Roboterindustrie:Deshalb ringt Gabriel um Roboterbauer Kuka

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Lieferbereit: Roboter im Kuka-Werk in Shanghai. (Foto: REUTERS)
  • Die Bundesregierung möchte verhindern, dass der Augsburger Roboterhersteller Kuka von Chinesen übernommen wird.
  • Aus Berlin und Brüssel kommen Vorschläge, stattdessen einen deutschen oder europäischen Roboterbauer zu formen.
  • Mögliche Akteure, etwa Siemens, ABB oder verschiedene Autobauer, sind jedoch offenbar nicht interessiert.

Analyse von Michael Bauchmüller, Elisabeth Dostert und Christoph Giesen

Nach außen hin lässt sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Sachen Kuka nichts anmerken. "Man muss aufpassen, dass man jetzt kein Chinesen-Bashing macht", sagt er am Dienstagvormittag in Berlin. Am Ende müssten sowieso die Eigentümer entscheiden, ob sie ihre Aktien des Augsburger Roboterbauers Kuka an den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea verkaufen. "Aber ich würde mich sehr darüber freuen, wenn es ein alternatives Angebot aus Deutschland oder Europa gibt, bei dem die Eigentümer die Wahl haben", sagte der Bundeswirtschaftsminister.

Was Gabriel am Dienstag noch nicht sagte: Hinter den Kulissen ist auch er längst dabei, die Chancen für ein solches Angebot zu eruieren. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung möchte Berlin ein Konsortium schmieden, das den Chinesen zuvorkommt. Am Mittwoch hat der Minister die Berichte bestätigt. "Es gibt die Bemühungen, ein alternatives Angebot zu formulieren. Ob es dazu kommt, werden wir sehen", sagte Gabriel.

Das Wirtschaftsministerium telefoniert gerade Europas Industrie ab

Seit der Midea-Konzern vor gut zwei Wochen 115 Euro pro Kuka-Aktie geboten und damit ein sehr hohes Angebot vorgelegt hat, telefonieren Minister und Staatssekretäre aus dem Bundeswirtschaftsministerium die europäische Industrie ab. Erst Siemens. Aber die Münchner, die selber komplette Fabriken bauen, haben abgewunken, an Robotik sei man derzeit nicht interessiert, hat man dem Minister mitgeteilt.

Mittlerweile stehen auch die Autobauer auf der Anrufliste der Regierung. Deutschlands führende Industrie soll dabei helfen, einen Investor für Kuka zu finden. Die Angst, die viele in der Politik und der Industrie umtreibt: Sensible Daten deutscher Unternehmen könnten am Ende in Chinas Ministerien landen, warnt ein Insider. Schließlich haben Ausrüster wie Kuka in einer digitalisierten Produktion künftig Zugriff darauf. Und sind diese Daten noch sicher, wenn Kuka einem chinesischen Investor gehört?

Midea ist zwar ein privates Unternehmen, das an der Börse in Shenzhen gelistet ist. Doch der Haushaltsgerätehersteller setzt offenbar bewusst auf die digitalisierte Fertigung. Der Grund: Seit etwa einem Jahr propagiert die Kommunistische Partei ihre sogenannte "Made in China 2025"-Strategie. Es ist das chinesische Pendant zur deutschen Industrie 4.0. Eines der Schlüsselelemente dabei ist die Digitalisierung der Produktion und mit ihr die Robotik. Chinesische Unternehmen, die dabei vorne liegen, dürften sich großzügige staatliche Subventionen und Aufträge erhoffen. Eine enge Kooperation mit Chinas Behörden wäre also vorprogrammiert.

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Öffentlich aussprechen möchte das in Deutschland jedoch niemand. Zu groß ist die Furcht, es sich mit der Führung in Peking zu verscherzen. Deutschlands Autoindustrie ist von keinem Markt so abhängig wie von China. Dasselbe gilt für den Kuka-Großaktionär Voith. Der schwäbische Industriekonzern hält derzeit eine Sperrminorität von 25,1 Prozent; außer einer Ermahnung an Kuka-Chef Till Reuter, die chinesische Offerte ergebnisoffen zu prüfen, ist nichts Kritisches aus Heidenheim an der Brenz zu hören. Das gilt auch für Sigmar Gabriel selbst. Schließlich fliegt in knapp zwei Wochen das halbe Kabinett nebst Kanzlerin nach Peking zu Konsultationen. Davor hätte man am liebsten das Problem Kuka gelöst - wie auch immer.

Aus der deutschen Industrie jedoch bekommt der Bundeswirtschaftsminister öffentlich keine Unterstützung. Ulrich Grillo, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), warnt vielmehr davor, ausländische Investoren zu verteufeln: "Wenn die Chinesen hier etwas kaufen wollen, ist das ein gutes Zeichen. Das zeigt, dass wir gut unterwegs sind." Nur müsse es für deutsche Firmen genauso leicht sein, in China Unternehmen zu erwerben wie umgekehrt.

"Die Angst vor den Chinesen verblüfft mich immer wieder", sagt auch Karl Haeusgen. Er ist der Chef des Mittelständlers Hawe, der auf Hydraulik-Komponenten spezialisiert ist. Kapitalverflechtungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen sieht er positiv. "Mit jeder Beteiligung bewegt sich China weiter auf die westliche Welt zu. Jede Beteiligung bringt die Integration voran."

Es gebe viele Beispiele dafür, sagt Haeusgen, dass chinesische Investoren, die deutsche Unternehmen übernommen oder sich beteiligt haben, dem Management freie Hand lassen. Viele der chinesischen Konzerne seien zwar im Inland stark, aber auch technologisch nicht stark genug, um im Ausland zu reüssieren. Haeusgen nennt das Beispiel Putzmeister. Der Baumaschinenhersteller gehört seit Ende 2012 zum chinesischen Konzern Sany. "Anfänglich hieß es immer, Sany hat Putzmeister gerettet. Heute sieht es eher so aus, als ob Putzmeister Sany gerettet hat, weil es in China schlecht läuft."

Haeusgen arbeitet in seiner Firma nicht mit Robotern von Kuka. "Aber selbst, wenn ich welche hätte, käme ich nicht auf die Idee, denen zu kündigen, weil sie einen chinesischen Aktionär haben." Jede Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sei mit dem Austausch von Know-how verbunden. "Aber die Chinesen sind nicht kopiergefährlicher als Italiener oder Amerikaner", meint Haeusgen.

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Eine "Perle der deutschen Industrie"

Die offensten Worte sind indes aus Brüssel zu hören. Kuka sei eine "Perle der deutschen Industrie", sagt der Europa-Parlamentarier Markus Ferber (CSU). Er plädiert dafür, einen europäischen Roboterbauer zu formen. Vorbild könne die Luftfahrt sein, also Airbus, meint er. Der Luft- und Raumfahrtkonzern entstand aus der Fusion der deutschen Dasa, der französischen Aerospatiale-Matra und der spanischen Casa.

Für die europäische Roboterallianz hat Ferber daher eine eindeutige Präferenz: ein Zusammenschluss von Kuka mit dem schwedisch-schweizerischen Konzern ABB, dem wichtigsten Konkurrenten der Augsburger im Robotergeschäft. "Das wäre die Traumkonstellation", sagt Ferber. Zu solchen Spekulationen will sich ABB in Zürich allerdings nicht äußern. Die Suche nach einem möglichen Gegenkandidaten für den chinesischen Midea-Konzern geht also weiter.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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