Abgaben:Jeder vierte Rentner zahlt Einkommensteuer

Abgaben: Wer geglaubt hat, als Rentner nie wieder etwas mit dem Finanzamt zu tun haben zu müssen, könnte sich noch wundern.

Wer geglaubt hat, als Rentner nie wieder etwas mit dem Finanzamt zu tun haben zu müssen, könnte sich noch wundern.

(Foto: Val Vesa/Unsplash)
  • Noch immer sind manche Neu-Rentner überrascht, dass sie womöglich Steuern zahlen müssen. Mehr als jeder Vierte ist betroffen, zeigen neue amtliche Zahlen.
  • In Zukunft wird die Zahl steigen. Grund dafür ist ein Systemwechsel: Renten werden zunehmend bei der Auszahlung statt bei der Einzahlung besteuert.
  • Auf das ganze Leben gesehen, zahlen dadurch viele Menschen weniger. Andere werden jedoch doppelt belastet, warnen Experten.

Von Henrike Roßbach

In den vergangenen Monaten konnte man beinahe glauben, die Rente existiere als politisches Thema nur noch in Gestalt der Grundrente. Kein anderes sozialpolitisches Thema geisterte derart ausdauernd durch die politische Landschaft. Am Mittwoch aber hat das Statistische Bundesamt einem anderen rentenpolitischen Aspekt zu Aufmerksamkeit verholfen: Erstmals veröffentlichten die Statistiker, wie groß der Anteil einkommensteuerpflichtiger Rentner an allen Rentnern ist. Das Ergebnis dieser Auswertung der Daten aus den sogenannten Rentenbezugsmitteilungen: Im Jahr 2015 mussten hierzulande 27 Prozent der Rentner - also mehr als jeder Vierte - Einkommensteuer ans Finanzamt abführen. In absoluten Zahlen waren das 5,8 Millionen der insgesamt 21,2 Millionen Empfänger einer gesetzlichen, privaten oder betrieblichen Rente. Gemessen am finanziellen Volumen aller ausgezahlten Renten ist der Anteil, der besteuert wurde, etwas geringer: Von den ausgezahlten 278 Milliarden Euro fielen 43,4 Milliarden Euro oder 16 Prozent unter die Steuerpflicht. Nach Angaben des Finanzministeriums sind Rentenbezieher häufig deshalb steuerbelastet, weil sie selbst oder ihre Partner noch weitere Einkünfte haben.

In Zukunft aber wird der Anteil steuerpflichtiger Rentner noch steigen. Hintergrund ist das Alterseinkünftegesetz, das noch Rot-Grün beschlossenen hat, als Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es sieht den Umstieg von der vorgelagerten auf die sogenannte nachgelagerte Besteuerung in der Rente vor. Das bedeutet, dass Rentenbeiträge nach und nach steuerfrei gestellt und im Gegenzug die Renten in der Auszahlungsphase zunehmend steuerlich belastet werden.

Der Umstellungsprozess allerdings ist ein sehr langsamer: Seit 2005 werden die Rentenbeiträge Schritt für Schritt von der Steuer freigestellt; ab 2025 werden sie komplett steuerfrei sein. Gleichzeitig wachsen mehr Rentner in die Besteuerung der Alterseinkünfte hinein. Dabei gilt: je später der Rentenbeginn, desto größer der steuerpflichtige Anteil der Bruttorente. Wer bis 2005 in Rente ging, für den gilt die alte Regelung, nach der nur 50 Prozent der Ausgangsrente als zu versteuerndes Einkommen zählen; der absolute Freibetrag bleibt allerdings fix, auch wenn die Rente später steigt. Spätere Rentner haben schon einen höheren steuerpflichtige Anteil. Wer etwa 2018 in Rente ging, muss 76 Prozent seiner Rente versteuern, von 2040 an liegt der Anteil für Neurentner bei 100 Prozent.

Manche Rentner ahnen nicht, dass sie womöglich Steuern zahlen müssen

Tatsächlich Steuern zahlen müssen Rentner natürlich nur, wenn sie mit ihren zu versteuernden Alterseinkünften über der Freibetragsgrenze liegen. Die aber rückt für viele nicht nur wegen der nachgelagerten Besteuerung näher, sondern auch wegen der Rentensteigerungen. Wer geglaubt hat, als Rentner nie wieder etwas mit dem Finanzamt zu tun haben zu müssen, wird sich womöglich noch wundern.

So schwierig für manche Ältere die ungeahnte Steuerpflicht auch sein mag: Nach Angaben der Rentenversicherung kann die Umstellung der Rentenbesteuerung über das gesamte Leben betrachtet oft günstiger sein als das frühere Modell. Denn die steuerliche Belastung ist in der aktiven Arbeitsphase in der Regel höher als später, in der Rente. So sieht es auch Markus Kurth, Rentenexperte der Grünen im Bundestag. Besteuert werde künftig der Lebensabschnitt mit dem niedrigeren Einkommen, sagt er. Außerdem wachse die Besteuerung langsamer an als die Entlastung. Dieser "Puffer" solle dafür sorgen, dass es "möglichst wenige Fälle" von Doppelbesteuerung" gebe.

Doch es gibt sie. Wer etwa vor der Umstellung der Rentenbesteuerung sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, danach aber bis zur Rente immer selbständig war, hat nie von der Entlastung profitiert - und muss seine Angestelltenrente später dennoch versteuern. Experten wie der Finanzmathematiker Werner Siepe sehen durchaus ein wachsendes Doppelbesteuerungsproblem für künftige Rentner.

Kleine Rentenerhöhungen könnten zu großen Steuersprüngen führen

Ähnlicher Meinung wie Kurth ist Johannes Vogel, rentenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Beschäftigte hätten durch die nachgelagerte Besteuerung den Vorteil, "dass sich Rentenbeiträge während des Berufslebens steuermindernd auswirken. Und das Berufsleben dauert in aller Regel länger als der Ruhestand". Allerdings müsse die Bundesregierung "zwingend aufpassen", dass es zu keiner verfassungswidrigen Doppelbesteuerung kommt. Ob das gelingt, daran hat Vogel Zweifel und verweist auf die existierende Doppelbelastung von Betriebsrenten durch Krankenkassenbeiträge, auf die die Bundesregierung auch schon nicht reagiere. Außerdem zeige sich bei der Rentenbesteuerung das generelle Problem, "dass Steuerbelastung und Grenzsteuersatz gerade bei den kleinen und mittleren Einkommen in Deutschland im Industrieländervergleich besonders hoch sind". Kleine Rentenerhöhungen könnten zu "krassen Steuersprüngen" führen.

In Zukunft soll die Statistik zur jährlichen Rentenhöhe (siehe Grafik) und dem Anteil steuerpflichtiger Rentner alle zwölf Monate veröffentlicht werden. Allerdings weiterhin mit Verzögerung. Denn die Ergebnisse der Steuerstatistik liegen immer erst dreieinhalb Jahre nach dem jeweiligen Veranlagungsjahr vor.

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