Rendsburg (dpa/lno) - Bauern und Landesregierung wollen in Schleswig-Holstein gemeinsam an Perspektiven für die Landwirtschaft arbeiten. Das machten Bauernverbandspräsident Werner Schwarz und Minister Jan Philipp Albrecht von den Grünen am Freitag auf dem Landesbauerntag in Rendsburg deutlich. Die Veranstaltung offenbarte auch, dass sich die Bauern mehr Wertschätzung für ihre Arbeit in der Gesellschaft wünschen.
Schwarz betonte Bereitschaft zu Veränderungen in der Produktion. „Wenn die Gesellschaft eine Agrarwende will, dann werden wir uns dem nicht verschließen“, sagte er vor rund 1000 Landwirten. Es sei allerdings zu klären, was unter Agrarwende verstanden wird. Hier helfe der im Land laufende Dialog. Schwarz lobte den mit freundlichem Beifall begrüßten Albrecht: „Ich freue mich, dass Sie bei allen Gegensätzen, die es in der Sache geben mag, den konstruktiv-sachlichen Dialog ihres Vorgängers fortsetzen.“
Die Bauern selbst müssten ihr Tun immer wieder kritisch hinterfragen, sagte Schwarz. Der Ansatz, auf Effizienz und Leistung zu setzen, bleibe gültig. „Daneben müssen wir weitere Ziele umsetzen, vor allem in Umwelt- und Klimaschutz“, sagte Schwarz. „Wir müssen uns noch mehr in die Debatte begeben, welchen Ackerbau oder welche Nutztierhaltung die Gesellschaft will.“ Wachstum über die Fläche und große Tierbestände werde zunehmend kritisch gesehen, sagte Schwarz. „Genau dieses ist im Moment aber die einzige Lösung, um zu überleben.“
Der Bauernpräsident nahm die Konsumenten in die Pflicht: „Nicht der Bauer bestimmt, wie wir Klimaschutz, Gewässerschutz, Umweltschutz, Tierschutz umsetzen - die Bürgerin, der Bürger bestimmt es, indem er kauft, was er fordert.“ Die Landwirte hätten die Agrarwende längst im Regal. „Es gibt die Menschen, die sie produzieren, es gibt die Produkte - sie müssen nur noch gekauft werden.“ Hintergrund: Viele befürworten Ökoproduktion, aber nur wenige kaufen Bioprodukte.
Der gesellschaftliche Klimawandel in Bezug auf die klassische Landwirtschaft sei in vollem Gange, sagte der Bauernpräsident. „Viele Landwirte fürchten, dass die politischen und gesellschaftlichen Konsense über unsere Art zu wirtschaften verloren gehen.“ Sie fragten sich, was sie falsch gemacht hätten. „Sie haben nichts falsch gemacht“, sagte Schwarz. „Wer heute noch Landwirt ist, hat bisher alles richtig gemacht. Punkt. Sonst wäre er nicht mehr da.“
Die Regierung wolle gemeinsam mit den Bauern dafür wirken, dass die Landwirtschaft eine echte wirtschaftliche, ökologische und soziale Perspektive hat, sagte Albrecht. Die Herausforderungen seien riesig. Albrecht kritisierte, dass Deutschland bei Lebensmitteln ein Niedrigpreisland ist. „Das kann definitiv nicht so bleiben.“ Erforderlich seien Anreize im Preissystem.
Albrecht plädierte für Realismus: Viele Betriebe seien nicht in der Lage, mehr in Tierwohl oder Gewässerschutz zu investieren. Sie könnten auch nicht noch mehr arbeiten. Die Bauern müssten auch die Möglichkeit bekommen, qualitativ besser zu werden. Eine neue Rolle sehe er für die Landwirte in einer wirtschaftlichen Tätigkeit für Artenvielfalt und Naturschutz. „Dafür müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen.“ Angriffe und unsachliche Darstellungen der Landwirtschaft weise er zurück, betonte Albrecht. Bauernpräsident Schwarz signalisierte, dass er sich vom Minister mehr konkretere Aussagen gewünscht hätte.
Schwarz äußerte sich auch selbstkritisch: Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung sei in Deutschland von 1700 Tonnen im Jahr 2011 auf gut 700 Tonnen 2018 gesunken. Das sei unglaublich. „Aber warum haben wir das nicht alleine geschafft? Warum brauchten wir dazu den Druck des Gesetzes?“
Schwarz zeigte sich angesichts von Kritik an Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft aber auch selbstbewusst. Die Landwirte seien heute wahrscheinlich dichter an der Natur dran als je zuvor. Und er appellierte weiter an die Bürger: Wer mehr Tierwohl möchte, müsse es kaufen, wer mehr Artenvielfalt wolle, könne Blühpatenschaften eingehen und wer mehr Regionalität wolle, könne beim Direktvermarkter kaufen.