Risikomanagement:Der Branchenmalus

Holz, Papier, Fleisch: Manche Unternehmen müssen um eine Sachversicherung kämpfen. Viele der Anbieter stehen unter hohem Druck. Umso wichtiger ist eine enge Zusammenarbeit der Firmen mit der Versicherungswirtschaft.

Von Katrin Berkenkopf und Christian Bellmann

In der Papierfabrik im niedersächsischen Herzberg entzündeten sich Anfang August Kartonreste, die auf eine Maschine im Betrieb fielen. Durch Funkenflug stand schnell auch ein Teil der Absauganlage in Flammen. 100 Feuerwehrleute kämpften gegen den Brand, es entstand ein Sachschaden von 250 000 Euro. Das war ein vergleichsweise glimpfliches Ende - im friesischen Varel verursachte ein Feuer in der dortigen Papierfabrik im Mai mehr als eine Million Euro Schaden. Weil es in Unternehmen der Papierbranche häufig brennt, haben sie Schwierigkeiten, ihre Betriebe zu versichern. Anderen Branchen geht es ähnlich. Makler und die versicherungsnehmende Wirtschaft kritisieren die pauschale Zeichnungsverweigerung und verlangen von der Assekuranz mehr Differenzierung: Wer ein gutes Risikomanagement betreibt, sollte dafür belohnt werden.

Auch Immobilienunternehmen haben Schwierigkeiten, Schutz zu bekommen

Chemie oder Recycling, Holz und Papier, Kunststoff oder Fleischverarbeitung - Unternehmen, die zu diesen Branchen gehören, müssen um ihre Sachversicherungen kämpfen. Wer einen Versicherer gefunden hat, bleibt daher in der Regel dabei. "Hat das Unternehmen einmal ein Versicherungskonsortium gefunden, das seine Sachrisiken zeichnet, schreibt es diese Deckung kaum wieder aus", sagt Jörg Westecker, Leiter Industrie-Koordination beim Dortmunder Makler Leue & Nill.

Aber auch Branchen, die weniger im Fokus stehen, haben mit Problemen zu kämpfen. Für Immobilienunternehmen ist es ebenfalls schwieriger geworden, berichtet Westecker. Seit der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower sehen Versicherer Gebäude aus den 60er und 70er Jahren besonders kritisch. Zuletzt machte in Dortmund der berüchtigte Hochhaus-Komplex Hannibal Schlagzeilen, weil er seine Brandschutzgenehmigung verlor. 800 Menschen waren plötzlich ohne Wohnung.

Wegen der zunehmenden Schäden trifft es auch immer mehr Betriebe der Galvanik und Stahlerzeugung. Tatsächlich hätten viele Firmen das Thema Brandschutz aufgrund ihrer hohen Auslastung vernachlässigt, meint Westecker. Statt jetzt zu investieren, die Sicherheit zu erhöhen und damit die Chancen auf einen Versicherungsschutz zu akzeptablen Preisen wahrscheinlicher zu machen, verlagerten kleinere Gießereibetriebe lieber ihre Produktion ins Ausland, hat er beobachtet.

Probleme kommen allerdings nicht über Nacht. Umso wichtiger sei deshalb eine enge Zusammenarbeit von versicherungsnehmender Wirtschaft, Makler und Versicherern. Gerade im Mittelstand sei eine langjährige Kooperation hilfreich, um alle wichtigen internen Informationen von den Unternehmen zu bekommen.

Das wird jedoch nicht immer von den Versicherern durch niedrigere Preise honoriert. "Viele Kunden haben die Möglichkeit zu investieren, bekommen aber zu wenig Chancen auf Risikodialog", sagt Ralf Becker, Mitglied der Geschäftsleitung der Funk Gruppe. "Wir brauchen mehr Differenzierung."

Georg Bräuchle, Geschäftsführer bei Marsh und Präsident des Verbands Deutscher Versicherungsmakler, kritisiert deshalb die seit Herbst 2017 grassierenden Zeichnungsverbote, nach denen Versicherer ihren Mitarbeitern den Abschluss von Verträgen in bestimmten Bereichen verbieten. Die Versicherer würden manche Branchen meiden "wie der Teufel das Weihwasser", schimpfte er damals.

Ganz so drastisch wollen seine Kollegen ihre Kritik nicht formulieren. Aber auch sie verlangen mehr Engagement von der Assekuranz. "Es gibt schon Interesse an guten Risiken, aber tatsächlich braucht die Wirtschaft adäquate Risikodeckungsbereitschaft für alle Branchen", so Becker. "Wir wollen eine Einzelfallprüfung, kein rein technisches und zu sehr ingenieurgetriebenes Underwriting." Mit Underwriting bezeichnet die Branche die Risikobewertung, -übernahme und Preisfindung.

Ob es dazu bald kommt, ist fraglich. Durch das jahrelang bereits negative Ergebnis des Bereichs Sachversicherung stehen die Anbieter unter Druck. Eine Trendwende ist auch in diesem Jahr nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Industrieversicherer HDI hat eine Sanierungswelle angestoßen, die Prämienerhöhungen zwischen 15 und 60 Prozent vorsieht.

Laut Michael Saad vom Makler Schunck leiden besonders mittelständische Firmen: "Viele Versicherer reagieren mit Prämienerhöhungen und einer restriktiven Zeichnungspolitik", sagt er. "Dabei gehen sie bei Kunden aus dem Mittelstand vergleichsweise hart vor, obwohl sich die meisten Großschäden nicht bei ihnen, sondern in der Großindustrie ereignen."

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