Süddeutsche Zeitung

Restschuldpolicen:Versteckte Kosten inklusive

Extrem teuer und überflüssig: Verbraucherschützer warnen vor Policen zur Absicherung von kleineren Ratenkrediten.

Von Anne-Christin Gröger, Köln

In Großbritannien ist die Sache komplett aus dem Ruder gelaufen. Jahrelang haben Banken zur Absicherung von Krediten völlig überteuerte Restschuldversicherungen an Kunden verkauft. Irgendwann wurde es der britischen Finanzaufsicht zu viel. Auf ihren Druck hin müssen die Anbieter ihren Kunden Milliarden Pfund zurückzahlen. Auf ihrer Internetseite listen die Finanzwächter genau auf, um wie viel Geld es sich bislang handelt: Zwischen Januar 2011 und Januar 2015 mussten die Kreditinstitute 18,5 Milliarden Pfund (25,5 Milliarden Euro) an ihre Kunden zurücküberweisen.

In Deutschland ist die Situation nicht ganz so dramatisch. Dennoch haben Aufsicht und Verbraucherschützer ein genaues Auge auf die Policen. Restschuldversicherungen sollen einspringen, wenn ein Kreditnehmer wegen Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit oder im schlimmsten Fall Tod die Raten nicht mehr bedienen kann. Die Versicherung übernimmt dann den restlichen Kredit.

"Die Policen sind extrem teuer", sagt Britta Beate Schön vom Online-Verbrauchermagazin Finanztip. "Sie kosten teilweise zwischen 13 Prozent und 17 Prozent des Auszahlungsbetrags." Kunden bemerkten das oft nicht, weil sie nur auf den Effektivzins des Kredites schauten.

Ähnlich sieht es die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Sie warnt Kunden auf ihrer Seite: "Vorsicht! Restschuld- und Zusatzversicherungen sind nicht standardisiert. Informieren Sie sich vor Abschluss des Vertrages unbedingt über den genauen Versicherungsumfang und die Kosten."

Bei Aufsicht und Verbraucherschützern stoßen dabei nicht die klassischen Policen zur Absicherung von Immobilien auf Kritik, sondern vor allem Policen für Ratenkredite. Wer bei der Bank Geld leiht, weil er sich eine neue Küche oder eine teure Musikanlage kaufen will, dem schlägt der Berater häufig vor, eine entsprechende Versicherung gleich mit abzuschließen. Dafür erhält die Bank vom Versicherer eine Provision. Weil die Zinsen derzeit niedrig und die Margen gering sind, vertreiben viele Banken die Policen auf der Suche nach Provisionseinnahmen besonders aggressiv.

Große Anbieter sind die öffentlich-rechtlichen Versicherer, die unter dem Namen Provinzial, Versicherungskammer Bayern oder SV Sparkassenversicherung arbeiten und die Verträge über die Sparkassen vertreiben, aber auch die Talanx, die unter den Marken PB Lebensversicherung und Neue Leben verkauft.

Verbraucherschützer kritisieren, dass manche Banken den Kunden beim Kreditabschluss den Eindruck vermitteln, dass sie ohne die Versicherung kein Geld bekommen. "Das wären Koppelgeschäfte, und die sind verboten", sagt Timo Voss vom Bund der Versicherten (BdV). "Kunden sollten genau nach den Kosten des Vertrages fragen." Mitunter verteuerten die Kosten der Policen den Effektivzins enorm, fügt Schön hinzu.

Für viele Kunden sind die Verträge interessant, weil diese auch greifen, wenn Kunden im Fall von Arbeitslosigkeit den Kredit nicht mehr bedienen können. Diese Gefahr ist bei den meisten Risikolebensversicherungen nicht eingeschlossen. Die Verträge können eine Alternative sein, wenn Kunden einen hohen Kreditbetrag bei einem Hauskauf absichern wollen. Aber: "Gerade beim Risiko Arbeitslosigkeit gibt es so lange Wartezeiten, dass der Versicherer nur in sehr wenigen Fällen zahlen muss", sagt Expertin Schön. "Außerdem ist die Zahlung oft auf zwölf Monate begrenzt." Wer schon eine Police abgeschlossen hat und sich darüber ärgert, sollte in den Bedingungen nachlesen, ob ein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen ist. Dann kann er innerhalb einer bestimmten Frist kündigen. Zuviel gezahlte Prämien sollten Kunden vom Anbieter zurückfordern, rät sie.

Anders sieht die Situation aus, wenn Kunden einen Immobilienkredit beantragen. Hier kann die Absicherung mit einer Restschuldversicherung durchaus sinnvoll sein, da sich Häuslebauer über viele Jahre finanziell festlegen. Ein großer Teil des Einkommens geht jeden Monat in die Tilgung des Kredits. Stößt dem Hauptverdiener etwas zu, zahlt der Versicherer.

Nicht nur die Banken vertreiben die Policen. Kunden können sie auch direkt beim Versicherer abschließen. Timo Voss vom BdV hält das ohnehin für die bessere Wahl, da die Kosten für den Vertrag transparenter seien. "Die Banken weisen bei den Kosten meist nur den Effektivzins für den Kredit aus, nicht aber, wie viel die Versicherung zusätzlich kostet", sagt er. Deswegen sei es besser, sich individuelle Angebote bei den Versicherern einzuholen.

Als Variante können Versicherte auch eine Risikolebensversicherung mit linear fallendem Versicherungsschutz abschließen, sagt er. Hier sinkt die Versicherungsleistung jährlich um einen konstanten Betrag, auch die Prämie wird so im Lauf der Zeit günstiger.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2015
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