Robo Advisor:Auf Autopilot

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Gerade Männer mit höherem Einkommen lassen ihr Geld lieber digital verwalten. Dies verändert die Finanzbranche.

Von Marcel Grzanna

Der typische Kunde ist 48 Jahre alt, meist männlich und bezieht ein Jahreseinkommen von mehr als 50 000 Euro. Ihm gegenüber hätte vor einigen Jahren ein ordentlich gekämmter, in Anzug samt Krawatte gezwängter Mitarbeiter eines großen Geldinstituts gesessen. Oder dessen weibliches Pendant im dunklen Hosenanzug. Doch um den Kunden kümmern sich seit einigen Jahren nicht mehr zwingend seriös auftretende Menschen. Der Beratungsprozess bei der Geldanlage wird zunehmend automatisiert.

Eine neu geschaffene Variante der Geldanlage aus dem Kosmos der Finanztechnologie, kurz Fintech, verändert die Spielregeln. Robo Advisors ermöglichen den Kunden automatisierte Investitionen in digital zusammengestellte Portfolios aus Exchange Traded Funds (ETF). Das sind börsengehandelte Fonds, die das Geld der Anleger auf verschiedene Anlagen wie Aktien oder Anleihen streuen. Dabei sind es Algorithmen, nicht Menschen, die dem Anleger nach der Auswertung eines kurzen Fragenkatalogs vorschlagen, wie dessen persönliches Anlageprofil in Aktien- oder Anleihen-ETF am besten auszusehen hat. Die gleichen Algorithmen helfen später dabei, Bausteine des Portfolios abzustoßen und andere neu einzusetzen.

Der Markt der Robo Advisors wächst enorm. Zum Ende des vergangenen Jahres verwalteten die Online-Anbieter europaweit rund 14 Milliarden Euro von insgesamt 900 000 Kunden. Das entspricht einer Verdopplung des Volumens binnen eines Jahres. Deutsche Robos verwalten laut der Deutsche Bank Research bundesweit 3,8 Milliarden Euro. Vor drei Jahren waren es nur wenige Hundert Millionen.

Inzwischen verstärken auch traditionelle Banken den Wettbewerb

Die Entwicklung ist wenig erstaunlich angesichts des allgemeinen Trends zur Digitalisierung in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Doch das allein würde Investoren vermutlich nicht dazu bewegen, ihr Geld einem Algorithmus anzuvertrauen. Tatsächlich weisen die Robo Advisors bislang gute Renditen auf. In den vergangenen beiden Jahren 2017 und 2018 warfen die automatisierten Angebote höhere Profite ab als herkömmliche Anlageportfolios. Solche Nachrichten locken neue Investoren und pumpen den Markt weiter auf, auch wenn von einer Explosion nicht die Rede sein kann.

Bislang haben die Anbieter durchweg positive Ergebnisse erzielt. Doch das Wachstum des Segments ist auch in eine Zeit gefallen, in der die Finanzmärkte robust zulegten. Erst in Krisenzeiten wird sich herausstellen, welche Robo Advisors einen guten Job machen, wenn es darum geht, die Verluste der Anleger zu minimieren. Die Bankenaufsicht Bafin rät dazu, sich mit dem System der Robos ernsthaft auseinanderzusetzen. "Hinterfragen Sie auch die Anlagestrategie des Anbieters. Machen Sie sich damit vertraut, wie der Algorithmus funktioniert und welche Folgen sich daraus für Ihre Anlage ergeben können", heißt es. Denn eine Renditegarantie gibt es natürlich nicht.

Der Hinweis der Bafin macht deutlich: Für Anfänger sind Robo Advisors nichts. Wer sich erst mit Anlagestrategien beschäftigen soll, ehe er sein Geld einsetzt, muss bereits Erfahrung an den Finanzmärkten gesammelt oder zumindest viel Zeit investiert haben, um sich fachmännisch einzulesen oder anderweitig zu informieren. Allerdings gelten die Robos prinzipiell als sichere Aufbewahrungsorte für das Kapital ihrer Anleger. Es ist keineswegs ein Vabanquespiel. Kunden überweisen Ihr Geld nie an den Robo Advisor selbst, sondern an eine Bank, die für den Robo beauftragt wurde, die Gelder und Fonds zu verwalten. Das Geld liegt dann getrennt vom Vermögen der Anbieter bei einer Depotbank und ist zum größten Teil in Fonds investiert. Sogar bei einer Pleite der Fondsgesellschaft wäre es dort vor dem Zugriff eines Insolvenzverwalters geschützt.

Es ist nicht lange her, da galt der Markt noch als Goldgräbertal für junge Start-ups. Doch die Luft wird dünner. Institutionelle Akteure der Finanzbranche haben das Potenzial für sich erkannt und mischen jetzt verstärkt gegen die Neulinge mit. Mit ihren großen und etablierten Kundennetzwerken verstärken sie den Wettbewerb, stellt eine Analyse der Deutschen Bank aus dem Februar fest. "Nach den Start-ups haben jetzt auch die Banken damit begonnen, ihren Fußabdruck im Robo-Advisors-Markt zu vergrößern, entweder durch eigene Angebote oder die Übernahme von Start-ups", heißt es in dem Papier. 2013 war die Zahl der Anbieter auf dem deutschen Markt kurzzeitig bis auf rund 40 geklettert. Nach einer Reihe von Übernahmen und Fusionen sank die Zahl auf zuletzt etwa 25 Anbieter.

Trotz des Erfolges der neuen Technologie ist ihr Anteil am Gesamtanlagevermögen noch sehr überschaubar. "Insgesamt haben sich zahlreiche Robo Advisors auf dem deutschen Markt etabliert, aber sie haben noch einen langen und steinigen Weg vor sich", urteilt die Deutsche Bank. Das verwaltete Kapital entspricht bislang erst drei Prozent des deutschen ETF-Marktes. ETF gelten als leicht verständlich und sind relativ günstig, weil sie passive Anlagestrategien verfolgen. Die Wertentwicklung der Fonds folgt in der Regel einem Index wie dem Dax. Doch gibt es auch Robo Advisors die teils aktive Strategien verfolgen. Experten raten jedoch von aktiven Strategien ab, da diese Studien zufolge keine besseren Ergebnisse liefern können.

Damit die Robos im schärfer werdenden Wettbewerb bestehen, so die Analysten der Deutschen Bank, müssen sie das von ihnen jeweils verwaltete Vermögen in den kommenden Jahren "signifikant" erhöhen. Das Potenzial scheint vorhanden zu sein. Eine Umfrage der Stuttgarter Börse im vergangenen Jahr ergab, dass jeder dritte Deutsche mit Erfahrungen am Wertpapiermarkt prinzipiell am Service der Robo Advisors interessiert sei.

Tatsächlich verwenden die Deutschen zunehmend Finanztechnologien, auch weil sie das Know-how der Anbieter zu ihren Gunsten einsetzen wollen. Jeder fünfte Deutsche hat eine entsprechende Applikation auf dem Mobiltelefon. Die Forschungsabteilung der Deutschen Bank zieht daraus folgenden Schluss: "Das bedeutet, dass deutsche Robo-Advisors über erhebliches Wachstumspotenzial verfügen, wenn sie diese technologieaffinen und an Beratung interessierten Kunden von sich überzeugen können."

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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