Restaurantkette:Mit Liebe gebacken

Crepes & Waffles

Neun von zehn Mitarbeitern der kolumbianischen Restaurantkette Crepes & Waffles sind Frauen.

(Foto: EEIM/CC-by-sa-4.0)

Crepes und Waffles ist die erfolgreichste Restaurantkette Kolumbiens und auch in anderer Hinsicht ein Vorreiter: 90 Prozent der 6100 Mitarbeiter sind Frauen, die meisten alleinerziehende Mütter.

Von Katharina Wojczenko, Bogotá

Die Lokale befinden sich in fast allen größeren Einkaufszentren und strategisch günstigen Orten in Kolumbiens Städten - und sie sind nie leer. Um die Mittagszeit bilden sich hier Schlangen. Büroangestellte essen zu Mittag, Familien treffen sich sonntags, feiern Geburtstage. Bei Crepes & Waffles ist es laut und offen, das Dekor ist in Braun- und Erdtönen gehalten, viel Holz. Die Speisen sind gemüselastiger als bei den meisten kolumbianischen Ketten und verbinden einheimische Zutaten mit Einflüssen der internationalen Küche, indischen und mediterranen Einschlags.

Dass heute die meisten Kolumbianer bei Crepes & Waffles nicht nur an Essen, sondern auch an alleinerziehende Mütter denken, ist Beatríz Fernández zu verdanken. Denn die Firmengründerin arbeitete, als sie mit ihrem späteren Mann Eduardo Macía 1980 das erste Lokal in Bogotá eröffnete, Hand in Hand mit den Angestellten, stand in der Küche, servierte. "So lernte ich eine Seite dieses Landes kennen, die ich vorher nicht aus der Nähe kannte." Das waren die Folgen des jahrzehntelangen Kriegs zwischen Staat, Farc-Guerilla und anderen Rebellen, paramilitärischen Gruppen und Drogenbanden sowie eines tiefen Machismo. Ihre Mitarbeiterinnen, alles Frauen, hatten eine Familie zu ernähren, alleinerziehend, oft mit Kindern von mehreren Männern. Sie waren vor dem bewaffneten Konflikt vom Land in die Stadt geflohen, wo sie weiter Gewalt erlebten. Manche wurden im Bus auf dem Weg zur Arbeit vergewaltigt. Wurden sie krank, warteten sie wochenlang auf einen Arzttermin.

"Wie hätten wir uns dieser Realität verschließen können? Unsere Herangehensweise war total menschlich", sagt Fernández. Sie und ihr Partner Eduardo Macía beschlossen, zu helfen. Über die Jahre wuchs ein materielles und immaterielles Angebot für die Mitarbeiter. Die Förderung reicht von Privatkrankenversicherung und zinslosen Krediten für Bildung, Gesundheit, Notsituationen und Wohnungsbau bis zu Schulungen im Umgang mit Geld und Kunstkurse. Viele Mitarbeiter haben keinen Schulabschluss. "Wenn du eine Mutter bildest, bildest du eine ganze Familie", sagt Fernández.

Als Beatríz und Eduardo ihr erstes Lokal eröffneten, war das eine kulinarische Neuheit. Die beiden Studierenden der Betriebswirtschaft waren Anfang 20, im Ausland hatten sie ihre Liebe zu Crêpes und Waffeln entdeckt, die damals in Kolumbien unbekannt waren. In der Alltagsküche der meisten Menschen dominieren bis heute Reis, Hülsenfrüchte und Kochbananen. Das erste Lokal bestand nicht aus viel mehr als zwei Tresen und befand sich in der ehemaligen Garage des Geschäftshauses von Fernández Vater in Bogotá, der gerade pleite gegangen war. Dieser war Importeur für ausländische Spirituosen und Lebensmittel, weshalb Fernández und ihre vier Geschwister neben der kolumbianischen Küche auch mit europäischen Spezialitäten wie Roquefort, Lachs und Serranoschinken aufwuchsen. "Mein Vater sagte immer: Gastronomie zu kennen ist Kultur", sagt Fernández, die bis heute jedes Gericht in ihrer heimischen Küche kreiert. Diese fremden Geschmäcker wollte sie auch weniger betuchten Kolumbianern zugänglich machen.

Heute ist das Projekt ein Unternehmen mit 6100 Mitarbeitern und 133 Filialen in Kolumbien (93 Restaurants und 40 Eisdielen) und 600 Beschäftigten in 26 Filialen in Mexiko, Ecuador, Chile, Panama und Spanien. Das Unternehmen gehört weiterhin der Familie: den seit 2014 geschiedenen Eltern Beatríz Fernández und Eduardo Macía und ihren drei Kindern Paola, Natalia und Felipe, die ebenfalls dort arbeiten.

"Gutes zu tun ist ein gutes Geschäft"

Die Arbeitsteilung war von Anfang an klar: Während sich Eduardo Macía um das Geschäftliche und Strategische kümmert, ist Beatríz Fernández die Kreative. Nicht nur in kulinarischer Hinsicht. Sie ist das Gesicht von "Crepes", spricht auf Wirtschaftskongressen und sagt, dass sie das Leben schon immer mit Botschaften verstanden habe, die von jenseits des Physischen kommen. In den Büroräumen im Nachbargebäude der Filiale am Park an der Straße 93 in Bogotá stehen stapelweise Kisten mit ihrem neuesten Buch: "Como una danza" (Wie ein Tanz). Auf dem Umschlag ein Schwarz-weiß-Foto der Firmenchefin, barfuß tanzend in einem weißen Gewand und fliegender Stoffbahn. Hinter der echten Beatríz hängen an der Wand zwei lebensgroße Fotos, ebenfalls Buchcover. Auf dem einen ist sie gehüllt in ein Kleid aus Pfannkuchen und trägt eine Handtasche aus Waffeln. Sozusagen eine mehllastige Version von Lady Gagas Fleischkleid.

