Süddeutsche Zeitung

Robo-Advisor-Markt:Raus aus der Nische

Lesezeit: 4 min

Robo Advisors wachsen zwar stark, aber ihr Volumen ist noch immer niedrig. Vor allem bei vermögenden Kunden können die digitalen Anbieter bisher wenig punkten. Denn diese Klientel hat spezielle Wünsche.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Robo-Advisors verwalteten laut Bundesverband Investment und Asset Management Ende 2019 hierzulande ein Fondsvermögen von 7,5 Milliarden Euro. Das sind knapp 60 Prozent der von digitalen Vermögensverwaltern betreuten Gelder in der EU. Der deutsche Markt ist somit führend in Europa. Dennoch ist es ein bislang relativ kleines Volumen. Denn es steht hierzulande gerade einmal für rund ein Prozent des gesamten Fondsvermögens der Privatanleger. "Deutschland ist ein besonderer Markt, da Investment im Gegensatz zu den USA und Großbritannien eine Nischenthema ist. Der Großteil des Vermögens liegt auf Sparguthaben", sagt Alois Pirker, Research Direktor der US-Beratungsfirma Aite Group.

Die angesichts der Corona-Krise wohl noch langfristig anhaltenden Niedrigzinsen könnten aber in Verbindung mit beratungsstarken Fintechs ein Umdenken bei traditionellen Bankkunden bringen. In einer aktuellen Studie prognostiziert Aite der Robo-Branche noch viel Luft nach oben, insbesondere die vermögende Private-Banking-Klientel agiere bislang bei Robo-Angeboten sehr zurückhaltend.

"Das Geschäft basiert in hohem Maße auf Vertrauen. Zuerst müssen die Kunden an die Idee und Technologie glauben und danach darauf vertrauen, dass man als Startup auch langfristig am Markt bleibt", sagt Benjamin Bilski, Geschäftsführer des Fintech Naga.

In Deutschland sind mehr als 30 digitale Kapitalverwalter aktiv

Seit 2013 sind hierzulande automatisierte Vermögensverwaltungen tätig, die ihr Geschäft ausschließlich online abwickeln. Auf Basis von Algorithmen geben sie Kunden passende Anlagevorschläge, abgestimmt auf Risikoneigung, Renditeziel und Anlagehorizont. Der Kauf und Verkauf von Aktien, ETF (Exchange Traded Funds) und Fonds erfolgt automatisch, auf Beratung müssen Kunden verzichten.

In Deutschland sind mehr als 30 digitale Kapitalverwalter und -vermittler aktiv, vertreten sind Startups wie Ginmon oder Growney sowie Robo-Marken etablierter Finanzhäuser wie Cominvest oder Robin und klassische Vermögensverwalter wie Zeedin, Warburg Navigator oder Liquid. Größter Akteur ist Scalable Capital, das Münchner Startup verwaltet mehr als zwei Milliarden Euro Kundengelder.

Punkten kann die Branche, die originär von innovativen Gründern getrieben wird, mit geringen Einstiegsinvestments, relativ niedrigen Kosten, Transparenz und Schnelligkeit. "Die Fintechs sind viel näher an den Kunden dran, sie kennen ihre Wünsche und ihr Verhalten. Sie verfolgen die Trends in allen Foren und sind Teil dieser Community, das ist unsere DNA", sagt Bilski. Basis der Geldanlage sind oft kostengünstige passive ETF, es gibt aber auch Robos mit aktiven Anlageprodukten. Laut einer Studie des Instituts für Vermögensaufbau von Ende 2019 variieren die Gebühren erheblich. Bei den 30 untersuchten Robos betrugen die niedrigsten durchschnittlichen Gesamtkosten 0,49 Prozent pro Jahr, der Höchstwert lag bei 2,88 Prozent. Den vergleichsweise niedrigen Umsätzen der jungen Branche stehen eine schlanke, effiziente Organisation mit geringen Kosten gegenüber.

Tief in die Tasche greifen müssen die Neulinge bei den Marketingausgaben. "Am Ende des Tages stellt sich die Frage, wie aggressiv geht man in einen Markt und wie viel Geld ist man bereit, dafür zu verbrennen? In Europa ist die Kundenakquisition deutlich teurer als in Asien", sagt Bilski, der mit seiner Handelsplattform für Börsenhändler und Privatanleger aktuell stark in Fernost expandiert.

