen Preisabsprachen konnte die Behörde nicht belegen.

Rösler führt mit dem geplanten Markttransparenzgesetz die Autofahrer hinters Licht. Denn in den Ohren wütender Verbraucher, die sich von den Tankstellenkonzernen abgezockt fühlen, klingt sein Vorschlag erst einmal gut. Sie erwarten nun, dass die staatliche Kontrolle dazu führt, dass die Preise für Benzin und Diesel in der Tendenz eher sinken. Was der FDP-Obere dem Wahlvolk verschweigt: Durch die Kontrolle werden Kraftstoffe eher noch teurer. Denn sie schafft einen Anreiz für Tankstellenbetreiber, Preise höher anzusetzen. Unter anderem, um nicht in Verdacht zu geraten, dass Sprit unter Einstandspreisen verkauft wird, was verboten ist.

Kraftstoff wird deshalb teurer, weil das Öl knapp ist

Am Ende wird die Mineralölindustrie mit Röslers Hilfe sogar besser verdienen als bisher. Hinzu kommt, dass eine Überwachung Geld kostet. Wenn die 14.700 deutschen Tankstellen alle Ein- und Verkäufe detailliert melden sollen, muss dafür nicht nur die entsprechende Administration aufgebaut, sondern auch Personal abgestellt werden. Und es bräuchte mehrere Dutzend zusätzliche Stellen beim Bundeskartellamt. Für die müssten dann die Steuerzahler aufkommen.

Fest steht: Weder die vom Wirtschaftsminister vorgeschlagene höhere Pendlerpauschale noch eine staatliche Kontrollbehörde für Tankstellen werden den Anstieg der Kraftstoffpreise in Zukunft verhindern können. Sollten sie umgesetzt werden, wäre das eine reine Verschwendung von Steuergeldern. Das grundlegende Problem lässt sich so nicht lösen. Benzin und Diesel werden vor allem deshalb teurer, weil das dafür notwendige Öl knapp ist und die Notierungen an den Rohstoffmärkten steigen. Das müsste eigentlich auch Herr Rösler wissen. Er muss sich deshalb vorwerfen lassen, dass er in der Debatte um Benzinpreise die Realität völlig verkennt. Was er nun plant, ist eine Fahrt mit Vollgas ins Abseits.

Anstatt die Mineralölindustrie zu gängeln, sollte sich Rösler besser um die Frage kümmern, wie sich der Verbrauch von fossilen Brennstoffen drosseln lässt. Allein die staatlichen Subventionen für Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg kosten die Steuerzahler jedes Jahr bis zu zehn Milliarden Euro. Als Instrumente, um den Verbrauch zu senken, sind diese Beihilfen völlig ungeeignet. Diese gewaltige Summe könnte man an anderer Stelle wesentlich sinnvoller einsetzen. Etwa für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und Schienennetzen sowie den Aufbau einer Infrastruktur für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Je rascher dieser Strukturwandel in Angriff genommen wird, umso schneller können Berufspendler, die jetzt noch auf ihren Benziner oder Diesel angewiesen sind, auf öffentliche Transportmittel oder zumindest auf energieeffizientere Fahrzeuge umsteigen.

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SZ vom 21.04.2012/rela
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