Roboter:Ferngesteuert

In Windeseile hat sich der chinesische Hausgeräte-hersteller Midea mehr als die Hälfte der Aktien an Kuka gesichert. Die Beschäftigten schwanken zwischen Zustimmung und Skepsis.

Von Elisabeth Dostert und Stefan Mayr, Augsburg/München

Ihr Unternehmen wird nach China verkauft, aber Manuel Koutecky und Karsten Frohn sind bester Laune. In bunten Sommerhemden stehen sie vor dem neuen Entwicklungs- und Technologie-Zentrum von Kuka in Augsburg, das nächste Woche offiziell eingeweiht werden soll, und scherzen herum. "Ich lasse das ganz gemütlich auf mich zukommen", sagt der IT-Experte Frohn und blinzelt in die Julisonne: "Was in siebeneinhalb Jahren kommt, ist doch mir egal."

Siebeneinhalb Jahre: Solange soll, wenn man den Zusagen des Midea-Konzerns traut, bei Kuka alles so bleiben wie es ist. Das hat der neue Eigentümer aus China in einer Investorenvereinbarung zugesichert, die vorige Woche unterzeichnet wurde. Die Zugeständnisse sind weitreichend: Augsburg bleibt Hauptsitz, Midea gab eine Standort- und Beschäftigungsgarantie bis 2023. Nicht mal eine Woche später sind die Chinesen am Ziel, am Montag wurde bekannt, dass sie bereits jetzt mehr als 50 Prozent der Aktien von Kuka halten. In den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen aus Augsburg, ein Konzern mit knapp drei Milliarden Euro Umsatz und 12 300 Beschäftigten, zum Symbol für Roboter und die Digitalisierung der deutschen Industrie gemausert.

Kuka-Vorstandschef Till Reuter, der IG-Metaller Michael Leppek und Betriebsratsvorsitzender Armin Kolb hatten sich eigentlich gewünscht, dass trotz des Einstiegs der Chinesen die beiden bisherigen Großaktionäre des Roboterbauers an Bord bleiben: der Maschinenhersteller Voith sowieso das Unternehmen Swoctem, hinter dem der hessische Industrielle Friedhelm Loh steckt. Aber Übernahmen sind dann doch kein Wünsch-Dir-Was. Seit Montag steht fest, dass Voith und Loh Kasse machen. Sie haben sich vergangene Woche dazu entschieden. Publik gemacht haben sie den Verkauf Sonntag und Montag. Voith kassiert für seine 25,1 Prozent insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Damit hat sich der Einsatz in eineinhalb Jahren mehr als verdoppelt. Loh hielt zehn Prozent, er dürfte einen noch besseren Schnitt gemacht haben. Schon im Februar 2014 meldete Loh, dass er mehr als drei Prozent an Kuka halte, im August des gleichen Jahres waren es dann schon gut zehn Prozent. Die Sorgen der Politik, dass mit der Kuka-Übernahme Technologie nach China fließen könnte, scheren die Großaktionäre offenbar wenig.

Robots And Human Guinea Pigs Collaborate For Safer Workplaces

Ein Mann im Fraunhofer-Institut in Magdeburg steuert über ein Tablet einen Roboter von Kuka.

(Foto: Martin Leissl/Bloomberg)

Hartnäckig hält sich weiterhin die Behauptung, Midea habe geäußert, sich mit 49 Prozent der Anteile begnügen zu können. "Das hat Midea so nie geäußert", widerspricht eine Firmensprecherin. Kuka-Chef Reuter sagte allerdings vorige Woche, dass er "im Hintergrund" mit Investoren verhandele, die Aktienpakete von Midea übernehmen könnten, so dass der Anteil der Chinesen nach Abschluss des Übernahmeverfahrens auch wieder sinken könnte.

Die Offerte von Midea bewertet Kuka mit 4,5 Milliarden Euro. 115 Euro je Aktie bieten die Chinesischen. Ein Indiz, welchen ideellen Wert der Übernehmer der Augsburger Firma Kuka beimisst, liefert der Name des Übernahmevehikels: Es heißt Mecca, die saudi-arabische Stadt mit dem Heiligtum der Kaaba ist ein zentraler Wallfahrtsort für Muslime. Seinen Sitz hat das Vehikel ganz profan in Road Town auf den Britischen Jungferninseln, eine Pilgerstätte für Steuerflüchtlinge.

"Ich kann nicht nachvollziehen, wie Midea Kuka weiterbringen will."

Die Laune der Kuka-Mitarbeiter Koutecky, 33, und Frohn, 43, trübt der Verkauf bislang nicht. Aber es gibt auch kritischere Stimmen. Sie habe "durchaus Bedenken", sagt eine Frau, Mitte 40, am Werkstor. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. "Ich kann nicht nachvollziehen, wie Midea Kuka weiterbringen will. Die haben ja auch nicht den besten Ruf." Ihr wäre ein Investor aus Deutschland lieber gewesen. Die Frau macht sich Sorgen, was in siebeneinhalb Jahren passiert, wenn die Investorenvereinbarung zwischen Kuka und Midea ausläuft. "Was kommt nach 2023?", fragt sie: "Ich als kleine Mitarbeiterin werde bis dahin jedenfalls nicht saniert sein." Große Angst vor einem drohenden Knowhow-Abfluss von Kuka und dessen Kunden wie BMW oder Daimler haben die meisten "Kukaner", wie sie sich selbst nennen, aber nicht. "Man muss das aufmerksam beobachten", sagt einer, der seinen Namen auch nicht in der Zeitung lesen will. "Aber wenn wir in Sachen Technologie immer einen Schritt voraus sind, habe ich da keine Sorge." Auf einer Messe in China habe ein Unternehmen Produkte gezeigt, die den Kuka-Entwicklungen sehr ähnlich waren. Halb so schlimm, sagt der Mann mit der Brille, "das Zeug war halt einfach auf einem älteren Stand als unsere Sachen." Im übrigen vertraue er Vorstandschef Reuter, der den Einstieg von Midea allen Aktionären offiziell empfiehlt: "Er hat die letzten Jahre sehr gute Arbeit geleistet und wird es auch weiter tun." Die Vorteile des Verkaufs seien größer als die drohenden Nachteile, glauben die meisten der Befragten vor dem Werkstor. "Der chinesische Markt ist groß und für Kuka sehr wichtig", sagt Frohn, "das muss nicht das schlechteste sein." Die Größe des chinesischen Marktes ist auch ein Argument, dass Firmenchef Reuter immer wieder als Argument für den Verkauf aufführt. Für seine allzu deutliche frühe Empfehlung, ist er von Friedhelm Loh öffentlich gerügt worden.

Roboter: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Kuka habe schon eine Fabrik in Shanghai, es finde ohnehin schon Austausch von Knowhow statt, sagt ein Mann am Werkstor. Ihn beschäftige viel mehr, ob sich die Arbeitsbedingungen langfristig ändern werden. "Das ist ja bei jedem Verkauf die Frage", sagt er, "und man weiß ja auch nicht, was ohne das Midea-Angebot gekommen wäre." "Man weiß ja nie, ob man zu optimistisch ist", sagt Frohn. "Hier hat niemand Angst", sagt Michael Leppek, Erster Bevollmächtiger der IG Metall in Augsburg, der SZ. Er sitzt für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Kuka. "Hier fängt auch niemand an, Chinesisch zu lernen."

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