Wenn es um die Riester-Rente geht, gehört die Bundesregierung zu den Berufsoptimisten. Jahrelang hat sie bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge sehr optimistisch kalkuliert. In den jährlichen Rentenversicherungsberichten war stets unterstellt, dass bei der Riester-Rente mit einer durchschnittlichen jährlichen Verzinsung von vier Prozent und Verwaltungskosten von zehn Prozent kalkuliert wird. Kritiker haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die Renditen, erst recht in Zeiten niedriger Zinsen, oft geringer sind und die Kosten höher. Aber nichts geschah. Nun hat die Regierung ein Einsehen, zumindest ein kleines bisschen.
Im neuen Alterssicherungsbericht für 2016 rechnet das Bundesarbeitsministerium damit, dass die Eigenbeiträge plus staatlichen Zulagen bei der Riester-Rente weiter "grundsätzlich mit 4,0 Prozent" verzinst werden. Dieser Zinssatz sei "mit Blick auf die langfristige Entwicklung in der Vergangenheit ein eher niedriger Wert, der für eine weit in die Zukunft reichende Modellrechnung angemessen ist", heißt es in der Regierungsanalyse. Auch dürften die aktuell niedrigen Zinsen "nicht den Blick auf realistische Annahmen für die Zukunft verstellen". Um mögliche Folgen eines niedrigeren Zinssatzes zu berücksichtigen, werde von 2015 an aber unterstellt, dass die Zinsen auch bei der Riester-Rente sinken.
Weiter unten in einer kleinen Anmerkung ist dann in dem Bericht zu lesen: "Zinsannahmen für die Berechnungen: 2014: 4,0 %, 2015: 3,5 %, 2016: 3,0 %, 2017: 2,5%, danach schrittweise Anstieg auf 4,0 % bis 2020." Die Bundesregierung geht also davon aus, dass bereits 2020 wieder das Ausgangsniveau erreicht ist. Bei den Annahmen für die Kosten hat sich hingegen nichts geändert, hier kalkuliert das Arbeitsministerium weiter mit zehn Prozent. "Die Bundesregierung rechnet hier mit einer überaus optimistischen und schnellen drastischen Zinssteigerung, die für Experten nur schwer nachzuvollziehen sein dürfte", sagt dazu Werner Siepe, Finanzmathematiker und Autor mehrerer Studien zur Altersvorsorge.
Die Kalkulation hat für die Rentenpolitik große Bedeutung. Die Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 war mit der Hoffnung verbunden, sie könnte die Einbußen durch das sinkende Rentenniveau ausgleichen. Je optimistischer die Annahmen, desto eher lässt sich rechnerisch dieses politische Ziel erreichen.
Grundsätzlich gilt dies jedoch ohnehin nur für Arbeitnehmer, die einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben und so sparen, dass sie stets die volle Förderung des Staates bekommen. Das Arbeitsministerium räumt in seinem Bericht allerdings ein, dass knapp die Hälfte aller Personen mit einem Bruttolohn von unter 1500 Euro überhaupt keine zusätzliche Vorsorge haben. In der Analyse heißt es dazu: "Insgesamt sorgen gerade die Bezieher geringer Einkommen zu wenig zusätzlich für das Alter vor."
Laut dem Bericht liegt dies auch an den Arbeitgebern. So hätten 2015 nur noch in 28 Prozent der Betriebe Arbeitnehmer Ansprüche auf eine Betriebsrente erworben, weil ausschließlich der Arbeitgeber etwas für sie zurücklegt. 2001, vor der großen Rentenreform, sei dies noch bei 54 Prozent der Betriebe der Fall gewesen.