Süddeutsche Zeitung

Reiseversicherung:Angst allein genügt nicht

Die Sorge, sich am Urlaubsort mit einer Krankheit anzustecken, reicht nicht aus, um vom Versicherer die Stornokosten erstattet zu bekommen. Im Fall des Coronavirus gibt es aber doch Chancen.

Von Nina Nöthling, Köln

Die chinesische Stadt Wuhan ist, wie viele Gegenden Chinas, ein attraktives Reiseziel. Besucher der Hauptstadt der Provinz Hubei erwarten unter anderem ein Pflaumengarten, ein Tempel aus dem 5. Jahrhundert und das Provinzmuseum Hubei, in dem es ein antikes Glockenspiel von 433 vor Christus zu sehen gibt. In diesem Jahr dürften dennoch deutlich weniger Besucher in die Millionenstadt reisen, sie gilt als Ursprungsort des Coronavirus. Viele Deutsche wollen auch andere Gegenden Chinas aus Sorge vor dem Virus derzeit nicht besuchen und ihre bereits gebuchte Reise stornieren.

Sie haben gute Aussichten, die Reisekosten erstattet zu bekommen. Elke Weidenbach, Referentin für den Bereich Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, warnt allerdings vor übereilten Stornierungen. "Zu schnell eine Reise abzusagen, kostet meistens Geld", sagt sie.

Viele Betroffene haben eine Reiserücktrittsversicherung. Sie springt ein, wenn eine Reise aufgrund einer Krankheit abgesagt werden muss. Dann erhält der Kunde die Kosten der Stornierung. Diesmal aber sind die Reisenden nicht erkrankt, sie haben nur Sorge vor einer Ansteckung und wollen deshalb die Reise nicht antreten. "Die Angst vor einer Ansteckung reicht als Grund für einen Rücktritt nicht aus", erklärt Weidenbach.

Sie sagt aber auch: "Wenn es einen guten Grund gibt, können die Reisekosten erstattet werden." Ein solcher Grund ist unter anderem eine offizielle Reisewarnung. Das deutsche Auswärtige Amt hat am 3. Februar eine Teilreisewarnung für die Provinz Hubei ausgegeben und rät auch von Reisen in die übrigen Gebiete Chinas ab.

Viele Veranstalter bieten Stornierungen an

Doch Versicherer sind in diesem Fall nicht der erste Ansprechpartner der besorgten Reisenden. Die Versicherer Allianz, Zurich und ADAC verweisen auf Reiseveranstalter, Fluggesellschaften und Hotels. Versicherungen seien hier nur nachgelagert, erklärt Allianz Partners, ein Spezialversicherer der Allianz-Gruppe. "Epidemien oder Pandemien sind ein Fall für den Reiseveranstalter, der dann entscheiden muss, ob er die Reise absagt und gegebenenfalls erstattet", sagt auch ein Sprecher der Zurich Versicherung Deutschland. Derzeit bieten die meisten Veranstalter und Fluggesellschaften kostenlose Stornierungen oder Umbuchungen an, teilt Allianz Partners mit. In diesen Fällen greift die Reiserücktrittpolice gar nicht. Der Versicherer erstattet Kunden allerdings die Prämien für Reiserücktrittspolicen, die für diese Reisen abgeschlossen wurden, wenn sie nachweisen, dass der Urlaub aufgrund des Coronavirus abgesagt wurde.

Verbraucherschützerin Weidenbach empfiehlt, zunächst mit Fluggesellschaften, Hotels, Reiseveranstaltern und Versicherern zu sprechen, bevor die Reise storniert wird, und sich schriftlich bestätigen zu lassen, was erstattungsfähig ist. Dann gibt es hinterher weniger Ärger.

Eine Police lohnt nicht immer

Wer jetzt noch eine Reiserücktrittspolice für eine bevorstehende Reise abschließen will, sollte genau schauen, was versichert ist, rät Verbraucherschützerin Weidenbach. Dabei können Vergleiche über Portale wie Check24, Verivox oder Testergebnisse von Stiftung Warentest hilfreich sein. "Dann sieht man schnell die Haken und Ösen bei den Policen."

Wichtig sei auf jeden Fall, dass sowohl der Reiserücktritt als auch der Abbruch versichert sind. Bei einem Rücktritt wird die Reise storniert, bevor sie angefangen hat. Eine Reiseabbruchpolice greift erst, wenn der Urlaub schon begonnen hat. "Die Reise beginnt beispielsweise nach dem Einchecken am Flughafen", erklärt Weidenbach.

Nicht für jeden lohnt sich ein Reiserücktritts- und Abbruchpolice. Ein entscheidendes Kriterium ist der Preis der Reise. Verbraucherschützer empfehlen, ab Reisekosten von 1500 Euro über eine Police nachzudenken. "Wenn eine Reise langfristig gebucht wird oder Kinder mitfahren, lohnt sich eine Absicherung", fügt Weidenbach hinzu.

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SZ vom 05.02.2020
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