Rentenbesteuerung:Sozialdemokraten in Erklärungsnot

Rentenbesteuerung: Die Steuererklärung wird auch bei immer mehr Rentnern fällig.

Die Steuererklärung wird auch bei immer mehr Rentnern fällig.

(Foto: Hans-Jürgen Wiedl/dpa)
  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht keinen dringenden Handlungsbedarf beim Thema Rentenbesteuerung.
  • Ausgerechnet zwei SPD-Minister lehnen es ab, der möglichen Ungerechtigkeit bei der Rentenbesteuerung nachzugehen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Hendrik Munsberg, München

Die Minister für Finanzen sowie Arbeit und Soziales, Olaf Scholz und Hubertus Heil (beide SPD) wollen trotz der neuen, heftigen Kritik die gängige Rentenbesteuerung nicht überprüfen. Natürlich schaue sich der Minister immer alles an, sagte ein Sprecher von Scholz am Freitag in Berlin. Im Falle der Kritik an der Art und Weise, wie deutsche Finanzbehörden die Renten von Millionen Bundesbürgern besteuern, sieht der Minister aber keinen dringenden Handlungsbedarf. "Ein Richter hat sich in einem Aufsatz dazu geäußert", sagte der Sprecher. Dagegen stehe, dass die Regeln zur Rentenbesteuerung, die dazu vorliegen, bereits mehrmals als "verfassungskonform" bestätigt worden seien. Das Arbeitsministerium schloss sich dieser Einschätzung an.

Dass es ausgerechnet zwei Minister der SPD sind, die es ablehnen, möglichen Ungerechtigkeiten bei der Rentenbesteuerung nachzugehen, ist überraschend. Die SPD hatte zuletzt dafür gekämpft, eine Grundrente durchzusetzen. Aus Ministeriumskreisen verlautete, man werde selbstverständlich die neue Sachlage aufbereiten. Im Finanzministerium gebe es Berechnungen aus den Jahren 2016/17, wonach die Rentenbesteuerung rechtens sei. Diese würden jetzt noch einmal angeschaut.

Der neue Vorwurf, wonach die geltende Rentenbesteuerung teilweise doch verfassungswidrig ist, kommt von Egmont Kulosa. Der Richter am Bundesfinanzhof in München ist zuständig für das Fachgebiet "Alterseinkünfte und -vorsorge". Zugleich sind Zweifel bekannt geworden, die der Rentenexperte Bert Rürup bereits 2007 eingestanden hat.

Der Brandbrief, den Rürup an die damaligen SPD-Minister Peer Steinbrück (Finanzen) und Franz Müntefering (Arbeit und Soziales) schickte, trägt das Datum 20. Juli 2007. Für Scholz ist das aus heutiger Sicht womöglich ein Segen. Denn am 21. November desselben Jahres übernahm Scholz von Müntefering das Arbeitsministerium. Hätten also Rürup und sein Co-Autor Herbert Rische nur vier Monate später ihren Brief aufgesetzt, hätten sie ins Adressfeld "Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn Olaf Scholz" schreiben müssen; Herbert Rische, übrigens, war damals Chef der Rentenversicherungsanstalt BfA.

Die Anhebung des Rentenalters soll die Besteuerung verändert haben

Rürup ist in dem Schreiben sehr deutlich. Zwar hatte er selbst der Kommission angehört, die im März 2003 in einem Abschlussbericht die Blaupause für die 2005 reformierte Rentenbesteuerung vorgelegt hatte. Doch jetzt warnte er eindringlich, die "dieser Empfehlung zugrunde liegenden ökonomischen Rahmenbedingungen" seien "in Teilen zwischenzeitlich obsolet geworden". Deshalb verstoße "die Übergangsregelung des Alterseinkünftegesetzes" nun "in erheblichem Umfang gegen das Verbot der Zweifachbesteuerung". Eine Änderung sei "daher aus unserer Sicht erforderlich".

Was aber hatte sich so grundlegend geändert von 2003 bis 2007? Rürup zufolge waren das vor allem die am 20. April 2007 beschlossene Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre bis 2031. Dadurch zahlen Rentner bis zu zwei Jahre länger Beiträge, zugleich beziehen sie bis zu zwei Jahre weniger Rente. Beides verschlechtere die Grunddaten für die Berechnung etwaiger Doppelbesteuerung. Hinzukämen, heißt es weiter, "aktualisierte Annahmen zur Entgeltentwicklung und darauf aufbauende Schätzungen zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung".

Als Anhang ist dem Brief eine umfängliche "Stellungnahme zum Problem der Zweifachbesteuerung im Alterseinkünftegesetz" hinzugefügt, samt Fußnoten und Tabellen. Der Stoff ist eine hochkomplexe Kreuzung aus Steuer- und Rentenlatein - schwer verdauliche Kost für jeden Bundesminister.

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