Robo Advisor:Maschinen als Berater

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Robo Advisors sind digitale Vermögensverwalter, die das Kundengeld weltweit, breit gestreut in Fonds anlegen. Ein Experte erklärt, wie sie funktionieren und was Anleger dabei beachten sollten.

Interview von Tanja Koch

Wer professionelle Hilfe bei der Geldanlage benötigt, ist nicht mehr auf teure Finanzberater angewiesen: Robo Advisors analysieren mithilfe von Algorithmen, welches Portfolio zu einem Anleger passt. Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Frankfurter Goethe-Universität, erklärt, wie die digitalen Vermögensverwalter funktionieren und worauf Anleger achten sollten.

Robo Advisors sind weder Roboter noch klassische Finanzberater, oder?

Andreas Hackethal: Der Name Robo Advisor ist eigentlich irreführend. Denn die Portfolios, die der Robo Advisor empfiehlt, sind meist von Experten zusammengestellt. Die Roboterkomponente liegt in der automatisierten Hilfestellung bei der Geldanlage.

Wie funktioniert diese Hilfestellung?

Ein Robo Advisor ist ein digitales Instrument, das Menschen entsprechend ihrer Ziele, Präferenzen und Lebenssituationen optimierte Portfolios vorstellt. Der englische Begriff dafür ist: matching people with portfolios. Dieser Prozess ist vollständig automatisiert. Nachdem der Robo Advisor die Präferenzen und Ziele abgefragt hat, empfiehlt er dem Kunden daher nicht einzelne Produkte, sondern bietet direkt ein stimmiges Portfolio an und prüft dieses auch fortlaufend. Stimmig heißt, dass das Gesamtrisiko auf den Kunden zurechtgeschnitten ist. Die meisten Robo Advisors nutzen hierfür Indexfonds, typischerweise ETF, die breit streuen, somit keine unnötigen Risiken eingehen und zudem günstig sind.

Das heißt, es wird kein individuelles Portfolio kreiert, sondern ein Musterportfolio?

Die meisten Robo Advisors bieten den Kunden im Rahmen einer Vermögensverwaltung zehn bis 20 mögliche Portfolios mit aufsteigendem Risiko an. Kunden können bei einigen Anbietern auch parallel in verschiedene Portfolios für verschiedenen Anlageziele investieren.

Welche Präferenzen kann ich einem Robo Advisor mitteilen?

Die meisten Fragen beschäftigen sich mit drei Themenkomplexen: Risikotragfähigkeit, Risikopräferenz und Anlageziele. Risikotragfähigkeit ist ein objektives Maß dafür, wie viel Risiko ich mir zumuten sollte - je höher und sicherer mein Einkommen und je höher und liquider mein Gesamtvermögen und je geringer meine fixen Verpflichtungen zum Beispiel aus Krediten, umso mehr Risiko darf es sein. Mehr Risiko heißt auch bei Robo Advisors eine höhere Renditeerwartung. Also: Wie fühlt sich Risiko für mich an? Kann ich schlafen, wenn ich zehn Prozent meines angelegten Geldes verlieren könnte? Wie viel Risiko ich eingehen sollte, hängt davon ab, ob ich langfristig für die Altersvorsorge Geld beiseitelege, für einen Urlaub in fünf Jahren oder für die Küche, die ich in zwei Jahren renovieren möchte.

Gibt es auch Robo Advisors, mit denen ich in ein Tagesgeldkonto einzahlen kann?

Ja, das ist eine der jüngsten Entwicklungen im Markt. Erste Robo Advisors kooperieren mit Anbietern wie Weltsparen und vermitteln die Gelder ihrer Kunden über solche Einlagenplattformen. Robo Advisors bieten keine eigenen Einlagen an, weil sie keine Bank, sondern Vermögensverwalter sind.

Wie viel Geld muss ich anlegen, wenn ich einen Robo Advisor "engagieren" möchte?

Viele Robo Advisors haben keinen Mindestbetrag, bei einigen liegt die Schwelle aber bei 10 000 oder sogar 100 000 Euro. Ich würde allen empfehlen, die noch nicht in Aktien investieren, es mit einem kleinen Betrag auszuprobieren. Robo Advisors sind eine gute Möglichkeit, auch mit wenig Geld zu lernen, was breit gestreutes Risiko bedeutet und wie sich ganz ohne Spekulation langfristig ordentliche Renditen erzielen lassen.

Welche Vorteile bringt ein Robo Advisor?