Geld verdient wird im automatisierten Sektor trotz des starken Wachstums mehrheitlich nicht. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Robos ihr Geschäft skalieren können und wirklich große Summen bewegen. "Für ein Fintech ist es schwierig, den Kundenstock eines Finanzkonzerns zu replizieren. Da braucht es viel Kapital und das Geschäft bleibt lange negativ. Viele Startups treten an, um später gekauft zu werden", so Aite-Experte Pirker.

Ein Beispiel ist der Pionier des deutschen Robo-Marktes Vaamo, der Ende 2018 von dem italienischen Anbieter Moneyfarm übernommen wurde. Einige wie die Berliner Anlageplattform Cashboard, die 2017 Insolvenz anmeldete, mussten schon ganz aufgeben. "Wir haben bei den großen Finanzkonzernen schon einige Testballons beobachten können, die wieder vom Markt verschwunden sind. Da war ABN Amro mit Prospery oder UBS mit dem Robo-Advisor Smartwealth", sagt Pirker. Experten erwarten eine weitere Konsolidierung sowie das Auftreten völlig neuer Anbieter. Der Markt bietet durchaus Chancen. Finanzkräftige Investoren stehen weiterhin mit Kapital bereit. "Jetzt gilt es das Momentum zu nutzen und nicht Verstecken zu spielen. Wer jetzt investiert, wird groß rauskommen", sagt Pirker. Interessant sei beispielsweise, welche Strategie Goldman Sachs mit der Plattform Marcus in Europa noch verfolge.

In der Kundenwerbung stehen sich Robo-Startups und Banken längst nicht mehr primär als Wettbewerber gegenüber, sie setzen verstärkt auf Kooperation. Laut aktueller Studie der Beratungsgesellschaft PwC investieren die großen Namen offensiv wie nie zuvor in technologiebasierte Finanz-Startups. Der Effizienzdruck durch hohe Regulierungskosten sowie das schlechte Kosten-Ertrags-Verhältnis der Finanzbranche zwingen zur Automatisierung. Künstliche Intelligenz und Big Data Lösungen für das Risikomanagement, die Anlageberatung und Kundenservice aber auch Geldwäsche- und Betrugsbekämpfung stehen im Fokus.

Manche Plattformen bieten nun auch persönliche Beratung

Gerade die vermögende jüngere Kundschaft erwartet verstärkt moderne, verlässliche Digitalangebote zu fairen Preisen. "Für die Banken ist es eine Make-or-Buy-Entscheidung. Sie haben das Geld, um sich die Innovatoren einzukaufen und die Apps dann in das eigene Geschäft zu integrieren", sagt Bilsky. Ihre Leistungen sichern den Robos wiederum wertvolle Umsätze und weisen den Weg aus der Nische. Bestes Beispiel ist Scalable, das nach der Direktbank ING nun auch für die britische Großbank Barclays tätig wird. Daneben sind die Trends bei den Digitalen die Verbreiterung des Anlageangebots sowie die Weiterentwicklung hin zu smarten Finanzplanungs-instrumenten.

Gerade vermögende Kunden in Deutschland haben immer noch Hemmungen, ihr Geld einer Maschine anzuvertrauen. "Für die klassischen Kunden der Vermögensverwaltung ist das Geschäftsmodell der Fintechs zu spartanisch, sie wollen Beratung und auch Service. Darauf haben die Startups reagiert und die Dienstleistungskomponente hinzugefügt", sagt Pirker.

Hybrid-Modelle, die eine automatisierte Anlageplattform mit menschlicher Fachberatung kombinieren, hätten bei deutschen Anlegern höhere Erfolgsaussichten. Quirion & Co sind für Kunden per Chat, Mail oder Telefon erreichbar, manche Robos haben auf Wunsch auch persönliche Beratung. Dieses Geschäftsmodell dürfte besonders den Kundenwünschen der jungen, digitalaffinen Erbengeneration, die mehr Kontrolle über die eigenen Finanzen verlangt und das Leben via Smartphone und Tablet organisiert, entsprechen.

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Quelle:
SZ vom 13.08.2020
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