Reiseveranstalter:Mittelständler machen Druck

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Wie einige kleinere Reiseveranstalter den Konzernen Tui und Thomas Cook Paroli bieten.

Von Michael Kuntz, München

Bei den Reiseveranstaltern ist es etwa so wie mit den unbeugsamen Bewohnern des berühmten kleinen Dorfes in Gallien, das sich gegen die mächtigen Römer erfolgreich zur Wehr setzt. Während Konzerne wie der Marktführer Tui, Thomas Cook und die DER Touristik von Rewe sich ständig neu organisieren, gibt es mindestens drei erfolgreiche inhabergeführte Reiseveranstalter, die ihnen vorführen, wie sich auch ohne große Stabsabteilungen gewinnbringend umsetzen lässt, was viele von ihrer Urlaubsreise erwarten.

Im vorigen Jahr war zwar die Tui Deutschland mit 4,5 Milliarden Euro Umsatz die Nummer eins, gefolgt von Thomas Cook mit 3,5 Milliarden Euro und DER Touristik mit 3,2 Milliarden Euro. Doch dann kamen schon Dietmar Gunz mit seiner FTI Group (2,6 Milliarden Euro), Willi Verhuven mit Alltours (1,5 Milliarden) und Gerald Kassner (1,1 Milliarden Euro).

Gunz, Verhuven, Kassner - sie leben die Freiheit des Unternehmers, der keine spannende Börsengeschichte braucht und der keine Quartalsberichte erstellen muss, die dann von Analysten gelobt oder verbal verrissen werden. Die drei verkaufen einfach Urlaub - jeder auf seine Art und Weise. Sie dürfen sie selbst sein - und genau das macht sie stark im Wettbewerb gegen die Großen in der Reiseindustrie.

Gunz betreibt als Einziger einen Fernsehsender. Verhuven fängt die Menschen mit dem ebenso eingängigen wie unsinnigen Werbespruch "Ohne mein Alltours sage ich nichts". Ein kleines Mädchen sagt diesen Satz, und irgendwie soll das wohl sprichwörtlich die Diskrepanz ausdrücken zwischen Kindlichkeit und Erwachsensein. Kassner und sein Schauinsland stehen mit der Firmenzentrale am Duisburger Innenhafen für den Strukturwandel der Stadt, weg von der Schwerindustrie, hin zu Dienstleistungen.

Schauinsland war in den mehr als 98 Jahren seines Bestehens schon immer ein Duisburger Unternehmen, wenn auch ein ganz anderes als heute. Im Stadtteil Marxloh begann der Großvater von Gerald Kassner mit Leiterwagen und Pferdedroschken ein Transportgeschäft für Güter und Personen. Später fuhren bis zu 50 Omnibusse nach Spanien, Italien oder in den Schwarzwald. Von einem der Ziele stammt der Name der Firma, die heute Stadionsponsor des MSV Duisburg ist.

Irgendwann waren dann Charterflüge ans Mittelmeer preiswerter als die Bus-tour über die Alpen. Das erkannte früh Gerold Kassners Mutter Doris Kassner, die ihr ganzes Berufsleben bei Schauinsland verbrachte. In der Branche gilt sie als eine Pionierin der Flugpauschalreisen. Sie starb in diesem Frühjahr mit 75 Jahren - nachdem sie wenige Tage zuvor noch auf dem Stand bei der Tourismusmesse ITB in Berlin aktiv gewesen war. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg von Schauinsland dürfte auch sein, dass Gerold Kassner trotz Internets auf den Vertrieb über 12 000 Reisebüros setzt. Kassner: "Wenn man in schlechten Zeiten zu Partnern hält, hat man auch in guten Zeiten etwas davon."

Nicht weit vom Schauinsland-Sitz in Duisburg war auch die Zentrale von Alltours, bevor Willi Verhuven mit seinem Unternehmen nach Düsseldorf umzog, ins sanierte Dreischeiben-Hochhaus, die frühere Heimat des Thyssen-Konzerns. Der Alleineigentümer Verhuven, 65, kündigt seinen Rückzug aus dem Unternehmen seit 15 Jahren an, zuletzt an diesem Dienstag , doch der Verschleiß an Nachfolgern ist beachtlich beim Selfmademan. Der hatte Alltours vor 35 Jahren in Kleve mit Reisen für Eltern und Kinder begonnen. Dazu passt es, dass Verhuven den Nichtrauchern unter seinen Angestellten 250 Euro Gesundheitsprämie zahlt.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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