Renault-Nissan:Bündnis unter Spannung

Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn liefert sich seit Monaten einen Machtkampf mit Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Der Verwaltungsrat des Unternehmens soll nun für Harmonie sorgen.

Von Leo Klimm, Paris

Die bemüht diplomatische Verlautbarung lässt nicht erahnen, welch scharfer Streit da tobt: Es solle "die Suche und Umsetzung einer Lösung befördert werden, die das Unternehmensinteresse von Renault wahrt und die zugleich die Allianz stärkt", teilt der französische Autokonzern zu einer Verwaltungsratssitzung an diesem Freitag mit. Wo derart gedrechselt formuliert wird, werden meist Konflikte verschleiert. In Wahrheit geht es in der Sitzung des obersten Renault-Gremiums um den Machtkampf, den sich Konzernchef Carlos Ghosn seit Monaten mit Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron liefert.

Es geht um den Einfluss des französischen Staats, dem Hauptaktionär von Renault. Es geht um den Einfluss, den Frankreich damit auch auf den japanischen Partner Nissan hat. An ihm hält Renault 43 Prozent der Anteile. Vor allem geht es um eine möglichst elegante Lösung dieser Krise, die das komplexe französisch-japanische Autobündnis erfasst hat. Dabei beteuern beide Seiten, dass sie ja im Grunde genommen ihre Allianz vertiefen wollen.

Beide Konzerne sind so eng miteinander verflochten, dass sie kaum mehr zu trennen sind

Ghosn, der seit Jahren Renault und Nissan in Personalunion führt und dabei Züge eines absoluten Herrschers entwickelt hat, musste sich in den vergangenen Wochen von Macron einiges anhören. "Carlos Ghosn ist Vorstandsvorsitzender, nicht Aktionär", erinnerte der Minister den Konzernchef an die Hackordnung. Als Macron von "Interessenskonflikten" sprach, war klar, dass Ghosns Doppelrolle bei Renault und Nissan gemeint war. Von japanischer Seite werde auch "die Unwahrheit" gestreut, so Macron, wenn die starke Position Frankreichs bei Renault als Verstoß gegen die Allianz bezeichnet werde. Nissan hatte da schon jede japanische Zurückhaltung abgelegt, indem der Hersteller drohte, den Rahmenvertrag über die Allianz mit Renault aufzukündigen. Doch Nissan ist halt ebenfalls Ghosn. Und der hatte auch bei Renault die Unterstützung jener Verwaltungsräte, die nicht vom Staat bestellt sind: Der Staat - also Macron - gefährde die empfindliche Balance mit Nissan, erklärten die Verwaltungsräte öffentlich.

Von einer Balance zwischen Renault und Nissan kann ohnehin nur mit viel gutem Willen die Rede sein. Während die Franzosen fast die Hälfte des japanischen Partners besitzen, hält der nur 15 Prozent an Renault - hat aber keine Stimmrechte. Das soll verhindern, dass sich Nissan indirekt selbst kontrolliert. Die Konstruktion stammt von 1999, als Renault die Japaner vor der Pleite rettete. Heute sind die Verhältnisse eher umgekehrt: Nissan verkauft zwei Drittel der Autos des Bündnisses, ist an der Börse ungefähr doppelt so viel wert wie Renault.

Ausgangspunkt des aktuellen Streits war ein Manöver Ghosns, mit dem er im Frühjahr eine weitere Zunahme des Staatsgewichts bei Renault zu Lasten von Nissan vereiteln wollte: Der Konzernlenker wollte eine neue Gesetzesvorschrift umgehen, die Altaktionären mehr Stimmengewicht zugesteht. Vorausgesetzt sie haben überhaupt ein Stimmrecht. Doch Ghosns Manöver scheiterte: Macron stockte den Staatsanteil an Renault einfach auf und setzte so seinen Willen durch. Mit dem Ergebnis, dass das Missverhältnis zwischen Renault und Nissan noch stärker ist.

Vor der Verwaltungsratssitzung an diesem Freitag schlagen beide Seiten nun versöhnlichere Töne an. Aus dem Wirtschaftsministerium in Paris heißt es, man kenne den Wert der Allianz für Renault. Tatsächlich könnte der französische Hersteller mit jährlich 2,6 Millionen verkauften Autos dauerhaft kaum ohne die Kostenteilung mit Nissan bei Forschung, Einkauf und Produktion bestehen. Beide Konzerne sind so eng miteinander verflochten, dass sie kaum mehr zu trennen sind. Daher betont auch die japanische Seite, sie wolle "mit dem französischen Staat eine einvernehmliche Lösung". Zur Bedingung macht Nissan allerdings eine schriftliche Garantie, der zufolge Frankreich sich nicht in die Unternehmensführung einmischt.

Macron gibt sich kompromissbereit: Bei "nicht-strategischen Themen" könne Frankreich auf das doch kürzlich erst ausgebaute Stimmrecht verzichten. Nur für die großen Fragen - wenn es etwa um die Zukunft französischer Werke geht - will er dem Staat eine Sperrminorität zusichern. Allerdings würde solch ein Kompromiss neue, präzise Regeln erfordern, damit alle Seiten unter "nicht-strategischen Themen" auch dasselbe verstehen.

Es gäbe wohl einfachere Mittel, die Balance wieder herzustellen. Etwa den schnellen Verkauf der Anteile, die Macron während des Machtkampfs mit Ghosn im Frühling erwerben ließ. Eigentlich hatte er versprochen, das Aktienpaket bis Jahresende wieder abzustoßen. Inzwischen hat Macron ein gutes Argument gefunden, warum das nicht so schnell geht: Die intensiven Verhandlungen mit Nissan bescherten seinem Ministerium so viel Wissen über Renault, dass ein Anteilsverkauf jetzt Insiderhandel gleichkäme.

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