Die Riester-Rente gilt als zu teuer und zu kompliziert. Die gesetzliche Rentenversicherung braucht langfristig mehr Geld. Die betriebliche Altersvorsorge leidet unter dem Zinstief. Wie wollen SPD, Grüne und FDP das ändern? Was der Koalitionsvertrag verrät und was er offenlässt - die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was passiert mit dem Sparerfreibetrag?
Wer Zinsen oder Dividenden kassiert oder etwa Aktien oder Investmentfonds mit Kursgewinnen verkauft, muss diese versteuern - dies gilt aber nur für Kapitalerträge oberhalb des Sparerpauschbetrags von 801 Euro für Ledige und 1602 Euro für Verheiratete. Darin zusammengefasst ist der frühere Sparerfreibetrag von 750 (Verheiratete: 1500) Euro und die ehemals geltende Werbungskostenpauschale von 51 Euro (Verheiratete: 102) Euro. Die Ampel-Koalition will den Sparerpauschbetrag auf 1000 Euro erhöhen - aber erst von 2023 an.
Wie ist die Erhöhung zu bewerten?
Anlegerinnen und Anleger, die sich mit Null- und Minizinsen für Tages- oder Festgeld zufriedengeben, werden davon nicht viel haben. Beispiel: Selbst wer 100 000 Euro anlegen kann, dafür aber nur 0,5 Prozent Zinsen kassiert, erhält im Jahr gerade einmal 500 Euro Zinsen, die noch unterm geltenden Freibetrag liegen. Profitieren werden vor allem Anleger, die am Aktienmarkt höhere Erträge erzielen. Der Anlegerschutzverband DSW ist trotzdem nur halb zufrieden: Die geplante Erhöhung auf 1000 Euro könne "allenfalls ein Anfang sein. Die DSW fordert hier eine Aufstockung auf mindestens 2500 Euro pro Jahr", sagt Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Zum Vergleich: Von 1993 bis 1999 hatte der Sparerfreibetrag schon einmal bei 6000/12 000 D-Mark gelegen, also mehr als 3000 beziehungsweise 6000 Euro.
Warum soll es bei der Rentenversicherung künftig einen Kapitalstock geben?
Zur Rente stehen im Koalitionsvertrag einige teure Versprechen. So soll das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen. Auch das Renteneintrittsalter, das bis 2031 auf 67 Jahre steigt, wird nicht erhöht. All das kostet viel Geld, weil die Zahl der möglichen Beitragszahler in Zukunft eher zurückgeht, während die der Rentnerinnen und Rentner weiter zunimmt. Schon jetzt legt der Bund mehr als 100 Milliarden Euro jährlich in die Rentenkasse dazu. Nun soll es einen neuen Topf geben, um die Zusagen im Koalitionsvertrag "generationengerecht abzusichern". Geplant ist "ein dauerhafter Fonds", von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet. In diesen Fonds will die Ampel-Koalition zunächst zehn Milliarden Euro stecken - aus Steuermitteln. Gemessen an den Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV), in diesem Jahr voraussichtlich 341,6 Milliarden Euro, ist der Kapitalstock nicht sehr groß: Gelingt es den Fondsmanagern, jährlich eine Rendite von fünf Prozent zu erwirtschaften, würde der Fonds gerade einmal 500 Millionen Euro an Erträgen für die Rentenkasse erwirtschaften.
Gibt es für so einen öffentlich-rechtlichen Fonds Vorbilder?
Ja, der Atomfonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) gilt als erster Staatsfonds in Deutschland. Die vier Kernkraftwerk-Betreiber Eon, EnBW, RWE und Vattenfall hatten gut 24 Milliarden Euro eingezahlt. Der Fonds soll mit den Kapitalerträgen die Suche nach geeigneten Zwischen- und Endlagern finanzieren. 2020 erzielte der Fonds trotz Corona ein Anlageergebnis von 8,3 Prozent. Bekannter ist der norwegische Staatsfonds, der die Gewinne aus dem Ölreichtum des Landes weltweit als Reserve für spätere Generationen anlegt, wenn kein Öl mehr aus den Quellen sprudelt. Der Fonds ist der größte Staatsfonds der Welt mit einem Volumen von 1,3 Billionen Euro. Bis zu 70 Prozent dürfen in Aktien stecken. Hinzu kommen Investments in Anleihen und Immobilien. Die Renditen sind langfristig mit mehr als sechs Prozent pro Jahr sehr positiv.
