Süddeutsche Zeitung

Rekordbuße für SAP:Strafe ohne Maß

Für die Verletzung der Urheberrechte Oracles muss SAP ohne Zweifel bestraft werden. Aber bitte im richtigen Maß.

Paul Katzenberger

Diese Ohrfeige hat gesessen: SAP, Deutschlands Vorzeigeunternehmen im Technologiesektor, ist in den USA zu einer Geldbuße von 1,3 Milliarden Dollar verurteilt worden. Niemals war eine Strafe für eine Urheberrechtsverletzung gepfefferter. Selten war ein Bußgeld aber auch überzogener.

Allein die schiere Größe dieser Summe müsste am Konzernsitz in Walldorf Bestürzung auslösen - doch das wird kaum der Fall sein. SAP sagt nicht viel dazu: Das Urteil enttäusche, Optionen wie ein Berufungsverfahren würden geprüft, mehr ist aus den Verantwortlichen nicht herauszulocken.

Verschlossenheit gehört bei juristischen Auseinandersetzungen zum Geschäft, doch es spricht einiges dafür, dass SAP gefasst bleiben kann. Der Softwarehersteller hat für die Risiken, die in der Auseinandersetzung mit Oracle lauern, zwar nur 160 Millionen Euro zurückgestellt, was für eine gigantische Fehleinschätzung der Lage sprechen könnte. Tatsächlich ist es aber so, dass der Delinquent seine Verfehlung vernünftiger bewertet als das Gericht im kalifornischen Oakland. SAPs Chancen, in einer Berufungsverhandlung oder bei einem außergerichtlichen Vergleich besser abzuschneiden, stehen gut.

Niemand bestreitet zwar die Schuld des deutschen Unternehmens, noch nicht einmal SAP selbst. Und klar ist auch, dass Urheberrechtsverletzungen kein Kavaliersdelikt sind. Doch die Größenordnung, um die es bei dem Datendiebstahl geht, ist einige Hausnummern kleiner als ein Milliardenbetrag. Die straffällig gewordene SAP-Tochter TomorrowNow erwirtschaftet insgesamt nur einen Umsatz von höchstens 15 Millionen Dollar. Die 86 Kunden, die das Unternehmen von Oracle abgeworben und mit ihnen zumindest teilweise Missbrauch betrieben hatte, tragen zu diesem Betrag nur einen Bruchteil bei.

Allein die Dimension dieser Zahlen spricht dafür, dass der Schaden für Oracle tatsächlich nicht viel höher ausgefallen ist, als jene 41 Millionen Dollar, mit denen SAP den maximalen Schaden beziffert. Natürlich kann geistiges Eigentum eines Technologieunternehmens für einen global aufgestellten Wettbewerber wie SAP hochwertvoll sein, wenn er es unberechtigerweise erlangt und in großem Stil ausschlachtet. Doch dafür, dass SAP dies getan hat, gibt es keine Indizien. Vielmehr hat der deutsche Konzern seine Aufsichtspflicht bei der amerikanischen Tochtergesellschaft zwar verletzt, doch massiv profitiert hat SAP nach nicht davon.

Gänzlich anders war beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen General Motors und VW im Zuge der Lopez-Affäre gelagert. Das damals höchstwahrscheinlich gestohlene Know-how war für Volkswagen von hohem Interesse, weil der Autohersteller dadurch seinen gesamten Produktionsprozess optimieren wollte. Ähnliche Absichten hatte SAP nun nicht. Dennoch ist der Ausgang dieses Streites zur Einordnung des SAP-Falles hilfreich: VW zahlte damals 100 Millionen Dollar Schadenersatz und bezog für eine Milliarde Dollar Bauteile von General Motors - die Sühne fiel also weitaus moderater aus als die vorerst verhängte Buße für SAP.

Grund zum Optimismus hat der deutsche Softwarehersteller aber auch auf Grund der Erfahrungen, die andere Missetäter mit der amerikanischen Justitz gesammelt haben. Der Tabakproduzent Philip Morris wurde 2002 beispielsweise zu einem Schadenersatz von 28 Milliarden Dollar verurteilt. Sieben Jahre und zwei Berufungsverfahren später blieben von diesem schwindelerregenden Betrag noch 13,8 Millionen Dollar übrig - das ist ein Zweitausendstel des ursprüngliche Strafmaßes.

Sehr viel größer fielen die Kursabschläge für die SAP-Aktie auf Grund des US-Urteils allerdings auch nicht aus. Das Papier rangierte am Mittwoch mit etwa einem Prozent im Minus - Angst fühlt sich anders an.

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