Wenn Beatríz Fernández über ihre Firma spricht, verwendet sie Wörter, die auf Deutsch ungewohnt blumig klingen. Die Firmenstrategie: Liebe. "Ich habe schon immer zu allen Unternehmern der Welt gesagt, dass ich nur das Gesetz der Liebe anwende", sagt Fernández. Die Menschen hätten das als romantische Liebe missverstanden. "Liebe ist für mich aber die Fähigkeit, das Potenzial zu entwickeln, das wir in uns tragen, diese ganze innere Kraft, die voller Licht ist, herauszuholen, uns alle weiterzuentwickeln und zu glänzen", sagt Fernández. "Damit wir handeln, ohne uns mit dem Gedanken aufzuhalten, dass wir nur etwas wert sind, wenn wir Geld verdienen."

In Kolumbien war Crepes & Waffles im Gastronomie-Sektor im Jahr 2017 die erfolgreichste Unternehmensgruppe des Landes mit einem Umsatz von 495,3 Milliarden kolumbianischen Pesos (etwa 141,5 Millionen Euro). "Gutes zu tun ist ein gutes Geschäft", sagt Fernández. Crepes & Waffles ist im Gastro-Sektor das Unternehmen mit dem zufriedensten Personal, so das Ergebnis der Studie Merco Talento aus dem Jahr 2018. Männer sind bei Stellenausschreibungen nicht ausgeschlossen. Trotzdem sind 90 Prozent des Personals Frauen, 75 Prozent Alleinerziehende.

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Crepes & Waffles zahlt nach eigenen Angaben fünf Prozent mehr als den gesetzlichen kolumbianischen Mindestlohn von umgerechnet 236,60 Euro im Monat. Das sind 120,54 Euro weniger als der kolumbianische Durchschnittslohn. Dazu kommen Trinkgeld und Überstunden. Um die Kinder kümmern sich meistens die Großeltern oder andere Verwandte. Die Arbeitszeit entspricht mit 48 Stunden dem Gesetz, ein Tag ist frei. Teilzeitmodelle gibt es nicht, dafür ist Sonntagsarbeit beliebt - wegen des dreifachen Verdienstes. Die Arbeit ist anstrengend, die Frauen legen oft weite Wege zurück, sehen ihre Kinder kaum, bestätigt Vinciane Servantie von der Fakultät für Management an der Universidad de los Andes in Bogotá. "Aber so sind die normalen Arbeitsbedingungen in Kolumbien." Servantie hat mit Aktuellen und Ehemaligen der Crepes-Führung gesprochen. Sie sagt: Der Gedanke, aus dem Herzen und aus Liebe zu handeln, sei tatsächlich tief in der Unternehmenskultur verankert und keine Marketingstrategie.

"Wir müssen voranschreiten und dürfen nicht gebeugt leben, geknechtet von Furcht, traurig, nervös und auf der Flucht von einem Land, das ein immenses Potenzial besitzt, aber das man uns vor lauter Gewalt und Korruption nicht entdecken lässt", sagt Fernández. Seit Jahren wendet sie sich jeden Vormittag kurz vor elf Uhr morgens per Funkgerät an die Mitarbeiter mit einer Botschaft: "Für ein friedliches Kolumbien." Es geht dabei um alles, was sie gerade beschäftigt. Nachrichten, Philosophisches, Berichte über Konzerte oder eins ihrer Gedichte. Es sind Botschaften von Liebe, Leben, Hoffnung, Vergebung, Versöhnung, Zusammenhalt.

Wenn man unter Unternehmerin jemanden verstehe, der eine strenge Struktur habe, dann sei sie das nicht", sagt sie. Ihren Führungsstil bezeichnet sie als "emotionale Führung mit künstlerischem Schwerpunkt". Frau zu sein habe ihr die Freiheit geschenkt, sich auszudrücken, wie es ihrem Wesen entspreche: "Männer fühlen sich manchmal lächerlich, wenn sie in dieser Macho-Welt über Liebe reden."

Mit dem sozialen Anliegen bei den Frauen sei Crepes & Waffles in Kolumbien Vorreiter gewesen, als noch niemand von sozialer Verantwortung sprach, sagt Nathalia Franco vom Interdisziplinären Zentrum für Entwicklungsstudien (CIDER) an der Universidad de los Andes in Bogotá. Sie sagt aber auch, das Unternehmen habe sich beim Personalthema nicht weiter entwickelt. Es habe "keine Gremiumsarbeit geleistet, um die Gastro-Branche zu verändern", sagt Franco. Außerdem habe Crepes lange nichts getan, um Konsumenten zu erziehen. "Dabei wäre das sehr wichtig, weil wir in Kolumbien keine verantwortungsvollen Konsumenten haben. Sie schauen auf die Qualität - und vor allem auf den Preis." Ob Lokale sozial oder nachhaltig für die Umwelt arbeiten, spielt oft keine Rolle.

Bei Crepes & Waffles wurde das Thema Nachhaltigkeit erst 2012 groß, als Sohn Felipe Macía als Direktor für Nachhaltigkeit ins Familienunternehmen einstieg. Er baute ein direktes Einkaufsmodell auf, bei dem das Unternehmen Kleinbauernfamilien auf dem Land bei biologischer Landwirtschaft unterstützt. Die Mutter sieht es mit Wohlgefallen. "Klar muss man Geld mit dem Geschäft verdienen, das ist die erste soziale Verpflichtung", sagt Beatríz Fernández. "Aber man muss wissen, wie man das macht und wofür man das Geld benutzt. Crepes muss ein Mittel zur Entwicklung sein."

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