Er sei ein sehr strukturierter Mensch, sagt Mate Rimac. Um das zu beweisen, zeigt er auf seinem Smartphone eine Art Präsentation, die er für sich selbst gebastelt hat. Datiert auf den 26. Februar 2024, hat er dort Punkte notiert, die er noch erreichen will: das neue Hauptquartier fertigstellen, steht dort, aber auch ein Börsengang. Wenn er alles auf der Liste abgehakt hat, möchte er es endlich etwas ruhiger angehen lassen.
Doch bis dahin kann es noch ein bisschen dauern. Dazu muss man wissen, dass es im Leben des 36-Jährigen bisher selten ruhig zuging. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass ein ganzes Land zu dem Mann aufblickt, der aus dem Nichts die Autoindustrie in Kroatien wiederbelebt hat. Der dort den ersten elektrischen Supersportwagen gebaut hat, Batterien für andere Autoersteller fertigt, Chef der Nobelautomarke Bugatti ist und mittlerweile weit mehr als 1000 Menschen in Zagreb beschäftigt.
Ein Projekt, das auch auf der persönlichen Liste von Mate Rimac steht, dürfte wohl das herausforderndste werden: Ein Robotaxi, mit dem schon 2026 Menschen ohne Fahrer durch Zagreb chauffiert werden sollen. Das hat er vergangene Woche vorgestellt.
Viele Unternehmen haben sich an Robotaxis versucht – und sind gescheitert
Sogar der kroatische Premierminister war dafür angereist auf die Baustelle des Rimac-Campus in Zagreb. Doch ausgerechnet der Hauptdarsteller des Events zickte. Das zweisitzige Robotaxi namens Verne (benannt nach dem Schriftsteller Jules Verne) wollte sich partout nicht von seinem Erfinder per Handy-App auf die Bühne rufen lassen. „Nichts ist perfekt!“, ruft Mate Rimac den Zuschauern zu. Und klar: es sei noch viel tun, bis der Roboterwagen Menschen durch die Stadt fährt. Doch schon in zwei Jahren soll Verne den Individualverkehr revolutionieren: Komfortabler und sicherer als ein eigenes Auto soll das Fahrzeug sein, aber nicht mehr kosten als die Fahrt mit einem normalen Taxi, so das Versprechen. Die Selbstfahrtechnik kommt vom israelischen Techkonzern Mobileye, ansonsten will Rimac die Autos und die Software selbst entwickeln, bauen und warten.
Warum jetzt auch noch Robotaxis? Diese Frage drängt sich geradezu auf, da wohl kein anderes Mobilitätskonzept in den vergangenen Jahren so oft angekündigt, verschoben oder wieder eingestampft wurde wie das des selbstfahrenden Autos. Apple, Bosch, Mercedes, Google, VW, Tesla – die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Alle hatten oder haben immer noch Selbstfahr-Pläne, manche haben sogar schon Fahrzeuge auf der Straße, wie Waymo oder Cruise. Doch der große Durchbruch der Robotaxis, der ist bisher noch keinem gelungen. Tesla-Chef Elon Musk will Anfang August einen erneuten Vorstoß wagen. Doch erst einmal ist ihm Mate Rimac zuvorgekommen.

Natürlich kennt Rimac den Vergleich mit Elon Musk. Dieser bietet sich geradezu an, da beide sich in ihrer Unternehmerkarriere immer wieder Vorhaben verschrieben haben, von denen ihnen sämtliche Menschen in ihrem Umfeld abgeraten haben. Oder wie Mate Rimac es sagt: „Was immer wir bisher gemacht haben, war eigentlich komplett bescheuert.“ Dafür hat aber sehr vieles davon hervorragend funktioniert. „Keine Erfahrung, kein Geld, keine Investoren“, so habe bisher jedes seiner Projekte begonnen, sagt der 36-Jährige, seit er 2009 ein Unternehmen gegründet hatte, um elektrische Supersportwagen zu bauen. Und das in Kroatien, wo es damals keinen Autohersteller und auch keine Zulieferer gab. Anders als Elon Musk hatte Mate Rimac kein Millionenvermögen, mit dem er seine E-Auto-Firma aufbauen und absichern konnte. Doch den Ehrgeiz, Dinge zu tun, die andere für unmöglich halten, den haben Musk und Rimac gemeinsam.
