Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Kreuzfahrten - ein schmutziges Geschäft

Urlaub auf dem Schiff ist bequem und günstig. Doch Natur und Städte zahlen für Kreuzfahrten einen hohen Preis. Das muss sich ändern.

Kommentar von Jan Schmidbauer

Im Jahr 1995 begab sich der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace auf eine siebentägige Kreuzfahrt durch die Karibik, über die er später mit gemischten Gefühlen berichtete. "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" lautet der Titel seines Buchs im Deutschen. Er habe, schrieb Wallace, auf seiner Reise "erwachsene US-Bürger aus dem gehobenen Mittelstand gehört, die am Info-Counter wissen wollten, ob man beim Schnorcheln nass wird, (...) ob die Crew ebenfalls an Bord schläft oder um welche Uhrzeit das Midnight-Buffet eröffnet wird". Wallace liefert damit eine Antwort auf die Frage, warum Kreuzfahrten bei den Menschen so beliebt sind: Der Reisende kann jegliche Sorgen und Gedanken an der Kaimauer abgeben und hat trotzdem die Möglichkeit, innerhalb weniger Wochen halbe Kontinente zu erkunden.

Oft wird allerdings vergessen, welchen Preis diese Form des Reisens hat: für die Umwelt und für Städte, die mit Tausenden Touristen klarkommen müssen. Kreuzfahrten sind ein schmutziges Geschäft - und es wird viel zu wenig unternommen, um die Belastungen, die durch sie entstehen, erträglicher zu machen.

Die schwimmenden Hotels, die Platz für bis zu 6000 Passagiere bieten, transportieren keine wichtigen Güter; sie dienen allein der Unterhaltung. Schon deshalb müssen für sie strengere Regeln gelten, auch wenn sie im Verhältnis zu Containerschiffen nur einen Bruchteil am gesamten Schiffsverkehr ausmachen.

Den meisten Reisenden dürfte gar nicht bewusst sein, welchen ökologischen Schaden sie anrichten. Viele Schiffe fahren mit dem schmutzigen (und billigen) Schweröl, bei dessen Verbrennung tonnenweise giftige Emissionen entstehen. Im Jahr 2012 war die Schifffahrt für 13 Prozent des Schwefeldioxid- und 15 Prozent des weltweiten Stickoxidausstoßes verantwortlich. Dies wurde im Zusammenhang mit den Fahrverboten für Dieselautos kritisiert - zu Recht. Was soll ein Hamburger Autofahrer denken, der mit seinem acht Jahre alten Diesel die Max-Brauer-Allee umfahren muss, während im Hintergrund ein Nebelhorn den Beginn einer großen Reise verkündet?

Einzelne Länder können die Missstände nicht ändern

Besonders absurd wird es, wenn man die Klimaziele ansieht, auf die sich die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) verständigt hat. Gegenüber 2008 sollen die Emissionen der Schifffahrt um 50 Prozent sinken. Allerdings will man sich dafür bis zum Jahr 2050 Zeit lassen.

Und nicht nur die ökologischen Folgen sind problematisch. Kreuzfahrtschiffe sind auch Treiber eines Massentourismus, der nicht nachhaltig ist. Allein auf dem deutschen Markt hat sich die Zahl der Passagiere seit 2007 fast verdreifacht. Dazu beigetragen haben die gesunkenen Preise. Wer sich mit der Innenkabine begnügt, kann für weniger als 800 Euro zehn Tage lang durch Europa schippern.

Viele historische Hafenstädte leiden darunter. Nach Angaben der Fachzeitschrift Travel Weekly kamen im vergangenen Jahr 740 000 Kreuzfahrttouristen ins kroatische Dubrovnik - eine Stadt, die nur gut 40 000 Einwohner hat. In Venedig ist die Situation ähnlich. Und die Touristen bringen den Bewohnern nicht einmal viel Geld. Schließlich werden sie oft nur für fünf, sechs Stunden in der Altstadt abgeladen, bevor es weiter in die nächste schöne Mittelmeerstadt geht. Gegessen und geschlafen wird auf dem Schiff.

Noch ein Missstand kommt hinzu. Viele Kreuzfahrtschiffe, auf denen die Namen amerikanischer oder deutscher Unternehmen prangen, sind in Ländern wie Panama oder Malta registriert. Der Grund dafür dürften Steuervorteile und laxere Arbeitsgesetze sein.

Dass die Kreuzfahrtindustrie bis heute eher schlecht als recht reguliert wird, hat mit ihrer Internationalität zu tun. Einzelne Länder können wenig erreichen. Aber auf EU-Ebene ließe sich durchaus etwas bewirken. Reedereien, die ihre Schiffe mit weniger schmutzigem Flüssiggas betreiben, könnten beim Anlanden mit günstigeren Gebühren belohnt werden. Städte, die noch keine Flüssiggas-Terminals haben, sollten dafür Fördermittel erhalten. Anbieter, die weiterhin mit Schweröl fahren wollen, könnten umso heftiger zur Kasse gebeten werden. Sinnvoll ist auch ein Vorschlag der Bundesregierung: Sie will Reedereien dazu zwingen, die Stromversorgung des Hafens zu nutzen. Bislang lassen viele Betreiber die Dieselmotoren ihrer Schiffe auch an Land laufen, um sich billig mit Bordstrom zu versorgen. Erlaubt sein muss schließlich auch folgende Frage: Warum dürfen Schiffe in europäischen Häfen anlanden, die in Steuerparadiesen registriert sind? Schiffe aus Ländern wie Panama also, das die EU sogar auf einer schwarzen Liste der Steueroasen führt.

Kreuzfahrten sind bequem und für viele Menschen ein Erlebnis. Aber sie müssen genau wie der Auto- und Flugverkehr auf ihre ökologischen und gesellschaftlichen Folgen geprüft werden. Man kann die Sorgen des täglichen Lebens an der Kaimauer abgeben. Doch die Verantwortung trägt jeder Passagier mit sich herum.

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SZ vom 07.08.2018/jps
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