Rente:Später ist besser

In der Wirtschaftspolitik bringt die schwarz-gelbe Koalition kaum etwas zustande. Das könnte sich nun ändern, denn sie will die Zuverdienstmöglichkeiten für Rentner verbessern. Das ist richtig - und passt zum Konzept der Rente mit 67.

Marc Beise

Die schwarz-gelbe Koalition ist so sehr mit der Rettung des Euro beschäftigt, dass sie in der Wirtschaftspolitik bisher wenig zustande gebracht hat. Wer wirkliche Reformen benennen will, womöglich mutig gegen den Zeitgeist durchgesetzt, muss zurück bis zur großen Koalition aus Union und SPD blicken (Rente mit 67) oder sogar bis in die Regierungszeit des rot-grünen Kanzlers Gerhard Schröder (Agenda 2010, Hartz IV). Alle diese Maßnahmen waren notwendig, sind aber bis heute unpopulär. Seit die SPD in der Opposition ist, vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Genosse versucht, von den alten Beschlüssen herunterzukommen.

Rentner - höhere Zuverdienstgrenzen

Die Rentner sollen künftig bessere Zuverdienstmöglichkeiten haben.

(Foto: dpa)

Das schlechte Image der Sozialreformen hängt auch damit zusammen, dass sie nicht als Teil eines Gesamtkonzepts zu erkennen waren. So wurden sie von den Bürgern von Anfang an als Bedrohung verstanden, man sah nur die Beschwernisse, nicht die Chancen. Beispiel Rente: Weil viele Arbeitnehmer im Betrieb gar nicht die Chance bekommen, bis zum regulären Rentenalter zu arbeiten, liegt der tatsächliche Rentenbeginn bei gut 62 Jahren; eine Verlängerung des Rentenalters ist damit faktisch eine Rentenkürzung. Hier will die Koalition nun nachbessern - endlich.

Wer früher geht, wird künftig ordentlich dazu verdienen können; die Einzelheiten sind noch in der Planung. Bisher geht das nur bis 400 Euro, in Zukunft vielleicht bis zur Höhe des bisherigen Bruttoeinkommens.Ob die Neuregelung reicht, das Image der Rentenreform zu drehen, ist fraglich. Wenn ein Thema in der öffentlichen Wahrnehmung erst einmal negativ besetzt ist, wird die Neuorientierung zum Kraftakt.

Namentlich die Rente gehört zu den wunderlichsten Themen der deutschen Wirtschaftspolitik. Schon die Ankündigung einer Nullrunde in schlechten Jahren oder einer kleinen Rentenerhöhung in guten Jahren elektrisiert die Menschen. Die Verlegung des Rentenalters gilt vielen Deutschen immer noch als Akt des Teufels - obwohl die Umsetzung über viele Jahre bis 2029 gestreckt wird; schonender geht's kaum.

Dabei sind die Fakten selten so offensichtlich wie bei dieser Frage. Im Umlageverfahren finanzieren die Arbeitnehmer von heute über den Rentenbeitrag, der vom Bruttogehalt abgezogen wird, die Arbeitnehmer von gestern, also die Rentner. Das hat locker funktioniert, als drei Arbeitnehmer auf einen Rentner kamen. Heute aber kommen wegen der höheren Lebenserwartung und der schrumpfenden Geburtenzahlen zwei Arbeitnehmer auf einen Rentner, und irgendwann heißt es dann eins zu eins.

Mehr Freiheit für den Arbeitnehmer

Wer die Rentenkasse nicht dauerhaft zum milliardenschweren Zuschussbetrieb machen will, muss entweder die Beiträge erhöhen - oder die Renten senken. Oder - und das ist doch, sollte man meinen, ein genialer Schachzug - das Renteneintrittsalter verlängern. Arbeitnehmer zahlen länger ein, die Rente läuft kürzer.

Zumal diese Veränderung wundersamerweise zur biologischen Uhr der deutschen Gesellschaft passt. Die Menschen werden älter und bleiben im Schnitt länger fit. Ein Arbeitnehmer ist heute mit 65 nicht unbedingt ausgelaugt. Nichts spricht deshalb dagegen, dass er länger arbeitet - bei seinem bisherigen Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Lebensarbeitszeit - oder als Frührentner.

Man kann sich fragen, was nun gilt: Sollen die Menschen nun länger arbeiten oder nicht? Wird womöglich gar die unselige Frühverrentung auf Kosten der Allgemeinheit wieder eingeführt? Die Antwort lautet: Nein. Denn anders als bisher hat der Einzelne es bald in der Hand: Er kann bei seiner Firma bleiben - oder er geht früher in Rente und sucht sich etwas Neues. In beiden Fällen wachsen angesichts der demographischen Entwicklung die Chancen, der Jugendkult ist längst auf dem Rückzug. Kurz: Der Arbeitnehmer gewinnt mehr Freiheiten. Das ist Marktwirtschaft.

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