Süddeutsche Zeitung

Retouren bei Online-Bestellungen:Wo der Schuh drückt

Vier von fünf Paar Schuhen, die das Berliner Startup Zalando verschickte, landeten angeblich kurze Zeit später wieder in seinem Wareneingang. Rücksendungen sind ein großes Ärgernis für Online-Händler - nun wollen sie ihren Kunden die Retouren austreiben, ohne sie zu verprellen.

Stefan Weber

Schuhe lassen sich nicht über das Internet verkaufen - da waren sich Handelsexperten lange einig. Dann kam Zalando. Das Berliner Startup zeigte, dass sich Pumps und Stiefel sehr wohl online absetzen lassen, vorausgesetzt, man macht Bestellern klar, wie problemlos sie Ware zurückschicken können, wenn sie ihnen nicht gefällt. "Schrei vor Glück - oder schick's zurück" war der Slogan, mit dem Zalando warb.

Die Kunden machten davon gerade am Anfang eifrig Gebrauch. Vier von fünf Paar Schuhen, die der Online-Verkäufer verschickte, landeten Beobachtungen von Brancheninsidern zufolge ein paar Wochen später wieder in seinem Wareneingang. Auch das ist ein Grund, warum die Berliner trotz hoher Umsätze noch kein Geld verdienen - außerdem investiert das Start-up kräftig in sein Wachstum.

Zalando habe das Problem der Retouren "völlig unterschätzt", urteilt ein Branchenkenner. Die Firma selbst beziffert die Retourenquote nicht genau, sie sei branchenüblich, sagen die Geschäftsführer. Und: Die Situation habe sich inzwischen entspannt, heißt es aus dem Unternehmen. Vor allem, weil Zalando gegengesteuert und die Werbung, die zum Rücksenden animierte, verändert hat.

Rücksendungen sind für alle Online-Verkäufer ärgerlich. Sie abzuwickeln kostet viel Zeit und Geld. In der Modebranche ist es üblich, dass jedes zweite per Internet bestellte Teil wieder beim Verkäufer landet. Über die Probier- und Schick-zurück-Wut der Deutschen klagt dennoch kaum jemand. "Retouren gehören zum Geschäft", heißt es beim Bundesverband des Deutschen Versandhandels.

Franzosen kaufen per Vorkasse

Das nicht etwa, weil die Bundesbürger besonders probierfreudig wären. Sondern, weil sie überwiegend auf Rechnung bestellen und erst dann bezahlen, wenn sie die Ware erhalten haben. Das nimmt die Hemmungen, viel zu bestellen. "Dagegen kaufen Franzosen meist per Vorkasse - und überlegen sich sehr genau, welchen Artikel sie in ihren virtuellen Einkaufskorb legen. Nur weniger als zehn Prozent der bestellten Artikel schicken sie zurück", meint Thilo Bobrowski, Vorstand der Beratungsgesellschaft SMP.

Dabei ist das gesetzlich anders geregelt: Im BGB steht, dass Internet-Verkäufer Waren nur dann für Kunden kostenfrei zurückschicken können, wenn deren Wert mindestens 40 Euro beträgt. "Das macht keiner. Sonst wäre er bald raus aus dem Geschäft", sagt Dieter Urbanke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hermes Fulfilment, der Logistiktochter des Otto-Konzerns. Ende nächsten Jahres tritt ein neues EU-Gesetz in Kraft, wonach die Rücksendung sogar unabhängig vom Warenwert stets vom Online-Besteller zu zahlen ist. Aber auch darauf werden nach Überzeugung des Hermes-Managers nur wenige Versender pochen.

Trotzdem versuchen manche Händler, dem Kunden das Zurückschicken der Ware lästig zu machen. Der eine verzichtet darauf, der Sendung einen bereits ausgefüllten Adressen-Aufkleber für eine mögliche Retour beizulegen. Der nächste versteckt seine Service-Rufnummer im Kleingedruckten. Und wieder ein anderer verlangt eine Extra-Gebühr, wenn der Kunde per Rechnung kauft.

"Statt es dem Kunden schwerer zu machen, Artikel zurückzuschicken, müssen Internet-Verkäufer mehr dafür tun, dass Kunden die richtige Auswahl treffen - etwa durch eine bessere Warenpräsentation", sagt dagegen Urbanke. Handelsexperten setzten dabei vor allem auf den Einsatz von Webcams. Mit Hilfe der Kameras können Mode-Käufer sehen, wie Kleidungsstücke an ihnen aussehen würden, und verschiedene Farben ausprobieren.

Gegen böswillige Besteller hilft dagegen keine ausgetüftelte Technik. So erzählt der Chef eines großen Online-Versands: "So manche Ball-Besucherin ordert ihr Kleid online und schickt das Stück später als 'ungetragen' zurück." Urbanke hält solche Berichte für Einzelfälle: "Die überwiegende Zahl der Besteller verhält sich korrekt", beobachtet er. Trotzdem muss jedes zurückgeschickte Stück begutachtet werden: Ist das Hemd so zerknittert, dass es aufgebügelt werden muss? Ist der Ring eine Fälschung? Funktioniert die Kamera einwandfrei?

Solche Prüfungen übertragen Online-Händler meist Spezialisten wie Hermes Fulfilment. Das Unternehmen betreibt in Hamburg den europaweit größten Betrieb für Retouren. Etwa 1300 Mitarbeiter bearbeiten dort in jedem Jahr mehr als 50 Millionen zurückgegebene Artikel.

Und es gibt Ausschuss. Schuhe, die getragen wurden, Blusen mit Spuren von Make-up oder zerbrochene Bildschirme. Auf gut zwei Prozent beziffert Urbanke den Anteil der Ware, die anderweitig verwertet und im schlimmsten Fall weggeworfen werden muss. Wie also gehen Online-Händler mit Missbrauch um? "Die meisten Firmen sind sehr kulant - auch wenn Kunden sich erkennbar nicht korrekt verhalten haben", beobachtet SMP-Vorstand Bobrowski. Dafür seien sie dann an anderer Stelle weniger kundenfreundlich: etwa bei Mahnkosten oder Versandgebühren.

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SZ vom 26.05.2012/mkoh
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