Die angebotenen stimmigen Portfolios setzen die Grundprinzipien der gesunden Geldanlage direkt um. Erstens ist stets eine breite Streuung eingebaut, damit keine unnötigen Risiken eingegangen werden. Zweitens ist das Gesamtrisiko der Anlagen auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt. Menschen, denen eine hohe Rendite wichtig ist und die dafür kurzfristig auch Wertschwankungen in Kauf nehmen, landen dann - angeleitet durch die Fragen - bei dem Musterdepot mit einem hohen Aktienanteil. Die dritte Regel der Geldanlage ist, auf die Kosten zu achten. Die Gesamtkosten für die Anleger von klassischen Publikumsfonds übersteigen häufig zwei Prozent pro Jahr. Die Indexfonds in den Robo Portfolios kosten meist weniger als 0,5 Prozent. Hinzu kommen Gebühren, die der Robo Advisor für Zusammenstellung und fortlaufende Steuerung des Portfolios und für alle weiteren Services rund ums Depot dem Kunden in Rechnung stellt. Diese liegen je nach Anbieter und Anlagevolumen zwischen 0,5 und 1 Prozent.

Was würde gegen einen Robo Advisor sprechen?

Im Grunde wenig, erst recht, wenn es um die ersten Schritte am Kapitalmarkt geht. Natürlich handelt es sich bei jedem Robo Advisor um eine Geldanlage in Wertpapieren, sodass zwischenzeitliche Kursverluste möglich sind. Deshalb kommen Robo Advisors nicht infrage für Sparer, die keinerlei Risiken eingehen wollen.

Worauf sollten Verbraucher achten, wenn sie sich einen Robo Advisor aussuchen?

Finanztest beispielsweise führt immer wieder Vergleiche durch. Meistens erhalten die gleichen Robo Advisors gute Bewertungen. Warum? Weil sie die drei Grundregeln konsequent befolgen. Und weil sie den Weg des Kunden zu seinem Depot, also die Beantwortung der Fragen, elegant und komfortabel lösen. Zudem bieten einige Robo Advisors Zugang zu persönlichen Ansprechpartnern an. Gerade für Kunden mit weniger Erfahrung oder in komplexeren Situationen kann das von Vorteil sein.

Wie viele Anbieter gibt es, wie sieht der Markt aus?

Es gibt mittlerweile mehr als 30 Robo Advisors auf dem deutschen Markt. Man unterscheidet grob zwischen unabhängigen Anbietern wie Scalable, Whitebox und Moneyfarm und Robo Advisors von Banken. Robin von der Deutschen Bank etwa, Cominvest von Comdirect oder die Quirinbank mit Quirion. Sie sind alle vom Anlagevolumen nach wie vor klein im Vergleich zu den klassischen Fondsgesellschaften. Größe ist hier aber kein Auswahlkriterium, weil die Robo Advisors das Kundengeld in große, internationale Fonds anlegen.

Wie unterscheidet sich die Rendite der verschiedenen Robo Advisors?

Das lässt sich mithilfe von Online-Tests und -Vergleichen herausfinden. Allerdings werden hier nicht immer Äpfel mit Äpfeln verglichen. Portfolio 3 des einen hat nicht unbedingt dasselbe Risiko wie Portfolio 3 des anderen Robo Advisors und die Gebühren sind bei den Anbietern unterschiedlich nach Anlagevolumen gestaffelt. Man sollte also seine Entscheidung nicht von kurzfristigen Renditeunterschieden im Nachkommabereich abhängig machen, sondern auf einen aus der Gruppe der Top-5 setzen, wo die Gebühren für die eigene Anlagesumme günstig sind und man mit der App beziehungsweise der Webseite gut zurechtkommt. Den allerbesten Robo Advisor auszuwählen ist nicht erfolgsentscheidend. Und ein Anbieterwechsel ist einfach.

Seit wann gibt es Robo Advisors?

Robo Advisors kommen aus den USA und entstanden Mitte der 2000er. Wealthfront und Betterment etwa gibt es noch heute, nachdem sie ordentlich gewachsen sind. Das Modell wurde von den großen Fondsgesellschaften übernommen und von Anbietern wie Fidelity und Vanguard zu einer festen Größe im Markt etabliert.

Und wann kamen sie nach Deutschland?

In Deutschland hat sich das ähnlich entwickelt, aber zeitversetzt. Die ersten Robo Advisors gab es hier 2013. Das Wachstum war langsam, hat dann angezogen und entwickelt sich jetzt stetig. Auch hierzulande schauen sich die großen Anbieter im Markt das Geschehen an und experimentieren mit eigenen Robo Advisors. Einen durchschlagenden Erfolg wie in den USA oder anderen Ländern wie Italien gibt es in Deutschland noch nicht. Der Knoten ist noch nicht geplatzt.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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