Rentensystem:Bekämpft die Altersarmut mit Bildung!

Eine Seniorin geht spazieren

Selbst wenn die Regierung nachbessert: Viele Menschen, besonders Frauen, werden auch künftig von Altersarmut bedroht sein.

(Foto: dpa-tmn)

Das Rentensystem zu überarbeiten, ist gut und schön. Aber dadurch allein kann das Armutsproblem nicht gelöst werden. Die Regierung muss endlich mehr in Bildung und Sozialarbeit investieren.

Kommentar von Thomas Öchsner

Deutschland bekommt ein Problem mit der Altersarmut. Die Bundesregierung hat das soeben in ihrem neuen Alterssicherungsbericht bestätigt. Vor allem für Geringverdiener ohne Zusatzvorsorge steige das "Risiko der Bedürftigkeit im Alter stark an", heißt es in der Regierungsanalyse. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit: Mini-Jobber, Selbständige mit Mini-Verdienst und Dauerarbeitslose laufen ebenfalls Gefahr, die bedürftigen Rentner von morgen zu werden. Doch gerade denjenigen zu helfen, die es am nötigsten hätten, wird für die Politik äußerst schwierig.

Immerhin: Die Bundesregierung stellt sich inzwischen der Realität. Im November wird Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein Rentenkonzept vorlegen. Vieles davon wird allerdings wieder in der Schublade verschwinden, weil schlicht das Geld für teure Reformen fehlt. Dies zeichnet sich schon bei der Diskussion um das Rentenniveau ab, also bei der Frage, was die Rente für einen Durchschnittsverdiener nach 45 Versicherungsjahren wert ist. Derzeit sind es knapp 48 Prozent des Durchschnittsverdiensts.

Dieses Rentenniveau darf bis 2030 nicht unter 43 Prozent fallen. In der Zeit danach, in der die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird dieser Wert aber deutlich unterschritten. Eine neue Haltelinie, wie sie Ministerin Nahles fordert, ist deshalb richtig. Das Niveau der Rente immer weiter fallen zu lassen, würde die Legitimation der gesetzlichen Rentenversicherung untergraben. Ein Durchschnittsverdiener muss auch in Zukunft mehr erwarten können als eine Rente auf Hartz-IV-Niveau.

Das System ist nicht so, wie es sich die Reformer 2002 ausgedacht haben

Falsch wäre es aber, das Rentenniveau auf dem heutigen Stand von knapp 48 Prozent einzufrieren oder gar zu erhöhen, so wie dies etwa die Gewerkschaften fordern. Das würde jährlich mindestens 40 Milliarden Euro kosten und wäre damit unbezahlbar. Zudem hilft es wenig, wenn über alle Versicherte das Geld mit der großen Gießkanne ausgeschüttet wird. Geringverdienern oder Selbständigen mit 500 Euro Rente bringt ein Rentenniveau von 50 Prozent nichts. Selbst wenn sie so 100 Euro mehr Rente hätten, müssten sie meist trotzdem beim Sozialamt anklopfen. Union und SPD sind daher gut beraten, sich auf ein unterstes Rentenniveau von 43 bis 45 Prozent über das Jahr 2030 hinaus zu einigen.

Das allein wird im Kampf gegen zukünftige Altersarmut jedoch nicht reichen. Richtig ist die geplante Vorsorgepflicht für Selbständige. Sie bedarf kluger Übergangsregeln, um nicht die Existenz von Kleinunternehmern zu gefährden. Richtig ist auch, weiter auf drei Säulen zu bauen, die private, die betriebliche und die gesetzliche Vorsorge, um nicht alles auf eine Karte zu setzen. Nur funktioniert das System nicht so, wie es sich die Rentenreformer 2002 ausgedacht haben. Bei vielen Arbeitnehmern sind die Lücken in der Zusatzvorsorge zu groß, um die Einbußen durch das sinkende Rentenniveau auszugleichen.

Die Rentenversicherung ist keine Armutsbekämpfungsagentur

Was also tun? Die neuen Anreize, die die Bundesregierung bei der betrieblichen Altersvorsorge plant, reichen nicht aus, um das zu ändern. Zuschüsse zur Betriebsrente für Geringverdiener wären schön und gut. Fürs Alter zu sparen und dabei Geld vom Lohn abzuknapsen, muss sich aber wirklich lohnen. Und das geht nur, wenn die Bundesregierung die Arbeitgeber stärker einbindet. Diese sollten verpflichtet sein, ihre Sozialabgaben, die sie bei den Einzahlungen für die spätere Betriebsrente sparen, in die betriebliche Altersvorsorge ihres Arbeitnehmers zu stecken. Auch der volle Beitrag für die Kranken- und Pflegekasse muss weg, der für gesetzlich Krankenversicherte bei der Auszahlung vieler Betriebsrenten und Direktversicherungen fällig wird.

Hier hat sich die Bundesregierung weggeduckt, wie bei der Riester-Rente. Nach wie vor sind die Kosten bei vielen Verträgen zu hoch. Nur etwa ein Drittel der Riester-Sparer schöpft die staatliche Förderung voll aus, ohne dass politisch gegengesteuert wird. Dabei gibt es eine Alternative. Nötig wäre ein einfaches, kostengünstiges, standardisiertes Vorsorgeprodukt.

Man sollte sich jedoch nichts vormachen: Selbst wenn die Regierung nachbessert, wird sie viele Menschen wie etwa Dauer-Hartz-IV-Empfänger und leider auch viele Flüchtlinge nicht vor der Altersarmut bewahren können.

Die Rentenversicherung beruht auf Leistung und Gegenleistung, sie ist keine Armutsbekämpfungsagentur. Wer die Misere an der Wurzel bekämpfen will, muss viel früher ansetzen und mehr Geld in Bildung, Schulen, Sozialarbeiter und Erzieher stecken. Eine gute Ausbildung, ein ordentlicher Berufsabschluss sind immer noch der beste Schutz gegen Altersarmut.

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