Süddeutsche Zeitung

Reimann:Heiß und kalt

Die Industriellen-Familie Reimann setzt ihre Einkaufstour fort - und schweigt. Obwohl sie zu den reichsten Investoren gehören, weiß man kaum etwas. Nur die Manager der JAB Holding reden.

Von Elisabeth Dostert

Sie schweigen, wie immer. Mag der Deal noch so groß sein. Die Reimanns, eine der reichsten Familien Deutschlands und über ihre luxemburgische Holding JAB einer der eifrigsten Investoren, sagen nichts. Andere wie die Manager der JAB Holding und die der beteiligten Konzerne dürfen Übernahmen, Fusionen und auch mal Verkäufe kommentieren.

So ist das auch beim jüngsten Coup: Der US-Kaffeeröster Keurig Green Mountain, den die Reimanns über ihre Holding kontrollieren, übernimmt die Getränkegruppe Dr Pepper Snapple mit Marken wie 7Up und Sunkist. 103,75 Dollar je Aktie in bar, insgesamt 18,7 Milliarden Dollar, zahlt Keurig den Pepper-Aktionären, und sie bleiben am fusionierten Unternehmen Keurig Dr Pepper mit 13 Prozent beteiligt. Heiß und kalt, Kaffee und Brause. Es entsteht ein Konzern mit elf Milliarden Dollar Umsatz.

Alle dürfen sich laut freuen: Larry Young, der Vorstandschef von Dr Pepper. Bob Gamgort, der Boss von Keurig, darf sagen, das sein Konzern einen Markt nicht aus klassischer Sicht eines Herstellers betrachte, sondern aus der Sicht der Verbraucher und seiner Bedürfnisse. Bart Becht, Chairman der JAB Holding, freut sich, dass das fusionierte Konzern ein Herausforderer auf dem Getränkemarkt werde.

Der Name Reimann taucht in der Pressemitteilung kein einziges Mal auf. Keine andere deutsche Unternehmerfamilie - nicht die Oetkers, nicht die Klattens (BMW) - ist so ausdauernd verschwiegen. Die Geschäfte der JAB Holding führen seit Jahren Peter Harf, Bart Becht und als Vorstandschef Olivier Goudet, die an der Holding mit zehn Prozent beteiligt sind. Die Familie habe sichergehen wollen, dass "wir nichts Dummes machen", sagte Becht Anfang des Jahres in einem Interview mit dem Handelsblatt. Die Familie hat weitere Vorgaben gemacht. Investitionsentscheidungen müssen die drei Männer einstimmig fällen, und sie dürfen kein Geld in Zigaretten und Alkohol stecken. Die Familie werde über die Performance informiert, so Becht: "Sie schauen sich das an, aber sie steuern nicht. Sie müssen die Investments nicht freigeben."

Die Leidenschaft der Reimanns gilt heute Kaffee, Fast Food und Kosmetik. Die Familie ist zwar verschwiegen, aber die Produkte der Firmen, an denen sie über die Holding mehr oder weniger stark beteiligt sind, stehen in vielen Haushalten: Senseo, Jacobs, Tassimo, Wella, Sagrotan, Calgon oder Durex. Zur Firmensammlung gehören auch ein paar Ketten wie Panera Bread (Bäckereien), Krispy Kreme (Donuts), Coffee & Bagels und Balzac (Kaffeehäuser).

Die Beteiligungen sind in einem verwinkelten Konstrukt unter dem Dach der JAB Holding untergebracht. Die Familie und ihre Manager agieren wie gewöhnliche Finanzinvestoren: Sie kaufen zu, was in die Sammlung passt, um eine führende Marktstellung aufzubauen, und trennen sich, wenn etwas nicht mehr gefällt. Eine Weile pflegte die Familie einen Faible für Luxus und übernahm Marken wie Belstaff, Jimmy Choo, Bally. Doch das ist vorbei. Übrig ist die Schuhfirma Bally, auch die soll weg.

Neue Investitionen stemmt die JAB Holding gemeinsam mit dem JAB Consumer Fund, den ebenfalls Harf, Becht und Goudet managen. Sie sammeln Geld bei Staats- und Pensionsfonds sowie reichen Familien ein. Das Eigenkapital der JAB Holding liege laut Becht bei 18 Milliarden Euro. Aber das ist nur ein Indiz für das Vermögen der Familie, es dürfte noch höher sein.

Den Grundstein des Reichtums legten der Unternehmer Johann Adam Benckiser und der Chemiker Ludwig Reimann 1851 mit der Gründung einer Chemiefabrik. Unter der Leitung von Albert Reimann brachte die Firma in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Haushaltsreiniger auf den Markt wie Calgon und Sagrotan. Bis zu seinem Tod sollen die neun Adoptivkinder, darunter vier Nichten und Neffen, nicht gewusst haben, dass die Firma, die der Vater leitete, ihm auch gehörte. Sie sollten etwas Ordentliches lernen. Das taten sie auch. Das operative Geschäft überließen sie, wie im Testament verfügt, Managern. An der JAB Holding sind heute die Geschwister Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann, Stefan Reimann-Andersen

und Matthias Reimann-Andersen samt Familien beteiligt. Die Kinder der Schwester stiegen schon Mitte der 90er-Jahre aus. Auch Andrea Reimann-Ciardelli ließ sich von ihren Geschwister auszahlen.

Darüber, wo die Reimanns leben, gibt es nur Spekulationen. Im Ausland, heißt es - keine Fotos, keine öffentlichen Auftritte, keine Vorträge über Unternehmertum. In einer digitalen Welt, in der fast alles öffentlich ist, ist die Privatsphäre vielleicht ihr teuerstes Gut.

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SZ vom 31.01.2018
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