Süddeutsche Zeitung

Robert T. Kiyosaki:Reich wie Daddy

26 Millionen Bücher hat der amerikanische Bestseller-Autor schon verkauft. Er ist auch in Deutschland erfolgreich, doch seine Ratgeber sind voller Plattitüden.

Von Lukas Zdrzalek

Der Erlöser trägt schwarz. Schuhe, Hose, Jackett, alles schwarz, die Haare sind es auch. Bis vor wenigen Minuten hat er noch auf einer Bühne herum gewitzelt, im grellen Scheinwerferlicht gelacht, gestrahlt, sich von den Hunderten Fans im dunklen Zuschauerraum beklatschen lassen. Von seinen Anhängern, die er aus ihrer finanziellen Mittelmäßigkeit heraus- und zu Reichtum hinführen soll. Jetzt sitzt Robert T. Kiyosaki in einem weißen, fensterlosen Zimmerchen, sein Blick sagt: Mach's kurz. Es folgen Satzwechsel wie: "Herr Kiyosaki, Sie haben Bücher mit Donald Trump geschrieben. Was haben Sie beide gemeinsam?" Antwort: "Wir erzählen wenig Blödsinn und mögen keine Journalisten".

Robert T. Kiyosaki ist der wohl berühmteste Finanzautor unserer Zeit. Der US-Amerikaner hat 18 Bücher geschrieben, 26 Millionen Mal haben sich seine Werke weltweit verkauft, allein in Deutschland setzt er jährlich fast 100 000 Exemplare ab.

Kiyosaki, 69, ist ein Handelsreisender in eigener Sache: Er hält Vorträge in der ganzen Welt, um seine Weisheiten kundzutun, wie Ende des vergangenen Jahres in München, als er erst im Bühnenlicht steht, dann im weißen Zimmerchen sitzt. Es sind Weisheiten, die vor allem Kiyosakis Hauptwerk entstammen: Rich Dad Poor Dad, reicher Vater, armer Vater. Der Amerikaner erklärt darin, "was die Reichen ihren Kindern über Geld beibringen".

"Ich rieche, dass Sie kein Geld haben. Sonst würden Sie diese Frage nicht stellen"

Er erzählt die Geschichte anhand seiner Biografie, anhand seiner "zwei Väter". Der erste ist sein leiblicher Vater, ein Lehrer, der nie mit Geld umgehen konnte. Der zweite ist der Vater eines Freundes aus Kindheitstagen, ein vermögender Unternehmer. Dessen Trick sei es gewesen, nicht für Geld zu arbeiten, sondern sein Geld für sich arbeiten zu lassen. Kiyosakis Leser könnten auch in diese Lage kommen: Sie dürften nur nicht den Fehler machen, ihr Geld in vermeintliche Gewinnbringer anzulegen, die sich als Verbindlichkeiten entpuppen. Sie müssten ihr Geld wie die Reichen in Vermögenswerte investieren. Jene Anlagen, die einen "Cashflow" erzielen, die Rendite machen.

Kiyosaki hat diese Botschaften seitenweise aufgeschrieben, immer wieder aufs Neue. Der Autor ist im Vermitteln schlichter Aussagen mindestens so gut wie der US-Präsident Donald Trump, mit dem er befreundet ist. Beide suggerieren, hochkomplexe Themen wie Politik und Finanzen seien eigentlich ganz einfach - und schaffen es dadurch, Menschen für sich zu begeistern.

Kiyosaki kann sein Buch so simpel halten, weil er sich erst gar nicht mit den komplexen Dingen beschäftigt. Er hat eine Liste abdrucken lassen von "wirklichen Vermögenswerten". Darunter versteht er "alles, das einen Wert hat, Einkommen oder einen Wertzuwachs erzielt und einen Markt findet". Auf der Übersicht stehen unter anderem noch Aktien, Anleihen und "Einnahmen generierende Immobilien", also so ziemlich alles. Über diese Aussage kommt Kiyosaki in seinem Buch kaum heraus, das Entscheidende schneidet er nur vage an: Wie soll man vorgehen, um gute von schlechten Aktien zu unterscheiden? Wie finden Anleger Immobilien, die Erträge abwerfen? Im Gespräch flüchtet sich Kiyosaki ins Allgemeine: man müsse sich 1000 Häuser anschauen, um ein vernünftiges zu finden. "Und man muss viele Kurse über Immobilien belegen".

