Bundesarbeitsministerium:Rentner bekommen mehr Geld

5,35 Prozent mehr im Westen, 6,12 Prozent im Osten: Es ist der größte Anstieg der Renten seit fast 40 Jahren, ein Überraschungspaket für 21 Millionen Ruheständler - wären da nicht die Preissteigerungen.

Von Roland Preuß

Vielleicht war es geschicktes Erwartungsmanagement, das Hubertus Heil (SPD) schon im Herbst betrieb. Womöglich aber wusste er nicht, was kommt und war deshalb vorsichtig. Jedenfalls dämpfte er Ende November schon die Hoffnung von Rentnern auf die Erhöhung in diesem Jahr. Etwa 4,4 Prozent mehr dürften es werden, sagte der Sozialminister damals, 5,2 Prozent waren prognostiziert worden. Kurz zuvor hatten sich die Ampel-Partner bei den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, den Nachholfaktor wieder einzuführen. Dieser dämpft den Anstieg der Renten, deshalb nur die 4,4 Prozent.

Am Dienstag nun konnte Heil dann doch ein größeres Überraschungspaket für die etwa 21 Millionen Rentner im Land ankündigen: Vom 1. Juli an werden Ruheständler in Westdeutschland 5,35 Prozent mehr Geld bekommen, die Rentner im Osten 6,12 Prozent. Das ist der größte Anstieg seit fast 40 Jahren. Und als freundlicher Überbringer steht da: Hubertus Heil.

"Das ist eine gute Nachricht für die Menschen, die durch ihre Arbeit jahrelang den Laden am Laufen gehalten haben", erklärte der Bundesarbeitsminister. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen - sei es durch steigende Preise oder die internationale Krisenlage - sei es "wichtig, zu sehen, dass unser Rentensystem funktioniert". Die Nachricht kommt sicher nicht ungelegen in einem Jahr, in dem in vier Bundesländern gewählt wird. Kommenden Sonntag nämlich im Saarland, dann in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und im Herbst in Niedersachsen.

Wie kommt es zu diesem üppigen Anstieg? Die Rentenformel ist etwas für Fachleute mit mathematischem Tiefeninteresse, die Materie ist kompliziert. Laut Sozialministerium liegt der Erhöhung vor allem die gute Lohnentwicklung der Vergangenheit zu Grunde, die mit 5,8 (West) und 5,3 Prozent (Ost) laut Sozialministerium ähnlich üppig ausgefallen ist. Hier allerdings fließt auch das staatlich finanzierte Kurzarbeitergeld mit ein, das im vergangenen Jahr Millionenfach in Anspruch genommen wurde. Damit wurde die positive Entwicklung der Löhne unterstützt.

Wegen der Preissteigerungen relativiert sich der Anstieg

Ohne den Nachholfaktor wäre das Plus für die Ruheständler sogar noch größer ausgefallen. Wie viel höher konnte das Sozialministerium am Dienstag nicht beziffern. Im Herbst hatte Heil noch mit einer Differenz von 0,8 Prozent gerechnet. Die FDP hatte den Korrekturfaktor in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Dieser Faktor hatte bis 2018 gegolten, die große Koalition hatte ihn dann aber ausgesetzt. Seine Reaktivierung, die noch per Gesetz umgesetzt werden muss, dämpft nun die Rentenerhöhung.

Hintergrund ist, dass es im vergangenen Jahr trotz eines Einbruchs der Löhne und der Einnahmen für die Rentenkasse wegen der Corona-Pandemie keine Rentenkürzung gab, weil eine gesetzliche Rentengarantie gilt. Stattdessen gab es eine Nullrunde für Rentner. Dies wird nun mit dem Nachholfaktor ausgeglichen, indem es auf die Erhöhung angerechnet wird. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde in Kürze auf den Weg gebracht, hieß es aus Heils Ministerium.

Von dem Zuwachs für Rentner können viele Beschäftigte angesichts niedrigerer Tarifabschlüsse nur träumen. Allerdings relativiert sich der Anstieg auch mit Blick auf die derzeitige Preissteigerung. Vorvergangene Woche hatte das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Verbraucherpreise im Februar um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat festgestellt, im Januar hatte er noch bei 4,9 Prozent gelegen. Die Preissteigerung frisst die Erhöhung demnach gerade weitgehend auf, bei einer weiter zunehmenden Teuerung könnten die Ruheständler sogar im Minus landen.

Es gibt bei den Rentenerhöhungen eine seltene Übereinstimmung zweier Akteure

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung kam in einer Berechnung vom Februar zu dem Ergebnis, dass die allgemeine Preissteigerung Alleinstehende mit geringem Einkommen - wie es viele Rentnerhaushalte sind - weniger stark trifft als etwa Paare mit Kindern. Der Grund: Diese Menschen könnten sich viele Waren und Dienstleistungen, deren Preise stark zugelegt haben, nicht leisten. Der weitere Anstieg der Energiepreise im Zuge des Ukraine-Krieges war dabei jedoch noch nicht berücksichtigt.

In der Bewertung der Rentenerhöhung zeigte sich eine eher seltene Übereinstimmung zwischen Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und der Union im Bundestag. Der DGB kritisierte, dass die Erhöhung durch den Nachholfaktor geringer ausfallen soll und führte die Preiserhöhungen insbesondere bei den Energiekosten ins Felde. Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU) sagte, die Erhöhung gerade auch der ostdeutschen Renten schmelze unter der aktuellen Inflationsrate in Höhe von 5,1 Prozent dahin und forderte einen Ausgleich.

Johannes Vogel, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte hingegen der SZ, die Erhöhung sei "fair", er freue sich für alle Rentner. Es zeige sich aber auch, wie wichtig es sei, den Nachholfaktor wieder einzuführen. "Jetzt sparen wir in den nächsten Jahren wichtige Milliarden für die künftigen Generationen ein und stabilisieren so die Rente."

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