Rente:Die guten Zeiten sind bald vorbei

Auf die Rentenversicherung kommen gigantische Kosten zu. Das liegt an den Vorhaben der Regierung - wie mehr Mütterrente und Grundrente.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Die Deutsche Rentenversicherung steht glänzend da. Weil die Löhne seit Jahren steigen und immer mehr Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Job haben, steigen auch die Beitragseinnahmen. Das Ergebnis: ein Überschuss von rund 500 Millionen Euro im vergangenen Jahr und eine Rentenerhöhung zum 1. Juli von 3,22 Prozent im Westen und 3,37 Prozent im Osten. Trotz des teuren Rentenpakets aus dem Jahr 2014 (Rente mit 63, Mütterrente) hätten sie "beträchtliche finanzielle Reserven" aufbauen können, sagte Alexander Gunkel, Vorsitzender des Bundesvorstands, am Donnerstag in Koblenz bei der Bundesvertreterversammlung der Rentenversicherung.

Insgesamt lagen die Einnahmen im vergangenen Jahr bei 299,5 Milliarden Euro, die Ausgaben bei 298,9 Milliarden. Auch im laufenden Jahr geht es weiter bergauf: Obwohl Anfang des Jahres der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent gesenkt wurde, stiegen die Beitragseinnahmen in den ersten fünf Monaten des Jahres um 4,6 Prozent - stärker, als erwartet. Die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage, mit der sich die Rentenversicherung für wirtschaftlich schlechtere Zeiten wappnet, liegt derzeit bei beruhigenden 33,6 Milliarden Euro, was 1,57 Monatsausgaben der Rentenversicherung entspricht. Für Ende des Jahres werden sogar 34,8 Milliarden Euro vorausgesagt.

Gunkel machte allerdings deutlich, dass diese goldenen Zeiten schon bald vorbei sein könnten. Denn auch die aktuelle große Koalition hat sich diverse rentenpolitische Projekte vorgenommen, die enorme Summe kosten werden. Allen voran: die "Mütterrente II". Wer vor 1992 drei oder mehr Kinder bekommen hat, dem soll nun auch das dritte Erziehungsjahr für die spätere Rente gutgeschrieben werden - genau wie bei allen Eltern mit später geborenen Kindern. Auch die geplanten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente kosten Geld, ebenso die Parität in der Krankenversicherung. Denn wenn künftig Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder zu gleichen Teilen die Krankenkassenbeiträge bestreiten sollen (bislang zahlen Arbeitnehmer den Zusatzbeitrag alleine), trifft das auch die Rentenversicherung: Ihr Anteil an der Krankenversicherung der Rentner steigt.

Das aber sind nur die Vorhaben für dieses Jahr; im kommenden Jahr ist noch mehr geplant, etwa eine Grundrente für Geringverdiener. Ohne all diese neuen Ausgaben, betonte Gunkel, müsste der Beitragssatz nächstes Jahr eigentlich abermals um 0,1 Prozentpunkte sinken; erst nach 2022 würde er dann wieder steigen bis auf 20 Prozent im Jahr 2025. Auch das Nettorentenniveau von 48 Prozent würde erst 2025 unterschritten werden.

Noch stehen viele Details rund um die schwarz-roten Rentenpakete nicht fest. Deshalb sei es nicht möglich, "die Auswirkungen des gesamten Maßnahmenpaketes" abzuschätzen, sagte Gunkel. Er forderte abermals, dass etwa die Mütterrente vom Bund finanziert werden müsste, also über Steuern. Sollten die Kosten dennoch der Rentenversicherung aufgebürdet werden, "wären die negativen Auswirkungen auf unsere Finanzen erheblich".

Konkret bedeutet das: Erstens schmilzt die Nachhaltigkeitsrücklage durch die versprochenen Leistungsausweitungen schneller. Das gesetzliche Minimum von 0,2 Monatsausgaben könnte schon in vier Jahren erreicht werden. Und zweitens würde bereits das erste Rentenpaket, das Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) erklärtermaßen noch vor der Sommerpause schnüren will, dazu führen, dass das Rentenniveau schon 2022 unter 48 Prozent fällt - jene Marke also, die Union und SPD bis 2025 für unantastbar erklärt haben. Um das zu verhindern und zusätzlich auch die zweite geplante Haltelinie nicht vor 2025 zu reißen - den Beitragssatz von höchstens 20 Prozent - wären laut Gunkel "zusätzliche Steuermittel in zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich". Die Bundeszuschüsse allerdings haben ohnehin schon kräftig zugelegt in der Vergangenheit; alleine um im vergangenen Jahr um 3,3 Milliarden auf 67,8 Milliarden Euro.

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