Es wird ernst: Vom 15. Juli an sperrt die Deutsche Bahn einen der am stärksten befahrenen Streckenabschnitte in Deutschland, die sogenannte Riedbahn. Fünf Monate lang wird kein Zug auf der gewohnten Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim verkehren, alle Fahrgäste müssen Umleitungen in Kauf nehmen, Güterzüge ebenso. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Mega-Projekt.
Was ist die „Riedbahn“?
Als „Riedbahn“ wird ein 70 Kilometer langer Abschnitt des deutschen Schienennetzes zwischen Frankfurt und Mannheim bezeichnet. Er gehört zu den am stärksten belasteten Strecken des gesamten Netzes. Mehr als 300 Züge sind täglich darauf unterwegs, jeder siebte ICE passiert auf seinem Weg durch Deutschland auch einmal die Riedbahn, hinzu kommt internationaler Transitverkehr. Bahn-Infrastrukturvorstand Berthold Huber spricht von der „Hauptschlagader“, der „wichtigsten Strecke im deutschen Schienennetz“.
Warum muss sie saniert werden?
Je größer die Belastung, desto höher auch der Verschleiß. Die Riedbahn ist so heruntergekommen wie kaum ein anderer Abschnitt des deutschen Schienennetzes. Fast jeden Tag gibt es irgendwo auf der Strecke eine mittelgroße Betriebsstörung – und die wirkt sich in aller Regel auf den Zugverkehr in ganz Deutschland aus. Das liegt daran, dass viele Anlagen schlicht überaltert und somit extrem störanfällig sind: Ein Teil der Stellwerkstechnik stammt noch aus den Siebzigern.
Seit einiger Zeit erhebt die Bahn in Form von Schulnoten, wie es um den Zustand des Netzes bestellt ist. Im Schnitt kommt die deutsche Schieneninfrastruktur auf eine 3,0. Die Riedbahn liegt sogar bei 3,3, was ein wirklich kritischer Wert ist. In der Schweiz etwa gibt es keine Streckenabschnitte in diesem Zustand, dort hätte man längst einen Notfalltrupp losgeschickt. Nach der Generalsanierung soll die Riedbahn auf eine Zustandsnote von 2,1 kommen.
Warum dauert das so lange?
Die Bahn hat sich dafür entschieden, anders als bei früheren Baustellen nicht nur das zu ersetzen, was der Belastung gar nicht mehr standhält – sondern alles. Und das dauert auf einem 70 Kilometer langen Abschnitt nun mal, selbst bei einer Vollsperrung. Allerdings rechnet die Bahn vor, dass es bei konventioneller Bauweise fünf bis acht Jahre gedauert hätte, um das gleiche Bauvolumen zu schaffen. Sprich: Wenn man – wie bislang üblich – immer nur abschnittsweise und vorwiegend nachts gebaut hätte, um den Verkehr nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Dann, so die Bahn, lieber kurz und schmerzhaft: Vollsperrung.
Was passiert in der Zeit?
Das lässt sich in Zahlen ziemlich genau sagen. Die Bahn tauscht in den fünf Monaten 120 Kilometer Gleise und 140 Kilometer Oberleitungen aus. Sie erneuert 150 Weichen und 265 000 sogenannte Schwellen, die die Gleise tragen. 380 000 Tonnen Schotter werden auf der gesamten Strecke verteilt und 15 Kilometer Schallschutzwände gebaut. Außerdem wird neue Signal- und Stellwerkstechnik installiert. Zusätzlich werden entlang der Strecke 20 Bahnhöfe rundum modernisiert.
Tatsächlich wird auf der Riedbahn in drei Schichten rund um die Uhr gebaut. Nur nachts gibt es einen kurzen, vierstündigen Korridor von zwei bis sechs Uhr, in dem die Baustelle ruht. Dann können Güterzüge mit wichtigen Ladungen zu Betrieben fahren, die direkt an der Riedbahn liegen und sonst nicht hätten beliefert werden können.
Wie viel kostet das Ganze?
Aktuell veranschlagt die Bahn für die Sanierung der Riedbahn 1,3 Milliarden Euro. Ursprünglich war nur eine halbe Milliarde Euro veranschlagt. Als Begründung für die Preissteigerung führt die Bahn vor allem die Inflation an, die sowohl Bau- als auch Personalkosten habe steigen lassen. Hinter vorgehaltener Hand macht sie auch der Industrie leise Vorwürfe: Die habe natürlich mitbekommen, dass die Riedbahn auch ein politisches Prestigeprojekt sei, und verlange teils horrende Preise, da sie genau wisse, dass es daran nicht scheitern werde. Zum Anteil der eigenen Fehlkalkulation an der Preissteigerung schweigt die Bahn sich aus.
Was bedeutet die Baustelle für die Menschen in der Region?
Fahrgäste müssen mehr Zeit einplanen – teilweise sogar deutlich mehr. Im Regionalverkehr fallen während der gesamten fünfmonatigen Sperrung alle Züge aus. Die Bahn hat einen aufwendigen Ersatzverkehr mit Bussen organisiert: Alle 30 Minuten kommt auf jeder der insgesamt 13 Linien demnach ein Bus. Da sich die Linien teilweise überschneiden, verspricht die Bahn Busverbindungen alle 15 Minuten, auf einzelnen Abschnitten sogar alle fünf Minuten.
Wer etwas weitere Strecken zurücklegen will, kann auch weiterhin zwischen Frankfurt und Mannheim ICE oder IC fahren, nur werden die Züge halt umgeleitet: entweder westlich der Riedbahn über Mainz und Worms über die sogenannte Ludwigsbahn oder östlich der Riedbahn über Darmstadt und Heidelberg auf der sogenannten Main-Neckar-Bahn. Auf beiden Routen verlängert sich die Fahrtzeit im Vergleich zur Riedbahn um etwa 30 Minuten.
Was bedeutet das für den Güterverkehr?
Für Güterzüge bedeutet die Riedbahn-Sperrung vor allem eins: ziemlich lange Umleitungen. Zwar soll ein Teil des Schienengüterverkehrs genau wie der Fernverkehr über die beiden Ausweichstrecken laufen, teilweise jedoch auch über die sogenannte Alsenztalbahn, die noch weiter westlich liegt. Sie wurde im März extra gesperrt und „ertüchtigt“, wie es im Bahn-Sprech heißt, sprich: fit gemacht für die deutlich höhere Anzahl an Güterzügen, die ab dem 15. Juli dort fahren wird. Drei der elf transeuropäischen Güterverkehrskorridore sind normalerweise mit der Riedbahn verbunden.
Wird es nach der Sanierung wirklich besser?
So lautet zumindest das Versprechen der Deutschen Bahn. Dem Konzern zufolge wirken sich die Verspätungen, die die Züge aktuell auf der Riedbahn sammeln, auf den Bahnverkehr in der ganzen Bundesrepublik aus. Nach der Sanierung sollen also viele Verbindungen – gerade von Norden nach Süden – wieder pünktlicher sein. Wie pünktlich, das will die Bahn lieber nicht zu genau beziffern. Volker Wissing schon: Dem Bundesverkehrsminister zufolge wird sich die Situation nach Abschluss der Riedbahn-Sanierung „schlagartig“ verbessern.