Rettung von General Motors: Alles in allem keine schlechte Bilanz

Export Images At Incheon Port Ahead Of Annual GDP

Alles in allem war die Rettung von GM sinnvoll: Exporte in Incheon, Südkorea

(Foto: Bloomberg)

Die USA steigen bei General Motors aus. Gut vier Jahre nach der staatlichen Rettungsaktion steht Amerikas Vorzeigeunternehmen wieder auf eigenen Beinen. Zehn Milliarden Dollar Steuergeld sind weg, aber 1,2 Millionen Jobs gerettet.

Von Harald Freiberger und Max Hägler, Stuttgart

Im Hip Hop gibt es klare Ansagen: "I'm fuckin' back again!", rappt Eminem auf seiner gerade erschienen Platte, was man stark abgemildert übersetzen könnte mit: Da bin ich wieder. Der Song dazu heißt "Survival", Überleben, auf dem Cover des Albums: das Haus in Detroit, in dem er als Kind wohnte. Völlig heruntergekommen. Aber Eminem ist der Überlebende dort, der - verdammt noch mal! - zurückkehrt ins Leben, auf die Bühne.

Die Ansage passt: zu Eminem, diesem Star des Ostküsten-Hip Hop, zu seiner Heimat Detroit, die viele auch "Motor City" nennen. Und es passt zu einem Unternehmen in dieser immer noch recht kaputten Stadt, das beinahe untergegangen wäre: GM, General Motors. Vom Staat wurde diese Legende des Autobaus gerettet. Nun hat sich der Staat komplett zurückgezogen. Die letzten zwei Prozent an GM veräußerte die Regierung am Montag an der Börse. Und der Laden hat überlebt, schreibt schwarze Zahlen. Fuckin' back again!

Vorherzusehen war diese Rückkehr nicht. Darum ist die Frage nun durchaus angebracht: Wird ein Unternehmen automatisch zum Survivor, wenn der Staat eingreift? Beispiele gibt es einige, schließlich haben die USA in der Finanzkrise nicht nur GM gerettet, sondern die gesamte Bankenbranche inklusive des Versicherungskonzerns AIG. Und in Deutschland, wo die GM-Tochter Opel um Unterstützung warb, die dann nicht gewährt wurde, weil Opel eben nicht systemrelevant sei, wie Kanzlerin Angela Merkel sagte - anders als die Banken, die Milliarden-Hilfen bekamen.

In staatlichen Händen

GM tat sich schwer Ende des vergangenen Jahrzehnts: Schlechter Kundenservice, veraltete Produkte, und dann kam die Finanzkrise. Die Leute kauften immer weniger GM-Wagen. Der seit dem Jahr 1931 größte Autohersteller der Welt war am Boden. Die Kredite, die US-Präsident George W. Bush gewährt hatte, reichten nicht mehr.

Im Jahr 2009 leitete sein Nachfolger Barack Obama dann die radikale Rettung ein: GM meldete eine kontrollierte Insolvenz an, das Unternehmen wurde in einen guten und einen schlechten Teil zerlegt, im schlechten befanden sich etwa Marken wie Hummer oder Pontiac. Fabriken wurden ohne viel Aufhebens geschlossen, das Händlernetz ausgedünnt.

Dazu investierte die US-Regierung 50 Milliarden US-Dollar - die Ansage war klar: Wir wollen Arbeitsplätze retten und eine "Industrie-Ikone". Als GM nach einer Blitzinsolvenz im Folgejahr mit neuen Aktien an die Börse ging, hielt der Staat entsprechend 60 Prozent der Anteile. GM war zu einem Staatskonzern geworden, in dem auf Regierungsweisung auch Topmanager ausgetauscht wurden und die Gehälter auf 200.000 US-Dollar gedeckelt waren.

"Government Motors", spotteten die Amerikaner, denen so viel Intervention eigentlich nicht behagte. Auch das Rasieren der vielen Kleinanleger führte zu Protesten: Viele der 500.000 früheren GM-Arbeiter hatten Aktien vom alten GM als Kapitalanlage - die waren praktisch nichts mehr wert. Schmerzhafte Einschnitte, denen aber der betriebswirtschaftliche Erfolg gegenüber stand: Durch Sparkurs, neue Ideen und auch Steuerersparnisse macht GM heute wieder Milliardengewinne.

