Reisen fern und nah:Chinesische Urlaubsträume

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Hoch die Hände, Wochenende! Wer Urlaub hat, für den ist immer Samstag. Das erfreut diesen Club-Med-Kunden im chinesischen Sanya. (Foto: Nicolas Asfouri, AFP)

Die Mittelschicht will reisen. Deshalb investiert Guo Guangchang, Gründer des Konglomerats Fosun, in Touristik-Konzerne. Den französischen Club Med hat er schon übernommen. Jetzt ist Thomas Cook dran.

Von Lea Deuber, Peking

Wenn der Chef einen seiner Lieblinge besuchen will, muss er von seiner Büroetage aus mit dem Fahrstuhl nur einige Stockwerke aus nach unten fahren. Dann steht Fosun-Gründer Guo Guangchang in den Räumen von Club Med im Herzen Shanghais. Im Eingang baumeln Schaukeln von den Decken. Der Teppich hat die Form eines Schwimmbeckens, an dessen Rändern das Team aus internationalen und chinesischen Mitarbeitern arbeitet. Arbeitssprache ist eine chaotische Mischung aus Englisch, Französisch und Chinesisch.

Gerne verweist man in diesen Tagen bei Fosun auf das französische Traditionsunternehmen, das seit 2015 in der Hand einer Tochter des chinesischen Konzerns ist. Es soll der Beleg dafür sein, dass das chinesische Konglomerat sanieren kann. Auch ein europäisches Traditionsunternehmen wie Club Med, das über Jahrzehnte für französische Lebensgefühl stand. 2010 war Fosun Tourism Group bei dem schwächelnden Unternehmen eingestiegen und hatte die Firma 2015 an der Spitze einer chinesischen Investorengruppe für rund 940 Millionen Euro schließlich ganz übernommen. Inzwischen schreibt die frühere französische Kette Rekordgewinne.

Geht es nach Firmenmitgründer Guo, soll Thomas Cook nun das nächste europäische Touristik-Unternehmen sein, das die Chinesen retten. Bereits seit 2015 ist Fosun mit 18 Prozent als größter Aktionär an dem britischen Reiseunternehmen beteiligt. Nun will die Fosun Tourism Group und die Gläubigerbanken 830 Millionen Euro bereitstellen, damit das fast 180 Jahre alte Traditionskonzern die Wintersaison übersteht. Mit der geplanten Transaktion würde Fosun die Mehrheit an Thomas Cooks Reiseveranstalter übernehmen, die dafür aus der börsennotierten Thomas Cook plc ausgegliedert werden soll. Zugleich soll das Unternehmen drastisch entschuldet werden. Die übrigen Aktionäre werden dadurch aber weitgehend verdrängt. Der Verkauf der Ferienfluggesellschaft Condor, an der die Lufthansa Interesse gezeigt hatte, ist damit vorerst vom Tisch. Am profitablen Ferienflug-Geschäft sollen die Chinesen nur einen "signifikanten Minderheitsanteil" erhalten, wie es heißt. Denn mit einem nicht-europäischen Mehrheitsaktionär würde Condor der Verlust der begehrten Start- und Landerechte drohen. Peter Fankhauser, der Vorstandsvorsitzende von Thomas Cook, nennt das Angebot von Fosun das beste, das auf dem Tisch des Vorstands gelandet sei: "Dies ist zwar nicht das Ergebnis, das wir uns für unsere Aktionäre gewünscht haben, aber dieser Vorschlag ist eine pragmatische und verantwortungsvolle Lösung."

In Deutschland ist der 1992 gegründete chinesische Konzern Fosun vor allem durch seinen Einstieg beim Modekonzern Tom Tailor und die Beteiligung an der Privatbank Hauck & Aufhäuser bekannt. Das durch Gewinne im Pharma- und Bergwerksgeschäft großgewordene Konglomerate ist neben dem Mischkonzern HNA und dem Immobiliengiganten Wanda eines der wirtschaftlichen Schwergewichte Chinas. Tycoon Guo beschrieb als Ziel seines Konzerns vor ein paar Jahren, ein "Warren-Buffett-ähnliches Investmentunternehmen" zu werden, das in China verankert sei, aber globale Ressourcen besitze. Offizielle Unternehmensstrategie ist die Schaffung eines "Ökosystems des Glücks" mit den Sparten Wohlstand, Gesundheit und Glück. Dahinter stecken weltweite Beteiligungen an Versicherungen, Touristikfirmen und Pharmakonzernen - und eine klare Investitionsstrategie. Ziel ist die Dominanz in Wachstumsmärkten, die für die Mittelschicht in China und anderen asiatischen Ländern wie Indien interessant sind.

Jedes Jahr steigen Millionen Menschen in Asien in die Mittelschicht auf. Sie wollen auf lange Sicht vor allem eins: mehr von allem. Das heißt eine bessere Gesundheitsversorgung, höhere Lebensqualität und exklusivere Urlaubsziele. Das zeigt sich besonders in Sektoren wie der Touristikbranche. Während diese in Europa kriselt, boomt der Markt in China seit Jahren. Im Schnitt wächst der chinesische Touristikmarkt um durchschnittlich 5,4 Prozent pro Jahr. Mehr als 2,8 Milliarden Reisen unternahmen inländische Touristen in China 2017. Im vergangenen Jahr verreisten 150 Millionen Chinesen ins Ausland - und noch hat gerade einmal jeder zehnte Chinese einen Reisepass beantragt.

Seit der Übernahme des französischen Club Med durch Fosun hat das Unternehmen seine Präsenz in China deutlich ausgebaut. Die chinesischen Kundenzahlen sind von wenigen hundert auf mehr als 200 000 im Jahr 2016 gestiegen. 2017 verkündete der Clubbetreiber, in nur zwei Jahren die Eröffnung von 15 neuen Resorts. Ähnliches könnte Fosuns Tochter nun auch mit dem Tourismusgeschäft von Thomas Cook planen. Im 2018 verbrachten zwar elf Millionen Kunden ihren Urlaub mit dem 1841 von einem Baptisten-Prediger gegründeten Unternehmen. Allerdings leidet dieser wie andere Veranstalter in Europa unter dem Trend zu Individualreisen und den heißen Sommern in Europa. Die Reisebuchungen lägen dieses Jahr neun Prozent unter Vorjahr, die Flugbuchungen um drei Prozent. Mithilfe des neuen chinesischen Partners könnte sich das Unternehmen bald deutlich stärker auf chinesische Reisende konzentrieren.

Leicht wird der Kurswechsel wohl aber auch mit chinesischer Hilfe nicht. Das britische Unternehmen sitzt auf einem Schuldenberg von 1,6 Milliarden Pfund, umgerechnet 1,77 Milliarden Euro. Ein Großteil davon in Anleihen. Thomas Cook hatte im ersten Halbjahr 1,5 Milliarden Pfund Verlust ausgewiesen. Ein Großteil wegen einer Abschreibung auf die Tochter MyTravel. Durch die Übernahme des britischen Unternehmens wurde Thomas Cook 2007 an die Londoner Börse gebracht. Damals mit einem Börsenwert von 3,2 Milliarden Pfund. Am Freitag stürzte der Kurs zwischenzeitlich um 46 Prozent ab. Schon vor dem Kurssturz am Freitag kam das Unternehmen nur noch auf einen Börsenwert von 200 Millionen Pfund.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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