Süddeutsche Zeitung

Alter:Ruheständler können auf weiter steigende Renten hoffen

Die Rentenkassen trotzen den Krisen: Sie profitieren von der Zuwanderung und vom boomenden Arbeitsmarkt. Die erwarteten Steigerungen liegen allerdings deutlich unter der aktuellen Inflation.

Von Roland Preuß

Die gut 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland können für die kommenden Jahre mit weiter deutlich steigenden Renten rechnen. Die Situation der Rentenkassen habe sich "günstiger entwickelt hat als wir das prognostiziert haben", sagte die Bundesvorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), Anja Piel, am Mittwoch bei einem Vortrag in Würzburg. Die gesetzliche Rente erweise sich trotz der Krisen der vergangenen Jahre, der Corona-Pandemie, der stark steigenden Energiepreise und weiterer Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine, als robust.

Piel verwies auf den aktuellen Entwurf des Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung, in dem eine Rentenanpassung zum 1. Juli nächsten Jahres erwartet wird - in Höhe von etwa 3,5 Prozent in Westdeutschland und gut 4,2 Prozent im Osten. Der Planung zufolge sollen die Renten bis zum Jahr 2036 durchschnittlich um 2,6 Prozent pro Jahr steigen. Das sind insgesamt fast 43 Prozent. Die für 2023 geschätzte Steigerung wäre allerdings niedriger als der außergewöhnlich starke Anstieg im Juli dieses Jahres (5,35 Prozent im Westen und 6,12 Prozent im Osten). Im Abgleich mit der Preissteigerung von derzeit 10,4 Prozent bedeutet dies zudem einen Verlust an Kaufkraft. Die Daten für 2023 sind vorläufig, Sicherheit gibt es erst im kommenden Frühjahr.

Eigentlich sind die Rentenprognosen oft düster

In den vergangenen Jahren hatte es wiederholt eher düstere Prognosen zu den künftigen Renten und der Höhe des Beitragssatzes gegeben, weil aufgrund der Alterung der Bevölkerung immer weniger Beschäftigte für immer mehr Ruheständler aufkommen müssen. Fachleute mahnen deshalb rentenpolitische Korrekturen an, etwa eine weitere Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, das derzeit schrittweise auf 67 Jahre steigt.

Der Beitragssatz der Beschäftigten indes kann erst einmal stebail bleiben bei 18,6 Prozent. Voraussichtlich "noch bis Ende 2026 gesichert" so diese Quote gesichert, sagte Piel. Der Beitragssatz ist der Anteil, der vom monatlichen Bruttolohn für die Rentenversicherung abgeführt wird. Er wird je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gezahlt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuvor gesagt, es sei - entgegen vieler Prognosen - gelungen, den Beitragssatz länger als erwartet stabil zu halten. Gerade in der aktuellen Kostenkrise sei es eine gute Nachricht, "dass sich arbeitende Menschen darauf verlassen können, dass der Beitragssatz nicht steigt". Bei der Rentenreform werde man weiterhin auch auf die Entwicklung der Beiträge achten.

Auch Kurzarbeit hilft der Rentenkasse

Bleibt die Frage: Wieso ist die Rentenkasse so stabil - trotz der Krisen? "Wir sind Spiegelbild des Arbeitsmarktes - und wir haben einen Rekord bei der versicherungspflichtigen Beschäftigung", sagte DRV-Präsidentin Gundula Roßbach. Es zahlen also deutlich mehr Menschen in die Rentenkasse ein als erwartet. Dies geht laut Rentenversicherung stark auf die Zuwanderung nach Deutschland zurück, wobei die Geflüchteten aus der Ukraine noch nicht berücksichtigt sind. In der Krise sei insbesondere das Kurzarbeitergeld entscheidend gewesen, sagte Roßbach. Im Rahmen dieser Hilfen zahlt der Staat auch Rentenbeiträge weiter. Selbst in der Corona-Zeit habe die Rentenversicherung gut fünf Prozent mehr Pflichtbeiträge verzeichnet, sagte Roßbach.

Weitere Hoffnung schöpfen können Rentner durch die Entwicklung der Löhne. Hier erwartet die DRV in den kommenden Jahren deutliche Zuwächse. Der Entwurf des Rentenversicherungsberichts rechnet mit etwa fünf Prozent für 2023 und 2024. Dies wirkt sich positiv auf die Höhe der Renten aus, weil diese an die Lohnentwicklung gekoppelt sind. Das Rentenniveau, das derzeit bei etwa 48,1 Prozent liegt, soll bis 2024 knapp oberhalb von 48 Prozent bleiben. Der Wert drückt das Verhältnis der Rente zu den Löhnen und somit die Absicherungskraft der Rente für die Ruheständler aus. Gesetzlich ist ein Absinken des Niveaus unter 48 Prozent bis 2025 ausgeschlossen. Danach allerdings würde es nach heutigem Stand unter diese Marke rutschen.

Eine weitere Erklärung für die üppig fließenden Einnahmen der Rentenversicherung ist, dass mehr Menschen durch zusätzliche Beiträge einen früheren Ruhestand vorbereiten. Das heißt, sie nutzen die Möglichkeit, durch zusätzliche Beiträge Abschläge auszugleichen, die fällig werden, wenn man vorzeitig in Rente geht. "Viele Versicherte haben dies offenbar als attraktive Alternative zu privaten Formen der Altersvorsorge wahrgenommen", sagte Piel. Die Rentenversicherung habe hier in den ersten neun Monaten um ein Viertel höhere Beiträge verzeichnet als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5691675
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.