Süddeutsche Zeitung

Robo-Advisors:Bank von morgen

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Die spanische Großbank Santander bietet seinen sechs Millionen Kunden in Deutschland künftig eine voll automatisierte Geldanlage an. Aber nicht selbst - die Sparer landen dann bei einem Frankfurter Start-up.

Von Heinz-Roger Dohms, Düsseldorf

Vor zwei Jahren klang Oliver Vins noch wie ein Revoluzzer. Der Stern brachte damals eine große Geschichte über das von Vins gegründete Finanz-Start-up Vaamo. Titel: "Ist das die Bank von morgen?" Der Artikel endete mit einem Zitat von Vins, der selbstsicher sagte: "Ich fühle mich wie Jeff Bezos vor 20 Jahren. Als der damals Amazon gründete, hat Neckermann noch darüber gelacht." Heute würde Vins so etwas vermutlich nicht mehr sagen. Denn die Revolution lässt auf sich warten. Stattdessen suchen die "Fintechs" - so werden die Finanz-Start-ups genannt - plötzlich die Nähe zu Banken.

Vaamo ist das beste Beispiel. Wie Vins berichtet, wird seine Firma in Zukunft gemeinsame Sache mit der spanischen Großbank Santander machen - genauer: Ein von Vaamo entwickelter Robo-Advisor wird künftig zum festen Angebot der deutschen Santander-Tochter mit ihren 6,1 Millionen Kunden gehören. Für Jungunternehmer Vins ist das ein großer Erfolg. Es ist aber auch ein Eingeständnis: Die Bank von morgen wird womöglich doch kein Fintech sein. Sondern eine traditionelle Bank, die mit vielen dieser Fintechs kooperiert.

Vereinfacht gesagt ist ein Robo-Advisor ein Computerprogramm, das eigenständige Investitionsentscheidungen trifft. Als Vins 2013 Vaamo gründete, da glaubte er, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Menschen ihr Geld nicht mehr einem Bankberater oder einem Vermögensverwalter anvertrauen. Sondern Roboter-Firmen wie seiner. Das Produktversprechen klingt schließlich verlockend: Der Robo-Advisor soll Geld des Kunden nicht nur besser anlegen als ein menschlicher Vermögensverwalter, er macht das Ganze auch noch zu deutlich niedrigeren Gebühren.

Vins ist nicht der einzige, der auf dieses Geschäftsmodell setzt. Allein auf dem deutschen Markt tummeln sich mittlerweile mehr als ein halbes Dutzend Robo-Advisors, zum Beispiel Ginmon, Scalable oder Cashboard. Eine Zeitlang herrschte um die Start-up-Firmen ein regelrechter Hype. Gemessen daran ist der Kundenzuspruch allerdings immer noch mau. Das erkennt man unter anderem daran, dass sich die meisten Robo-Firmen standhaft weigern, ihre "Assets under Management" zu veröffentlichten, also die Höhe der Vermögen, die sie im Kundenauftrag verwalten. Nach SZ-Informationen kommen alle unabhängigen deutschen Robo-Berater zusammen momentan auf allenfalls 150 bis 200 Millionen Euro. Bei Gebühren, die in der Regel unter einem Prozent jährlich liegen, ergeben sich also für die gesamte Branche Erlöse von nicht einmal zwei Millionen Euro. Viel zu wenig, um unter dem Strich Geld zu verdienen.

Dass der Durchbruch der Robos - anders als zum Beispiel in den USA - auf sich warten lässt, hat unterschiedliche Gründe. Viele Deutsche betreiben praktisch gar keine Geldanlage und bunkern ihr Erspartes lieber auf dem Tagesgeldkonto. Andere wiederum beschleicht ein ungutes Gefühl, wenn sie einem Start-up mit seltsamen Namen mal eben Zehntausende Euro überlassen sollen. Im Zweifel gehen sie dann eben doch lieber zum örtlichen Sparkassenberater. "Kunden zu gewinnen und Vertrauen aufzubauen ist schwierig", hat Vins feststellen müssen. Er gibt sich zwar überzeugt, dass Vaamo auch im Endkundengeschäft weiter wachsen wird. "Aber sicherlich wird daneben auch die Kooperation mit bestehenden Banken eine wichtige Rolle spielen."

Tatsächlich hat die etablierte Finanzindustrie das Thema längst für sich entdeckt - und bedient sich dabei des Know-hows der Newcomer. Die Deutsche Bank baute ihren Roboter zwar selbst, ließ sich dabei aber von einem Fintech namens Fincite helfen. Hauck-Aufhäuser wiederum, die alteingesessene Privatbank, kaufte im Frühjahr kurzerhand einen Robo-Advisor auf, nämlich das Frankfurter Start-up Easyfolio. Der Ansatz von Santander ist ein anderer. Die Spanier lassen sich von Vaamo eine komplette "White Label"-Lösung liefern, wie das in der Branche heißt.

Das bedeutet: Auf dem Robo-Advisor steht zwar "Santander" drauf und er wird auch komplett ins Online-Angebot der Bank integriert. In Wirklichkeit allerdings kommt der investierende Roboter von Vaamo. Selbst unter der Service-Hotline wird sich ein Vaamo-Mitarbeiter melden, allerdings wird er, wenn er die Anrufe entgegennimmt, nicht "Vaamo" sagen, sondern "Santander". Mag sein, dass sich ein Revolutionär wie Jeff Bezos von Amazon auf so einen Deal niemals eingelassen hätte. Oliver Vins hingegen kann bestens damit leben.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2016
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