Kiyosaki schafft es in Rich Dad Poor Dad, die argumentativen Mängel mit einer Masche zu übertünchen, die einen weiteren Teil seiner Anziehungskraft erklärt. Er verkauft sein Buch als Einblick in die verschlossene Welt der Reichen, formuliert Sätze wie Enthüllungen. "Ich konnte meinen Ohren nicht trauen", schreibt er an einer Stelle. Sein reicher Vater erklärt ihm da, die Vermögenden arbeiteten nicht für Geld. In einer anderen Passage, am Ende eines Kapitals kündigt er an, im nächsten warte "die letzte Berührung mit dem Zauberstab", "das größte Geheimnis der Reichen". Es geht darum, dass Vermögende Firmen gründen, um Steuern zu sparen.

Die Kluft zwischen Armen und Reichen, sie fasziniert Kiyosaki - und ausgerechnet er sorgt sich wegen ihr. "Der Abstand zwischen den Vermögen wird immer größer", sagt er. Der Amerikaner versucht nicht, grundsätzlich etwas an dieser Kluft zu ändern, hat keine politischen Konzepte. Er suggeriert stattdessen, dass die Armen auf die Seite der Reichen wechseln könnten - einfach so, wenn sie seine Ratschläge befolgten. "Die Menschen müssen nur bereit sein, zu lernen", sagt er. "Überwinden Sie Ihre Faulheit!", appelliert er im Buch und bietet später zehn Schritte an, "um Ihre in Ihnen schlummernden Kräfte zu entwickeln". Es ist eine der Maschen des Amerikaners, seinen Lesern den Glauben an sich selbst zu vermitteln, sodass sie am Ende regelrecht von sich beseelt sind, so wie Kiyosaki offenbar von seiner eigenen Person. Kritik an seinen Thesen stört da nur.

Wer ihn hinterfragt, den blafft er an: "Ich rieche, dass Sie kein Geld haben. Sonst würden Sie diese Frage nicht stellen". Er wirft einem erst vor, sein Buch nicht gelesen zu haben - und behauptet später, Textstellen nicht geschrieben zu haben, wenn man Fragen darauf bezieht. Kiyosaki hat etwa die Phrase notiert, Geld mache die Schwächen der Menschen deutlich. Welche Schwächen hat sein eigener Reichtum bei ihm hervorgebracht? Seine Ehefrau, die die ganze Zeit neben ihm sitzt, muss ihn erst an den Passus erinnern. Kiyosaki antwortet: "Schwächen habe ich keine, jedenfalls nicht bei Geld".

Robert T. Kiyosaki scheint keine Selbstzweifel zu haben - auch dann nicht, wenn er offenkundig falsch liegt. Er hatte für 2016 einen großen Aktiencrash prophezeit, stattdessen sind die Kurse vielerorts gestiegen. "Mein Freund", sagt er zur Erklärung, "es gibt doch eine Krise: Die Zinsen sind bei null, die Ölpreise massiv gefallen". Und legt einfach noch eine Prophezeiung oben drauf: "In den nächsten zwei Jahren werden die Kurse noch abstürzen", behauptet er. Wenn das so eintreffe, sei er mit seiner Prognose ja nicht schlecht gelegen - schließlich habe er sie schon 1999 abgegeben, beharrt er.

Man kann keinen von Kiyosakis Vätern fragen, was sie von ihrem (Zieh-)Sohn halten. Sie sind gestorben, bevor er das Buch veröffentlicht hat. Kiyosaki hat bis heute nicht enthüllt, wie sein reicher Vater hieß. Kritiker zweifeln daran, dass der Mann je gelebt hat. Denn niemand hat bisher in Kiyosakis Heimat Hawaii irgendwelche Hinweise auf den reichen Vater finden können.

Kiyosaki erzählt von der Zeit nach der Buchveröffentlichung, als er sich der Familie seines leiblichen, seines armen Vaters stellt, die meisten davon sind selbst Lehrer. "Die finden Geld und die Reichen teuflisch", sagt er.

Ob sie ihn, den Mann in schwarz, für den Teufel halten? Kiyosakis simple Antwort: "Ja".

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SZ vom 30.01.2017
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