Republik Island:Island geht es zu gut

Republik Island: Touristen genießen das warme Wasser des Thermalbades Blaue Lagune auf der Reykjanes-Halbinsel auf Island.

Touristen genießen das warme Wasser des Thermalbades Blaue Lagune auf der Reykjanes-Halbinsel auf Island.

(Foto: Olivier Morin/AFP)

Vor acht Jahren war der Staat praktisch pleite. Jetzt hebt das Land die letzten Kapitalverkehrskontrollen auf - Ausdruck eines unerwarteten und spektakulären Wirtschaftsbooms.

Von Nikolaus Piper

Spätestens seit Juni vorigen Jahres ist die Republik Island mit ihren 340 000 Einwohnern ein Superstar. Damals warf deren Nationalmannschaft England aus der Fußball EM. Ganz Europa wurde neugierig auf die Insel im Nordatlantik, von der so ungewöhnliche Fußballer kamen, die merkwürdige Geräusche ausstießen und sich als Wikinger stilisierten

Jetzt macht Island wieder Schlagzeilen. Die Regierung in Reykjavik kündigte an, dass sie an diesem Dienstag fast alle Kapitalverkehrskontrollen aufheben wird. Normale Bürger, Unternehmen, Banken und Pensionsfonds mit ihren Kronen, Euros und Dollars machen was sie wollen. Nur einige besonders riskante Finanzgeschäfte bleiben verboten.

Die Kontrollen waren seit Herbst 2008 in Kraft, als nach dem Zusammenbruch mehrerer Banken Island kurz vor dem Staatsbankrott stand und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gerettet werden musste. Damals kam es zu, gemessen an den Bräuchen Islands, heftigen Protesten, die Regierung musste zurücktreten, alles sah nach einer Staatskrise aus. Doch nach einer kurzen, schweren Rezession setzte, völlig unerwartet, ein spektakulärer Wiederaufschwung ein, der es jetzt möglich machte, den Isländern wieder den freien Handel mit ihrer Währung zu erlauben. Island ist heute Boomland. Mit einem Plus von 4,9 Prozent wuchs die Wirtschaft 2016 so schnell wie kaum eine andere in Europa. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 3,4 Prozent, die Inflation bei 1,7 Prozent - geradezu ideale Daten für eine Volkswirtschaft.

Das Land hat seine Banken abgewickelt, ohne die Steuerzahler zu belasten

Der Überschuss in der Leistungsbilanz liegt mit acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts ungefähr so hoch wie in Deutschland. Dazu haben vor allem die Touristen beigetragen, die in so großer Zahl nach Island kommen, dass die Infrastruktur des Landes hoffnungslos überlastet ist. Nach Angaben der isländischen Zentralbank sind dank der Deviseneinnahmen die Währungsreserven auf 800 Milliarden Kronen (etwa sechs Milliarden Euro) gestiegen. Das erleichterte den Verzicht auf die Kontrolle der Geldströme.

Ministerpräsident Bjarni Benediktsson erklärte in der Reykjavik, der Schritt werde zu "mehr Vertrauen in die isländische Wirtschaft" führen. Unternehmen müssten nun nicht mehr, wie bisher, Devisen nach Island zurückbringen. "Das wird direkte Auslandsinvestitionen erleichtern", sagte der Regierungschef.

Tatsächlich läuft Islands Konjunktur nicht nur gut, sie läuft zu gut. Der IWF warnt daher in seinem jüngsten Island-Bericht vor einer Überhitzung der Wirtschaft. Die Reallöhne sind im vergangenen Jahr laut IWF um 8,8 Prozent gestiegen, was auch in einer boomenden Wirtschaft nicht nachhaltig ist. Die Experten des Fonds empfehlen dem Land daher, gegenzusteuern, um Risiken für die Finanzstabilität zu begegnen. So solle die Kontrolle über die Banken verschärft werden, die Zentralbank solle bereit sein, die Zinsen falls nötig zu erhöhen. Tatsächlich jedoch hat die Zentralbank im vergangenen Jahr zweimal die Zinsen gesenkt, um den Wechselkurs der Krone zu bremsen. Die Währung hatte während der vergangenen zwölf Monate um etwa 18 Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet, unter anderem weil die Zinsen auf Island immer noch höher sind als in der Euro-Zone.

Island hat den Weg aus der Krise auch deshalb so gut geschafft, weil es wesentliche Kosten der Finanzkrise dem Ausland aufbürdete. Der Chef einer IWF-Mission nach Island, Ashok Bhatia, sagte einmal: "Island war ein Musterbeispiel dafür, wie man Kapitalverkehrskontrollen sinnvoll einsetzt." Dem Land sei es gelungen, "die Banken so abzuwickeln, dass die eigenen Steuerzahler geschützt wurden und die Staatskasse bei der Aktion auch noch neun Prozent vom BIP Gewinn machte."

Dieser Teil der Krisenbewältigung ist aber noch nicht abgeschlossen. Die Regierung streitet bis heute mit Fonds, die in Kronen denominierte Vermögenswerte im Gegenwert von einer Milliarde Dollar erworben hatten und die von der Regierung eingefroren wurde. Jetzt erklärte sich die Zentralbank in einer Vereinbarung mit einigen Anlegern bereit, 90 Milliarden Kronen (etwa 830 Dollar) zum Kurs von 137,5 Kronen für den Euro zurückzukaufen.

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