Was soll sich noch bei der Rentenversicherung ändern?
Im Koalitionsvertrag steht auch: "Wir werden der Deutschen Rentenversicherung (...) ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen." Bislang ist die DRV hier streng reglementiert. Die Reserve wird überwiegend als Termingeld sehr kurzfristig und absolut sicher angelegt. Das hat zur Folge, dass auch die Rentenversicherung Negativzinsen zahlen muss. Dazu teilt der Sprecher der DRV mit: "2021 gehen wir von negativen Zinsen in Höhe von 150 Millionen Euro aus." Gemessen an den Gesamtausgaben würden die Negativzinsen davon aber lediglich 0,04 Prozent ausmachen. Dürfte die Rentenversicherung, wie von der Ampel-Koalition geplant, mehr am Kapitalmarkt anlegen, ließen sich womöglich die Negativzinsen verringern. Das Wort "reguliert" deutet darauf hin, dass die DRV dabei keine größeren Risiken eingehen soll.
Was ist bei der betrieblichen Altersvorsorge geplant?
Diese will die Ampel-Koalition stärken, "unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen". Klar ist: Die Pensionskassen leiden wie die Lebensversicherer unter den niedrigen Zinsen. Deshalb würden SPD, Grüne und FDP womöglich daran denken, die Anlagevorschriften zu lockern, sodass die Anbieter mehr Freiheiten für Investments am Aktienmarkt bekommen, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Es gibt aber schon jetzt dafür Spielraum, den zum Beispiel Deutschlands größtes Versorgungswerk Metallrente nutzt: Seit seinem Start im Jahr 2003 hat der Pensionsfonds in der Metallbranche eine Rendite von durchschnittlich 5,4 Prozent pro Jahr erzielt. Bei den sicherheitsorientierten Angeboten für eine Direktversicherung lag die Gesamtverzinsung zuletzt unter drei Prozent.
Wie geht es mit der Riester-Rente weiter?
Wer bisher in einen Riester-Vertrag eingezahlt hat, kann das auch weiter tun. Hier gilt "ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge". Die Ampel-Koalition will jedoch die Einführung eines "öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot" prüfen. Wie dieser Fonds genau funktionieren soll, ist unklar. SPD, FDP und Grüne wollen auf jeden Fall, "untere Einkommensgruppen" fördern. Es handelt sich aber nur um einen Prüfauftrag. Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, die schon lange einen Vorsorgefonds fordert, ist das zu wenig. "Beim Thema Rente muss die Koalition nachbessern", sagt er. Von Riester würde nur die Versicherungswirtschaft profitieren. "Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen weiter drauf." Sicher ist hingegen: Die von der FDP propagierte gesetzliche "Aktien-Rente" nach schwedischem Vorbild, bei der ein kleiner Teil des Rentenbeitrags "in eine langfristige, chancenorientierte und kapitalgedeckte Altersvorsorge" fließen soll, ist vom Tisch.
Was soll bei den Selbständigen passieren?
Geplant ist eine "Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit" - aber nur für alle neuen Selbständigen, "die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen", wie zum Beispiel Freiberufler mit eigenen Versorgungswerken (Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten). Demnach müssen sich neue Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern, wenn sie nicht selbst in ein privates Vorsorgeprodukt einzahlen. Ausnahmen gibt es für Gründer, die oft jeden Euro benötigen, um ihr Geschäft aufzubauen: Für sie gilt "eine Karenzzeit von zwei Jahren", in denen sie nichts tun müssen. Schon die früheren Arbeitsministerinnen Ursula von der Leyen (CDU) und Andrea Nahles (SPD) wollten, dass Selbständige mehr vorsorgen sollen - genauso wie der alte und neue Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er kann jetzt einen neuen Anlauf wagen.