Anfang der Neunzigerjahre kam Mate Rimac im Zuge des Balkankrieges mit seiner Familie nach Deutschland, als er zwölf war, gingen sie zurück nach Kroatien. Die Faszination für Autos hat ihn sein Leben lang begleitet. Noch heute könne er sich daran erinnern, wie es im BMW gerochen hat, den sein Vater kaufte, als er noch in der Grundschule war. Überhaupt war BMW schon immer seine Lieblingsmarke. Auch sein Weg zur Elektromobilität hatte mit BMW zu tun – und mit Geldmangel. Mate Rimac kaufte sich mit 18 Jahren einen alten BMW, mit dem er auch Rennen fuhr. Doch dann platzte der Motor seines Wagens. Weil er kein Geld für einen Austauschmotor hatte, baute Rimac einen Elektromotor aus einem Gabelstapler in den 22 Jahre alten BMW ein – und konnte so weiter an Wettbewerben teilnehmen.
Doch dabei blieb es nicht. Mate Rimac entwickelte gemeinsam mit einem befreundeten Designer einen elektrischen Supersportwagen, schon zwei Jahre nach Firmengründung stand auf der Automesse IAA 2011 der Rimac Concept 1. Bis zu Serienfertigung des ersten Modells, das Nevera heißt, vergingen jedoch noch einmal elf Jahre. „Es gab viele harte Zeiten“, sagt Rimac. Mehrmals stand sein Unternehmen vor dem Aus, Investoren sprangen ab oder entpuppten sich als Blender. Doch viele seiner ersten Mitarbeiter hielten zu ihm, einige sind sogar heute noch im Unternehmen.
Am Ende rettete die Firma auch das Gespür des Gründers, der schon früh darauf setzte, auch als Zulieferer für andere Autohersteller zu arbeiten. Am Anfang war dieses Geschäft eher aus der Not geboren, weil es bei der Finanzierung des Sportwagenprojekts half. Doch schon bald klopften immer mehr große Autokonzerne bei Mate Rimac an und wollten Batterien oder elektronische Bauteile aus Kroatien kaufen. Ein „richtiger Industrietourismus“ sei das mittlerweile, sagt Rimac und wirkt dabei stolz und überrascht zugleich.
Schließlich kam durch einen solchen Besuch in Zagreb auch der bis dato wohl wichtigste Deal für Rimac zustande. Porsche war auf das Unternehmen aufmerksam geworden, und nach sehr genauer Prüfung, ob auch wirklich alles Hand und Fuß hat, was die verrückten Tüftler in Kroatien da machen, stieg der deutsche Sportwagenhersteller 2018 bei Rimac ein. Als VW drei Jahre später die Nobelmarke Bugatti loswerden wollte, trat wiederum Porsche auf den Plan und übernahm gemeinsam mit Rimac die exklusive Manufaktur, bei der ein Auto schnell Millionen kosten kann – und wo alle Fahrzeuge trotzdem schon auf mehrere Jahre ausverkauft sind. Wie groß das Vertrauen in Mate Rimac und sein Team ist, zeigte sich auch bei dieser Übernahme: Porsche erhielt nur 45 Prozent, die Rimac Group dagegen 55 Prozent der Holding Bugatti Rimac.

Mate Rimac könnte es sich leicht machen und einfach weiter sehr schnelle, sehr teure Autos bauen. Auf seiner Liste hat er dazu schon viele Punkte abgehakt, zum Beispiel die Vorstellung des Bugatti Tourbillon, eines 1800-PS-Hybrid-Supersportwagens, Preis: ab 4,5 Millionen Euro. Einen vollelektrischen Bugatti, das wollte Rimac der Marke – und vor allem ihren Kunden – dann doch (noch) nicht zumuten. Zuletzt gestand er sogar ein, dass sich sein elektrischer Sportwagen Nevera nicht ganz so gut verkauft. Die Superreichen wollten eben doch noch gerne Verbrenner. Aber der Antrieb, das sei sowieso nicht mehr die große Herausforderung, sagt Mate Rimac dann noch. „Das ganz große Ding“, das sei das Auto, das ohne Fahrer auskommt. Und das will er jetzt bauen. Klingt vielleicht wieder bescheuert. Aber versuchen kann man es ja mal.