Rente:Meister des Verdrängens

Geld, Gesundheit, soziale Kontakte. Diese drei Dinge wünschen sich Menschen fürs Alter. Aber die Sorge ist groß, dass ihnen genau das fehlen wird. Je nach Typ planen sie die Rente ganz unterschiedlich.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn es um das zukünftige Dasein als Rentner geht, sind viele Menschen, die noch in der Mitte ihres Lebens stehen, Meister im Verdrängen. Wird dann doch mal aufs eigene Alter geschaut, kommen viele Ängste hoch. Das zeigt eine Studie des Sinus-Instituts im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Demnach befürchten viele der 20 Millionen 40- bis 55-Jährigen nicht nur, den gewohnten Lebensstandard im Ruhestand nicht halten zu können.

Wenn Menschen sich vorstellen, wie ein schönes Leben im Alter aussehen soll, sind ihnen drei Dinge wichtig: Geld, Gesundheit und soziale Kontakte. Danach befragt, wie ihr Leben mit 75 aussehen könnte, befürchten aber viele Rentner von morgen, dass ihnen genau das fehlt.

1000 repräsentativ ausgewählte Menschen im Alter von 40 bis 55 Jahren befragten die Forscher vom Sinus-Institut. Nur bei knapp einem Fünftel sind die Erwartungen an die Zukunft überwiegend positiv. 58 Prozent der Befragten rechnen damit, in mindestens einem der drei Lebensbereiche Gesundheit, Finanzen und soziale Kontakte Probleme zu bekommen. Gut ein Viertel sieht sogar in zwei Bereichen Schwierigkeiten. "Wenn die Befürchtungen dieser Menschen sich bewahrheiten, entsteht hier eine große Problemgruppe", sagt Silke Borgstedt, Direktorin Sozialforschung am Sinus-Institut. Hier polarisierten sich einzelne Gruppen. "Mit Blick auf ihre Zukunftserwartungen leben die Menschen teilweise in ganz unterschiedlichen Welten", glaubt die Forscherin.

Am verbreitetsten ist die Angst vor einem mehr oder weniger großen Abbau der Gesundheit. Diese haben mehr als 90 Prozent der 40 bis 55-Jährigen. Drei von Vier befürchten, im Alter einsam zu sein. 37 Prozent der 40- bis 55-Jährigen haben große Angst vor der Altersarmut - die allermeisten in dieser Gruppe haben ein Haushaltseinkommen von weniger als 3000 Euro.

Wie aber gehen die Menschen mit den Zukunftssorgen um, die in ihnen schlummern? Das ist für die Experten vom Sinus-Institut eine Typ-Frage. Nach deren Erkenntnissen gibt es bei den Rentnern von morgen fünf Modelltypen, die teilweise Welten unterscheiden:

Travel Destination: Heligoland Island

Ein Mann auf Helgoland.

(Foto: Sean Gallup/ Getty Images)

Die Altersstrategen: So wie sie Apfelbäume pflanzen im Vertrauen darauf, in 15 Jahren große Bäume zu haben, planen sie bewusst den Ruhestand vor. Sie verfügen bereits über ein überdurchschnittliches Einkommen und arbeiten daran, dass es ihnen auch im Alter finanziell gut geht. Sie freuen sich darauf, im Ruhestand weniger arbeiten zu müssen und für ihre Gesundheit und ihre Beziehungen zu anderen Menschen mehr tun zu können. Ihr Anteil an den 40- bis 55-Jährigen: Zwölf Prozent.

Die Abenteurer: Sie glauben, dass man immer wieder von vorne anfangen kann, auch mit 70 im Jahr 2040. Diese Zukunftsentdecker sind oft sehr gut ausgebildet, verdienen gut, planen aber kaum fürs Alter - sie machen sich darum ja auch weniger Sorgen und legen weniger Wert auf familiäre Bande (Anteil: 28 Prozent).

Die Engagierten: Wenn sie ans Alter denken, freuen sie sich auf ihre Enkel. Sie helfen ihren Eltern im Alter, erwarten aber umgekehrt, falls nötig, auch von ihrer Familie gepflegt zu werden. Obwohl sie sich für den neuen Lebensabschnitt vorbereiten, haben sie Angst, dass die eigene Vorsorge nicht reicht (Anteil: 17 Prozent).

Die Besorgten: Fast die Hälfte in dieser Gruppe sind starke Pessimisten, viele haben eine niedrige Bildung. Sie fürchten später, mit ihrem Alterseinkommen in Richtung Armutsgrenze abzurutschen, was nicht überraschend ist: Sie haben heute bereits oft körperliche oder finanzielle Probleme. Ein schönes Familienleben im Ruhestand hätten sie schon gern, haben aber große Zweifel, ob sich dieser Wunsch erfüllt (Anteil: 25 Prozent).

Die Relaxten: Sie leben voll in der Gegenwart, machen um ihr zukünftiges Dasein als Rentner kein großes Gewese. Motto: Das Beste aus dem machen, was kommt. Sie können sich sogar vorstellen, später in einem Altenheim zu leben, wenn ihnen auch die Alters-WG oder das Mehrgenerationenhaus lieber wäre (Anteil: 18 Prozent).

Rentner

SZ-Grafik; Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft

Egal um welchen Typ es sich handelt, auffällig ist, dass laut Sinus-Institut viele der erwarteten Probleme mit der heutigen Lebenssituation zu tun haben. Menschen, die zum Beispiel wenig Sport treiben, "machen sich Sorgen um ihre Gesundheit von morgen", sagt Sozialforscherin Borgstedt. Wer sich heute nicht um Freunde und Familie kümmere, sehe sich im Alter eher einsam. Und wer nicht spart oder sparen könne, fürchte um seine finanzielle Sicherheit.

Diese Kluft zwischen Einsicht und Verhalten kennt jeder. Verhaltensforscher begründen sie damit, dass Menschen einen natürlichen Hang haben, aktuelle Bedürfnisse schnell zu befriedigen, sich lieber sofort als später zu belohnen und unangenehmen Themen aus dem Weg zu gehen - erst recht, wenn sie wie die eigene Altersvorsorge komplex und fremd sind.

Die "Aufschieberitis" zu ändern, gelingt jedoch am besten, wenn man sich nicht zu viel auf einmal vornimmt. So sieht es jedenfalls die Psychotherapeutin Margarita Engberding, die sich an der Uni Münster mit dem Phänomen befasst hat. Sie empfiehlt, klein anzufangen, Einzelschritte zu planen und sich konkrete Ziele oder Fristen zu setzen, egal ob es um den regelmäßigen Anruf bei Freunden geht, einen Apfel am Tag zu essen, zu joggen oder 50 Euro im Monat zurückzulegen. Dabei helfe es, wenn man nicht allein ist: "Auch die soziale Kontrolle einer Gruppe hilft und motiviert, die Vorsätze umzusetzen", sagt Engberding.

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