Renault-Nissan:Kleckern statt Klotzen

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Renault-Nissan übt neue Bescheidenheit: Ein Bruch mit der Strategie von Ex-Chef Ghosn. Verordnet wird nun ein Effizienzplan - und die Börse jubelt.

Von Leo Klimm, Paris

Auf Größe kommt es nicht an. Nicht mehr. Das macht Jean-Dominique Senard gleich klar, als er am Mittwoch die neue Strategie des Autobündnisses von Renault und Nissan vorstellt. "Die Allianz richtet sich auf Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit aus anstatt auf die Absatzmenge", sagt Senard, der Chef des Renault-Verwaltungsrats, der zugleich dem französisch-japanischen Konzernverbund vorsitzt. Angesichts der schweren Krise, der die Hersteller ausgesetzt sind, lautet die Devise: Kleckern statt Klotzen.

Senard verordnet einen Effizienzplan, damit sich Renault, Nissan und Mitsubishi, der Dritte im Bunde, nicht mehr ständig in die Quere kommen; und damit sie bis 2025 fast die Hälfte ihrer Modelle gemeinsam entwickeln und produzieren. An der Börse sorgt das für Begeisterung: Renault-Aktien gewinnen am Mittwoch bis zu 17 Prozent an Wert.

Doch es ist nicht nur Senard, den die Anleger feiern. Es ist auch der Bruch mit der Strategie des skandalumwitterten Vorgängers Carlos Ghosn. Bei Ghosn kam es einst sehr auf Größe an: Der über eine obskure Finanzaffäre gestürzte Manager, der sich in den Libanon abgesetzt hat, war davon besessen, dank der Allianz die Branchenführer Volkswagen und Toyota zu übertrumpfen - und schaffte es irgendwann tatsächlich, ebenso viele Autos zu verkaufen.

Bei E-Autos zählt Nissan zu den Marktführern, davon profitiert Renault seit Jahren. Das Bild zeigt einen Arbeiter im Werk in Flins-sur-Seine. (Foto: Martin Bureau/AFP)

Größe jedoch bewahrt nicht vor Verlusten, im Gegenteil: Sie verschlimmert in der gegenwärtigen Krise, in die Renault und Nissan schon Monate vor dem Corona-Kollaps der Weltwirtschaft geraten sind, das Problem teurer Überkapazitäten. Beide Hersteller steuern jetzt mit jeweils eigenen Programmen gegen: An diesem Donnerstag verkündet Nissan, wie viele Jobs weggespart werden; tags darauf folgt Renault, wo Werksschließungen und der Wegfall von bis zu 5000 Stellen allein in der Heimat Frankreich erwartet werden. Senards Strategie für den Verbund wiederum rahmt die Neuausrichtung der einzelnen Unternehmen. Und vollendet die Abkehr von Ghosn.

Anderthalb Jahre lang war Senard damit beschäftigt, das Misstrauen zu überwinden, das die Ghosn-Affäre zwischen den Topmanagern von Nissan und Renault erzeugt hatte. Nun geht es nicht mehr um Atmosphärisches, jetzt geht es darum, dass sich die Konzerne gegenseitig beim Sparen helfen. Dazu hat der Lenker der Allianz eine Rangordnung ersonnen: Je nach Weltregion, Fahrzeugkategorie oder nach Technologie ist künftig einer der Hersteller für das gesamte Bündnis zuständig.

Renault konzentriert sich etwa auf den Markt in Europa, Russland, Lateinamerika und Afrika, während Nissan in Japan, China und Nordamerika Vortritt hat; für Mitsubishi bleiben Südostasien und Ozeanien. Zudem sollen die Hersteller ihre Produktion stärker zusammenführen. Bei vielen ihrer Modelle soll künftig nicht mehr nur die Fahrzeugarchitektur, sondern das gesamte Auto weitgehend identisch sein. Die Zahl der Modelle im Autoverbund soll binnen weniger Jahre um ein Fünftel sinken. Ziel ist, die Kosten für neu entwickelte Fahrzeuge um 40 Prozent zu senken - zusätzlich zu den Einsparungen, die es heute schon gibt, etwa durch gemeinsamen Teile-Einkauf.

Es droht allerdings ein neuer Konflikt zwischen den französischen und japanischen Partnern: Bei E-Autos zählt Nissan zu den Marktführern, davon profitiert Renault seit Jahren. In seinem Plan für die Allianz setzt Senard zwar weiter auf die Expertise der Japaner. Aber Frankreich - Hauptaktionär bei Renault - drängt den Pariser Hersteller gleichzeitig, einem deutsch-französischen Konsortium zum Bau von E-Auto-Batterien beizutreten. Wie Renault dem Dilemma entkommen will, bleibt unklar.

Dafür schafft Senard in einem anderen Punkt Klarheit, der unter Ghosn lange das Misstrauen der Japaner gegenüber den Franzosen genährt hatte: Der Renault-Konzern, der schon 43 Prozent an Nissan hält, strebe keinen Zusammenschluss der Unternehmen an. "Wir brauchen keine Fusion, um effizient zu sein", beteuert Senard. Und auf Effizienz kommt es an.

© SZ vom 28.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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