Trotz Schuldenkrise in Europa haben die deutschen Exporte erstmals die Marke von einer Billon Euro überschritten: Exakt 1,06 Billionen Euro waren die Güter wert, die Deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr ins Ausland verkauft haben - 11,4 Prozent mehr als 2010, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Besonders stark legten die Ausfuhren in die Länder außerhalb der EU zu: Hier gab es ein Plus von 13,6 Prozent, während die Lieferungen in die Euro-Zone nur um 8,6 Prozent zunahmen. Dennoch ist der wichtigste Ausfuhrmarkt für Deutschland nach wie vor die EU. Dorthin wurden 2011 Waren im Wert von 627 Milliarden Euro exportiert - also beinahe zwei Drittel des gesamten Exportvolumens.
Nun gilt in der Volkswirtschaft der einfache Zusammenhang: Der Exportüberschuss eines Landes entspricht den Schulden seiner Abnehmerländer. Ist Deutschland mit seinen Rekord-Exporten also Schuld an der finanziellen Schieflage einiger Euro-Länder? Die jüngsten Zahlen stützen diesem Vorwurf nur bedingt: Bezogen auf den Euroraum ist die Handelsbilanz zwischen Deutschland und seinen Abnehmerländern für das abgelaufene Jahr fast ausgeglichen: Deutschland lieferte Güter im Wert von 420 Milliarden Euro in die Euroländer - und führte aus diesen Staaten Waren im Wert von 400 Milliarden Euro ein.
"Langfristig dürften sich die Leistungsbilanzunterschiede in der Eurozone wieder annähern", erwartet Deutsche Bank-Ökonom Nicolaus Heinen. Einerseits sei davon auszugehen, dass die Länder insbesondere in Südeuropa wettbewerbsfähiger werden - und damit mehr exportieren. Andererseits müssten sich Deutschland und andere Länder im Zentrum Europas künftig auf höhere Lohnforderungen einstellen - was ihre Produktionskosten erhöht.
Ein erster Hinweis auf solche Entwicklungen könnten die im vergangenen Jahr ebenfalls auf ein Rekordhoch gestiegenen Importe sein: Sie legten gegenüber 2010 um 13,2 Prozent auf 902 Milliarden Euro zu. Die Einfuhren übertrafen damit nach Angaben der Statistiker deutlich den bisherigen Höchstwert von 805,8 Milliarden Euro im Jahr 2008, also dem Jahr vor der Finanz- und Eurokrise. Damit schloss Deutschland den Statistikern zufolge die Außenhandelsbilanz 2011 mit einem Überschuss von 158,1 Milliarden Euro ab. Ein Jahr zuvor hatte der Überschuss 154,9 Milliarden Euro betragen.
Die Angst vor einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch höhere Löhne hält Deutsche Bank-Volkswirt Heinen aber für übertrieben: "Die deutschen Exporte sind nicht so preissensitiv wie Exporte anderer Länder", sagt er. "Maschinen und hochwertige Automobile werden nicht wegen ihres Preises, sondern wegen ihrer Qualität gekauft." Zudem befeuern höhere Einkommen den Konsum.
Ohnehin nimmt die Bedeutung des Euroraums als wichtigster Exportpartner allmählich ab. Derzeit machen sie noch einen Anteil von 40 Prozent der deutschen Ausfuhren aus - Tendenz fallend: Immer mehr Waren werden in Schwellenländer geliefert.
Europa-Experte Andreas Scheuerle von der Deka-Bank hält diese Entwicklung für unausweichlich: "Das ist eine ganz normale und gute unternehmerische Entwicklung", erklärt Scheuerle. Schwellenländer wie die sogenannten BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China holten auf, die Eurozone wachse hingegen langsamer.
Am Jahresende gingen die deutschen Exporte allerdings überraschend deutlich zurück: gegenüber dem Vormonat lagen sie im Dezember um 4,3 Prozent niedriger. Einen stärkeren Rückgang hatte es zuletzt nur auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Januar 2009 gegeben. Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang um 1,0 Prozent gerechnet.
Nach zwei Boomjahren in Folge müssen sich die Exporteure in diesem Jahr wohl wieder auf ein geringeres Wachstum einstellen: 2012 dürfte sich der Zuwachs in etwa halbieren, sagte ein Sprecher des Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Vor allem aus den Euro-Ländern werden infolge der Krise schwächere Exportzahlen erwartet.