Süddeutsche Zeitung

Inflation:Zuschuss auch für Rentner?

Die Stimmen für einen höheren Inflationsausgleich an Ruheständler werden lauter. Sie könnten die gleiche pauschale Zahlung bekommen wie Beschäftigte. Doch das wird teuer.

Von Roland Preuß, Berlin

Es kommt nun von beiden Seiten. Die Länder hätten die Bundesregierung aufgefordert, die Entlastung von Rentnerinnen und Rentnern anzugehen, weil das "bisher nicht in ausreichendem Maße erfolgt ist", sagte Hendrik Wüst, der nordrhein-westfälische Regierungschef von der CDU, am Donnerstagabend nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD). Auch Wüsts SPD-Kollegin aus Berlin, Franziska Giffey, bat den Kanzler öffentlich, mehr für Ruheständler zu tun. Beide reihen sich ein in eine größer und lauter werdende Gruppe aus Politikern und Verbandsvertretern, die einen höheren Inflationsausgleich für Rentner fordern. Fragt sich nur: Wie? Und wie viel darf es kosten?

Die Bundesregierung hat bisher argumentiert, dass die Ruheständler zum 1. Juli die höchste Rentenerhöhung seit Jahrzehnten erhalten: im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent. Jedoch reicht das nicht aus, um den Kaufkraftverlust durch die hohe Preissteigerung auszugleichen. Die lag nach ersten Berechnungen im Mai bei 7,9 Prozent.

Allerdings, so die bisherige Linie, profitierten Rentner auch von den Entlastungspaketen über insgesamt 30 Milliarden Euro, welche die Koalition auf den Weg gebracht hat. So fällt zum 1. Juli die EEG-Umlage für Stromkunden weg, den seit Mittwoch geringer besteuerten Sprit könnten auch Ruheständler tanken. Insbesondere ärmere Rentner habe man im Blick behalten: Wer Grundsicherung im Alter bekommt, erhält einmalig 200 Euro, wer auf Wohngeld angewiesen ist, darf sich über einen Heizkostenzuschuss freuen, das sind mindestens 270 Euro. Etwa 600 000 Rentner profitieren davon. Und natürlich dürfen Senioren auch mit dem Neun-Euro-Ticket verbilligt mit der Eisenbahn fahren.

Die Rechnung ist klar: Wer mehr weniger hat, sollte auch mehr bekommen

Allerdings verbreitet sich trotzdem mehr und mehr die Einschätzung: Das reicht nicht. So identifizierte etwa das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Mai eine "gravierende Lücke", die sich "insbesondere bei Rentnerinnen und Rentnern" mit niedrigen Einkommen zeige. Deren Belastung durch stark gestiegene Energie- und Nahrungsmittelpreise sei bereits in den ersten vier Monaten des Jahres mehr als drei Mal so hoch gewesen wie die für das ganze Jahr vorgesehene Entlastung.

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hat vergangenes Wochenende reagiert und ein "soziales Klimageld" in die Diskussion geworfen. Der Zuschuss soll einen weiteren Ausgleich bieten, auch für Rentner, und zwar sozial gestaffelt. Wer wenig Geld habe, soll mehr bekommen, wer viel Geld zur Verfügung hat, weniger - oder gar nichts, so Heil. Geplanter Start: 1. Januar 2023. Damit aber handelte sich der Minister die Kritik ein, damit komme die Hilfe zu spät und sein Modell sei nur mit großem Aufwand umzusetzen.

Nun zeichnet sich eine breite Unterstützung dafür ab, den Ruheständlern einen einmaligen Zuschuss zu zahlen, der bisher nur für Erwerbstätige, Selbständige und Gewerbetreibende vorgesehen ist, die sogenannte Energiepreispauschale. "Rentnerinnen und Rentner sind von steigenden Energiepreisen und Inflation genauso betroffen wie alle anderen - deshalb ist unverständlich, dass sie die Energiepauschale von 300 Euro nicht erhalten. Hier muss nachgebessert werden", sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi am Freitag der Süddeutschen Zeitung.

Fahimi stört außerdem, dass die Koalition den sogenannten Nachholfaktor wieder eingesetzt hat. Dieser soll für einen Ausgleich zwischen Renten und Löhnen sorgen und hat den Anstieg der Renten dieses Jahr um etwa einen Prozentpunkt verringert.

In die gleiche Richtung gehen die Überlegungen in der Unionsfraktion im Bundestag. Die Ampel-Koalition habe die Rentner von der Energiekostenpauschale "ausgeschlossen", sagte der Finanz- und Haushaltsexperte Sebastian Brehm (CSU). "Dieser Fehler muss dringend korrigiert werden." Die Wiedereinsetzung des Nachholfaktors hätte man "angesichts der hohen Inflation auf einen späteren Zeitpunkt verschieben können", so Brehm.

Es sei tatsächlich so, dass die Rentner bei den Entlastungspaketen bisher "weitgehend außen vor gehalten wurden", sagte Johannes Geyer, Rentenexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, der SZ. Bei den Menschen in Grundsicherung hätte man die Anpassung der Sätze, die regulär erst für Anfang kommenden Jahres vorgesehen ist, vorziehen können. "Und ich sehe keinen Grund, warum die Energiepreispauschale nicht auch an Rentner gezahlt wird." Sie sei weniger bürokratisch als Heils soziales Klimageld. Und sie habe eine soziale Komponente, weil die 300 Euro extra versteuert werden müssen - Wohlhabende müssen also mehr abführen als Ärmere.

Billig würde das allerdings nicht, denn: Es gibt viele Ruheständler, 21 Millionen. Das macht gut sechs Milliarden für die Energiepreispauschale. Olaf Scholz gab sich am Donnerstagabend denn auch zurückhaltend. Er sagte nur: Man habe die Situation der Rentnerinnen und Rentner "ganz fest im Blick".

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