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Rekordumsatz der Rüstungskonzerne:Das Geschäft mit dem Krieg

Mehr Panzer und mehr Drohnen: Die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt steigern ihre Umsätze auf ein Rekordniveau von mehr als 400 Milliarden Dollar. Auch einige deutsche Unternehmen sind in der Liste vertreten.

Gunnar Herrmann

Im Jahr 2009 haben fast alle Branchen unter der schwachen Konjunktur und den Folgen der Finanzkrise gelitten. Die Waffenhersteller der Welt dagegen konnten ihre Umsätze steigern. Dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge haben die 100 größten Rüstungskonzerne 2009 etwa 401 Milliarden Dollar umgesetzt, acht Prozent mehr als im Vorjahr.

Das Institut präsentiert an diesem Montag in Schweden seine jährliche Rangliste der größten Rüstungsunternehmen der Welt. Das Waffengeschäft wird demnach vor allem von amerikanischen und europäischen Herstellern beherrscht. 78 der 100 größten Firmen haben ihren Standort in den USA oder Westeuropa.

Eine wichtige Ursache für die florierenden Geschäfte der Industrie ist das üppige amerikanische Militärbudget. "Die Vereinigten Staaten sind der größte Markt", erläuterte Susan T. Jackson, Sipris-Expertin für die Rüstungsbranche. Aus diesem Grund versuchen auch immer mehr außeramerikanische Unternehmen, sich durch Firmenübernahmen oder Fusionen ein Standbein in den USA zu verschaffen. Auf diesem Weg können sie leichter an die gut gefüllten Kassen des Pentagon gelangen.

Ein Beispiel ist etwa der britische Rüstungskonzern BAE Systems, dessen amerikanische Tochter - Sipri zufolge - inzwischen für mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes steht. BAE kommt in der Rangliste der größten Rüstungsfirmen auf Platz 2, im vergangenen Jahr belegte das Unternehmen noch den ersten Platz.

Dort steht diesmal mit einem knappen Vorsprung der amerikanische Konzern Lockheed Martin, der 2009 im Rüstungsgeschäft 33,4 Milliarden Dollar umsetzte. Sieben der zehn größten Firmen haben ihren Sitz in den USA. Neben BAE finden sich unter den Top 10 noch zwei weitere europäische Unternehmen: der italienische Luft- und Raumfahrtkonzern Finmeccanica und die deutsch-französische EADS.

China ausgenommen

Größtes deutsches Rüstungsunternehmen ist Rheinmetall, das auf Platz 32 der Rangliste steht. Weiter hinten folgen Krauss-Maffei Wegmann (Platz 50), Thyssen-Krupp (53), Diehl (63) und MTU Aero Engines (82). Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien sind innerhalb Europas die wichtigsten Standorte der Industrie.

China ist von der Sipri-Rangliste ausgenommen, da es zum Umfang der dortigen Rüstungsbranche keine verlässlichen Zahlen gibt. Es wird aber vermutet, dass einige chinesische Waffenhersteller Umsätze erzielen, die ihnen durchaus einen Platz unter den 100 oder gar unter den 50 größten Unternehmen sichern würden.

Ein Teil der Umsatzsteigerungen in der Rüstungsbranche sei auf den wachsenden Servicebereich zurückzuführen, erklärte Jackson in Stockholm. Immer mehr Unternehmen würden dazu übergehen, zusammen mit ihren Waffensystemen auch Dienstleistungen anzubieten, zum Beispiel Schulung oder Wartung.

Unter den Waffensystemen verkauften sich insbesondere gepanzerte Fahrzeuge und unbemannte Drohnen gut. "Diese Systeme werden unter anderem in den Kriegen in Afghanistan und im Irak verwendet", erläuterte Jackson. Die Konflikte im Irak und in Afghanistan tragen schon seit Jahren dazu bei, die weltweiten Ausgaben für Rüstung deutlich zu steigern. "Zum einen muss dort zerstörtes Gerät ersetzt werden. Zum anderen modernisieren die Streitkräfte ihre vorhandenen Systeme."

Gepanzerte Fahrzeuge und Drohnen etwa seien in den vergangenen Jahren von der Industrie stark weiterentwickelt worden. "Diese Entwicklungen wurden nicht durch die Kriege im Irak und in Afghanistan ausgelöst , aber möglicherweise beschleunigt", sagte Jackson. Genau ließe sich dies anhand der Daten aber nicht sagen. In vielen Ländern seien Waffensysteme in Gebrauch, die schon vor Jahrzehnten entwickelt wurden. Modernisierungen würden deshalb vermutlich ohnehin anstehen.

In den kommenden Jahren würden viele Rüstungsfirmen wohl verstärkt versuchen, ihre Umsätze mit Export zu steigern, sagt Jackson voraus. Denn auch wenn die Finanzkrise keine sofortigen Folgen für die Waffenschmieden hatte - in vielen Ländern werden nun Kürzungen im Verteidigungshaushalt diskutiert. Bis sich solche Sparmaßnahmen in einer verminderten Nachfrage niederschlagen, dauert es aber.

Umsätze stetig gestiegen

"Mich würde es jedoch nicht überraschen, wenn wir bei den Zahlen für das Jahr 2010 einige Folgen der Finanzkrise zu sehen bekommen", sagte Jackson. Allerdings würden davon wohl eher einzelne Firmen betroffen sein, nicht die Umsätze der Waffenindustrie insgesamt. Viele der Kürzungen und Änderungen in den Rüstungsprogrammen der Länder treten erst in diesem oder im nächsten Jahr in Kraft.

Die Rangliste der 100 größten Rüstungskonzerne wird vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut seit dem Jahr 1990 veröffentlicht. Seit 2002 sind die gesammelten Umsätze der 100 größten Firmen stetig gestiegen - insgesamt um 56,9 Prozent. Die Liste basiert auf öffentlich zugänglichen Daten, die von Unternehmen oder Regierungen publiziert wurden.

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SZ vom 21.02.2011/aum
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