Süddeutsche Zeitung

Richterin Grobecker:Bewährungsprobe im Oppenheim-Drama

In Köln beginnt einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse seit Jahren. Es geht um den Niedergang des Bankhauses Sal. Oppenheim. Für die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker ist das neues Terrain.

Von Caspar Dohmen

Für Sabine Grobecker ist der Fall Oppenheim Auszeichnung und Bewährungsprobe zugleich. Die Richterin hat zwar schon in vielen Verfahren geurteilt, in Presse-, Wettbewerbs-, Handels- oder Gesellschaftsrecht. Mit dem Wirtschaftskrimi, der in der feinen und reichen Gesellschaft Deutschlands spielt, betritt Grobecker jedoch persönlich neues Terrain. Es ist ihr erstes großes Wirtschaftsstrafverfahren als Vorsitzende Richterin.

Dafür ist die 50-Jährige gut gewappnet. Sie ist nicht nur eine vielseitige Juristin, sondern verfügt auch über profundes Wirtschaftswissen. Schließlich schrieb sie schon ihre Doktorarbeit an der Universität Göttingen über "Betriebsaufspaltung und Konkurs" und sitzt nun seit mehr als einem Jahrzehnt im Aufsichtsrat eines mittelständischen Unternehmens. Selbst privat wird sie bisweilen über Wirtschaft diskutieren, ist sie doch mit dem Geschäftsleiter eines Elektronikunternehmens liiert.

Neugierig auf Neues ist Grobecker ohnehin. So meldete sie sich freiwillig für ein Pilotverfahren am Kölner Landgericht, bei dem dort 2012 erstmals in einem Zivilverfahren auf Englisch verhandelt wurde. Für das Verfahren paukte sie englisches Jura-Vokabular und beschäftigte sich mit Übersetzungsdetails. Eine gute Vorbereitung und souveräne Verhandlungsführung bescheinigten ihr Prozessbeteiligte damals.

Grobecker widmet sich vorerst dem ersten Akt des Oppenheim-Dramas

In den vergangenen Monaten hat sie sich ganz auf das neue Verfahren konzentriert, das sie am Mittwoch im Schwurgerichtssaal eröffnen wird. Zeit für ihre beiden Söhne oder ihre Kunstinteressen blieb da nur wenig. Auf der Anklagebank wird ein Herrenquintett Platz nehmen: die frühere operativ tätige Leitung der Bank Sal. Oppenheim - Matthias Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfund sowie der eng mit der Bank verbandelte Bauunternehmer Joseph Esch. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft Vetternwirtschaft zu Lasten des Bankhauses vor.

In der Anklageschrift ist von verlustreichen Investitionen in eine Villa und zwei Bürokomplexe in Köln und Frankfurt die Rede. Die Deals sollen der Bank geschadet und den Angeklagten genutzt haben. Der Fall ist nur die Fortsetzung eines bekannten Dramas: Nachdem sich die Bank in einem großen Ausmaß bei dem Pleitekonzern Arcandor engagiert hatte, verlor sie nach 220 Jahren ihre Eigenständigkeit. Die Deutsche Bank übernahm Oppenheim 2009 und rettete sie vor dem Kollaps.

Grobecker wird sich vorerst nur dem ersten Akt des Oppenheim-Dramas widmen. Dafür plant sie viel Zeit ein, gleich für 78 Verhandlungstage hat sie den Saal 210 geblockt. Dort werden die Strafverteidiger der Angeklagten, allesamt erfahren und gewieft, nicht nur auf Verfahrensfehler der Richterin und Staatsanwaltschaft warten, sondern auch versuchen, solche durch Störmanöver und Winkelzüge zu provozieren. Sollte sich Grobecker dabei gut schlagen, wäre eine Bedingung für höhere Weihen erfüllt.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2013/jhal
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