Rente:Junge Leute kümmern sich nicht genug um ihre Rente

Jugendliche tanzen. An die Rente denken sie nicht.

Die junge Menschen sollten mehr für ihre Rente tun, rät der Vorsorgeatlas. Foto:

(Foto: Zoltan Balogh/dpa)
  • Eine Studie zeigt: Die gesetzliche Rente wird bei vielen nicht mehr zur Sicherung des Lebensstandards reichen.
  • Dennoch steckt ein großer Teil der jungen Generation kein Geld in die Vorsorge - lieber kümmern sie sich um den Vermögensaufbau.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Bernd Raffelhüschen lässt gerne einen lockeren Spruch ab, wenn er zu seinem beruflichen Lebensthema Altersvorsorge referiert. Etwa den hier: "Die Rente ist erledigt", kalauerte der Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg am Dienstag mit einem Grinsen im Gesicht. Denn er meinte das im Sinne von: Das Problem sei gelöst. "Die Zahlen belegen die Stabilität des Vorsorgesystems, grundlegende Veränderungen sind nicht erforderlich", sagte Raffelhüschen bei der Vorstellung des Vorsorgeatlas, der in verschiedenen Farben für ganz Deutschland die Höhe der Renten aufdröselt.

Als wichtigster Grundpfeiler der Altersvorsorge gilt weiter die gesetzliche Rente. Die 20,8 Millionen Rentner erhalten derzeit eine monatliche Rente von im Durchschnitt gut 1000 Euro. Doch vielen reicht die Rente nicht, vor allem, wenn sie alleine leben und keine weiteren Einkünfte haben. Für eine Sicherung des Lebensstandards benötige man im Alter mindestens 60 Prozent des letzten Monatseinkommens, rechnet Raffelhüschen vor. Private Vorsorge sei also notwendig. Vor allem jüngere Arbeitnehmer sollten privat mit der Riester-Rente, über den Betrieb oder mit Geldanlagen in Aktienfonds und Immobilien fürs Alter vorsorgen, empfiehlt er.

Wie brisant die Lage für die kommenden Generationen sein kann, zeigen folgende Zahlen: Die heute 50- bis 64-Jährigen erhalten im Schnitt noch 64,1 Prozent des letzten Bruttoeinkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung - bei den heute 20- bis 35-Jährigen liege der Betrag nur noch bei 38,6 Prozent, so das Ergebnis der Berechnungen im Vorsorgeatlas. Sie benötigten etwa 800 Euro zusätzlich pro Monat.

Viele junge Bürger unterschätzen das Problem, so eine Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment, die den Vorsorgeatlas in Auftrag gab. Die Deutschen würden lieber für einen Notgroschen und den Vermögensaufbau sparen, als Geld in die Altersvorsorge zu stecken. "Entscheidend ist, dass die Möglichkeiten insbesondere der privaten Vorsorge genutzt werden. Wer das beherzigt, ist im Alter gut versorgt", sagte Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment.

Geringverdienern droht Altersarmut

Die Studie zeigt, dass sich privates Sparen lohnen kann. Unter Berücksichtigung der Einkünfte aus privater und betrieblicher Altersvorsorge erhöhen die heute 20- bis 35-Jährigen ihren durchschnittlichen Rentenanteil des letzten Bruttoeinkommens von 38,6 auf 69 Prozent. Über alle Altersgruppen verteilt, steigt die Rente auf 82,6 Prozent des Bruttoeinkommens.

Die Höhen dieser Quoten sagen für sich allein genommen relativ wenig über den Alterswohlstand aus: Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 1100 Euro brutto kommen im Ruhestand den Berechnungen zufolge zwar auf rund 70 Prozent des letzten Gehaltes. Sie erhalten im Schnitt aber nur 679 Euro monatlich und liegen damit dann unterhalb der Armutsgrenze.

Die prognostizierten Renteneinkommen im Vorsorgeatlas beziehen sich auf bundesweite Durchschnittswerte in aktueller Kaufkraft. Die tatsächlichen Auszahlungsbeträge könnten - je nach Inflation - höher sein. Raffelhüschen sagte, viele Angebote zur Riester-Rente seien besser als ihr Ruf. Gerade weniger vermögende Familien könnten davon profitieren. Allerdings komme es auf die richtige Auswahl des Produkts an. Das sei nicht einfach, gebe es doch mehr als 1000 Angebote auf dem Markt. Häufig nähmen Sparer auch nicht den vollen staatlichen Förderbetrag in Anspruch, was die Rendite mindere. Der Finanzwissenschaftler sagte, die Deutschen müssten von 2030 an länger arbeiten, um eine ausreichende Rente zu erhalten.

Die Bundesbank fordert Prognosen zur Rentenentwicklung bis 2060

Auch die Bundesbank hatte im vergangenen Jahr in einem Monatsbericht gefordert, das gesetzliche Renteneintrittsalter sukzessive bis 2060 auf 69 Jahre anzuheben. Man solle damit im Jahr 2030 beginnen, indem in Stufen von durchschnittlich einem Dreiviertelmonat pro Jahr das Renteneintrittsalter auf 69 Jahre erhöht wird. "So würden erstmals im Jahr 2064 Personen im Alter von 69 Jahren (Geburtsjahrgang 1995) in Rente gehen", so die Bundesbank. Derzeit liegt die gesetzliche Regelaltersgrenze für den Renteneintritt bei 65 Jahren und sechs Monaten. Sie wird schrittweise bis 2031 auf 67 Jahre erhöht.

Die Bundesbank forderte die Bundesregierung dazu auf, offizielle Prognosen zur Rentenentwicklung vorzulegen. Die sollten dann bis 2060 reichen. Das stärke die "Planungssicherheit" für die Bürger und gebe "Orientierungsgrößen für den Bedarf ergänzender Vorsorge". Bislang reichen die Prognosen nur bis zum Jahr 2030. Eigentlich wäre es an der Zeit, die Weichen neu zu stellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor der Bundestagswahl verkündet, dass es in der kommenden Legislaturperiode keine Rentenreform geben werde. "Wir brauchen jetzt eine Stärkung der gesetzlichen Rente nach österreichischem Vorbild und ein Rentenniveau von 53 Prozent", sagte der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias Birkwald. Alles andere sei Augenwischerei und Lobbyarbeit für die Versicherungswirtschaft.

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