Süddeutsche Zeitung

Robotersteuer:Besteuert Gewinne, nicht Roboter!

Lesezeit: 3 Min.

Maschinen erledigen künftig immer mehr Jobs. Ausgerechnet Bill Gates will diese Entwicklung mit einer neuen Steuer bremsen. Es zeichnet sich ein Klassenkampf ab, in dem die Masse aufstehen muss, will sie nicht im Elend enden.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Es ist ungehörig, einen 61-Jährigen mit einem Lehrling zu vergleichen. Trotzdem drängt sich einem dieser Vergleich auf, wenn man von Bill Gates' Vorschlag hört, Roboter zu besteuern. Ausgerechnet der Microsoft-Gründer möchte die Digitalisierung bremsen, die sein Konzern anfachte und die ihn zum reichsten Mann der Erde machte. Das erinnert an Goethes Zauberlehrling, der die Geister bannen will, die er rief: Der Besen, den er zum Knecht formte, schleppt zu viel Wasser an, er überschwemmt das ganze Haus.

Es spricht nicht gegen, sondern für Gates, dass er über die Zukunft der Menschheit nachdenkt. Der Softwarepionier erkennt: Der technische Fortschritt steht an einem Wendepunkt. Jahrhundertelang übernahmen Maschinen vor allem die ungeliebte Plackerei, ob auf Äckern oder in Fabriken. Der Mensch fand angenehmere und besser bezahlte Tätigkeiten. Ein toller Deal.

Maschinen gefährden gleichzeitig Arbeiter und Akademiker

Seit einiger Zeit jedoch merken Deutsche mit geringen bis mittleren Qualifikationen, dass sie schwerer Arbeit finden. Maschinen ersetzen nun auch Fabrikwerker und Sachbearbeiter. Denen bleiben oft nur unsichere, mäßig bezahlte Jobs, ob als Paketboten, Sicherheitsleute oder im Callcenter. Die Löhne stagnieren bis hinauf in die Mittelschicht; die Ungleichheit steigt. Neben der Globalisierung liegt das auch in der Technologie begründet.

Die etablierten Parteien im Westen ignorierten diesen Trend. Sie verschärften die Lage noch, weil sie Steuern der Reichen senkten und Sozialleistungen der Verlierer kürzten. Jetzt zeigen ihnen die Unzufriedenen wie bei der US-Wahl den Finger. Nun erwägt erstmals seit Langem ein SPD-Kanzlerkandidat, Gerechtigkeit ins Zentrum seiner Kampagne zu stellen.

Das alles liefert einen Vorgeschmack darauf, was die Digitalisierung in den nächsten Dekaden auslösen könnte. Maschinen steuern auf einmal Lkw und bringen Patienten Essen. Sie scannen Rechtsfälle und Finanzdaten in einem Tempo, das Anwälte und Analysten überflüssig macht. Sie gefährden gleichzeitig Arbeiter und Akademiker, wobei unklar bleibt, wie viele Betroffene etwas Neues finden. Forscher warnen, die Digitalisierung ersetze in den kommenden 20 Jahren jeden zweiten Arbeitsplatz in Amerika und Europa. "O du Ausgeburt der Hölle!", verflucht Goethes Zauberlehrling den Besen, "soll das ganze Haus ersaufen?"

Die Optimisten widersprechen. Untergangsprognosen hätten sich in der Historie stets als falsch erwiesen. Sie haben völlig recht. Allerdings weiß keiner, wie die Zukunft aussieht. Interessanterweise mahnen vor allem Technologie-Manager, die Gesellschaft müsse auf die Technologie reagieren. Schon vor Bill Gates forderten die Chefs von Siemens und der Telekom ein Grundeinkommen.

Finden Menschen weniger Arbeit, brauchen sie anderes Einkommen. Gleichzeitig kann der Staat weniger sozial handeln, wenn menschliche Arbeit weniger Steuern liefert. Weil die Folgen der Digitalisierung im Nebel liegen, also höchst negativ ausfallen könnten, müssen die Menschen neue Modelle konzipieren.

Nicht Roboter, sondern Gewinne müssen konsequent besteuert werden

Gates' Robotersteuer hat Tücken. Führt Deutschland sie ein, bremst das den Einsatz von Maschinen und sichert zunächst Stellen. Expandieren Roboter in anderen Ländern ungehemmt, verschwinden die deutschen Jobs doch. Außerdem vernichtet das Bremsen der Maschinen jene Vorteile, die Technik stets liefert: Maschinen machen den Menschen dort produktiver, wo beide zusammenarbeiten.

Effektiver als eine Robotersteuer wäre, die Gewinne der Firmen weltweit konsequent zu besteuern. Wenn Maschinen immer mehr Produktion und Dienstleistungen übernehmen, landet der Ertrag trotzdem auch bei der Allgemeinheit. Effektiv wäre es zudem, alle Bürger zu Miteigentümern der Unternehmen zu machen. Dann sind alle direkt an der Wertschöpfung der Maschinen beteiligt. Heute hält nur jeder zehnte Deutsche Aktien - bleibt das so, dürfte die Ungleichheit explodieren.

Kapitalismus für alle!

Alle Bürger als Kapitalisten, das klingt irreal? Das neue Zeitalter der Maschinen könnte solche Lösungen erfordern. So neu sind sie ohnehin nicht. Als die Industrialisierung im 19. Jahrhundert die Gesellschaft in Arbeiter und Kapitalisten spaltete, erdachte Karl Marx die klassenlose Gesellschaft. Befreit von der Lohnschufterei ermögliche sie jedem, "morgens zu jagen, nachmittags zu fischen".

Marx verband seine Vision mit einem ökonomisch impotenten Modell. Nun sind neue Lösungen gefragt, damit alle am Sieg der Maschinen teilhaben. Die Besitzer der Maschinen dürften allerdings selten so bereit sein wie Gates, ihre Gewinne zu teilen. Wie im 19. Jahrhundert zeichnet sich ein Klassenkampf ab, in dem die Masse für ihre Rechte aufstehen muss, will sie nicht im Elend enden.

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SZ vom 22.02.2017
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