"10 Milliarden Verlust lassen sich verschmerzen"

Nachdem der Staat am Montag die letzten Anteile verkauft hat, stellte US-Finanzminister Jack Lew erleichtert fest: "Dieses wichtige Kapitel unserer Geschichte ist jetzt geschlossen." Dass die Steuerzahler nur 40 Milliarden der 50 Milliarden Dollar wiederbekamen, lässt sich wohl auch verschmerzen: Insgesamt hätten alle US-Rettungspakete in der Krise für alle Unternehmen 422 Milliarden Dollar gekostet, die aber mittlerweile größtenteils ausgelöst worden sind - für 433 Milliarden Dollar. Allein in der Autoindustrie seien so 1,2 Millionen Jobs gesichert worden, hat das Center for Automotive Research berechnet.

Der Fall GM zeigt auch, dass sich die Amerikaner mit staatlicher Hilfe und Rettung im Notfall leichter tun als die Europäer. Auch bei der Bankenrettung nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman handelte die Regierung schneller und unbürokratischer: Sie zwang einfach alle Großbanken, Staatshilfe anzunehmen und im Gegenzug Aktien an den Staat abzugeben. Damit wurde der Staat über Nacht zum Eigentümer der Banken - und vermied langwierige Diskussionen, wer Hilfe brauchte und wer nicht. So beruhigte sich die Lage der Finanzbranche schnell.

Deutschlands Bankenrettung war schwieriger

In Deutschland bekamen dagegen nur jene Banken Staatshilfe, die faktisch pleite waren - die Hypo Real Estate, die Commerzbank, die WestLB. Berühmt geworden ist der Spruch von Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, er würde sich "schämen", wenn er Staatshilfe in Anspruch nehmen müsste. "Der deutsche Staat hat nur die faulen Zitronen bekommen und profitierte nicht von der Erholung der Aktienkurse nach der Krise", sagt Christoph Kaserer, Professor an der TU München. Insgesamt stellte die Bundesregierung über den Bankenrettungsfonds Soffin Garantien von 400 Milliarden Euro und Eigenkapitalhilfen von 80 Milliarden Euro bereit - ein Rahmen, der aber nie ausgeschöpft wurde.

Der deutsche Weg stellte sich im Nachhinein im Vergleich zum amerikanischen als teuer heraus. Die US-Großbanken erholten sich schnell, die Regierung verkaufte nach und nach ihre Aktien und kam unterm Strich sogar mit einem Gewinn aus der Bankenrettung heraus. Beim Soffin dagegen steht bereits ein Verlust von 21 Milliarden Euro in der Bilanz. Ein Schlussstrich kann erst in Jahren gezogen werden, wenn alle toxischen Wertpapiere der "Bad Banks" von WestLB und Hypo Real Estate verkauft sind, die der Bund übernahm.

Kaserer schätzt die Kosten der Bankenrettung auf bis zu 50 Milliarden Euro, sein Kollege Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut geht sogar von 65 bis 70 Milliarden Euro aus. "Hätte man die Banken verstaatlicht wie in den USA, wäre man sicher billiger weggekommen", sagt Kaserer.

Allerdings ist die Situation amerikanischer und deutscher Banken auch nicht ganz vergleichbar: Die deutschen Institute hatten deutlich mehr toxische Wertpapiere in ihren Bilanzen, zudem litten sie unter dem griechischen Schuldenschnitt. Und fest steht auch: Die Rettung der Banken durch den Staat war immer noch billiger, als wenn es zu einem Zusammenbruch des Finanzsystems gekommen wäre.

Auch bei GM ist unterm Strich alles gut gegangen. US-Präsident Obama sagt, es sei eine kalkulierte Wette gewesen: "Als die Dinge düster aussahen für unsere Ikonenindustrie, wetteten wir auf das, was wahrlich noch da war: die Beharrungskraft der stolzen, hart arbeitenden Männer und Frauen, die dieses Land stark gemacht haben." GM-Chef Dan Akerson sagt: "Wir werden immer dankbar sein für die zweite Chance, die uns gewährt worden ist."

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