Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Reiche angemessen besteuern

Sowohl in den USA wie in Deutschland gibt es Pläne, Vermögende stärker für die Gesellschaft heranzuziehen. Das ist der richtige Weg.

Von Alexander Hagelüken

Es sieht fast wie ein Trend aus. US-Präsident Joe Biden will Hochverdiener und Vermögende stärker besteuern, um Klimaschutz und Soziales zu finanzieren. Zugleich führt in den Wahlumfragen des größten EU-Staats Deutschland momentan eine Partei, die Ähnliches plant. Werden nun die Reichen zur Kasse gebeten? Und wäre das überhaupt eine gute Idee?

Die Gegensätze sind bemerkenswert. In den Vereinigten Staaten hat ein Demokrat Donald Trumps Kabinett der Millionäre abgelöst. Nun verlangt er Reichen mehr Geld ab, um Kindergeld oder Lohnzahlungen für Kranke einzuführen, die in Europa üblich sind. Anders als die langjährige Kanzlerpartei CDU/CSU findet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ebenfalls, Reiche könnten sich stärker an den Aufgaben der Gesellschaft beteiligen. Ob das gerechtfertigt ist, sollte man nicht mit Neid oder Schaum vor dem Mund diskutieren - sondern lieber mit einem Blick auf die Fakten.

In einem dieser beiden Länder gehört dem reichsten Zehntel der Erwachsenen 56 Prozent des Vermögens, während die Hälfte der Gesellschaft zusammen gerade mal ein Prozent hat. Die Rede ist hier nicht von den sehr ungleichen USA, sondern von Deutschland. Die jüngsten Entwicklungen fördern die Kluft. Während die Pandemie Kellnerinnen und Verkäufern Einkommen raubte, steht der Deutsche Aktienindex 15 Prozent höher als vor Corona. Mehr als die Hälfte des Wertzuwachses, den die Verdoppelung der Immobilienpreise in deutschen Großstädten brachte, geht an das reichste Zehntel der Bürger.

Die Regierungen retteten nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Aktiendepots

In der Pandemie haben sich die USA wie Deutschland hoch verschuldet, um die Wirtschaftskrise zu mildern. Die Regierungen retteten damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Aktiendepots. Es erscheint gerechtfertigt, jetzt finanziell die Reichen zu belasten, die so viel mehr besitzen als die Mehrheit. Die Corona-Schulden sind dafür nur ein weiterer Grund. Ob Klimaschutz, Digitalisierung oder Bildung: In den nächsten Jahren warten viele Herausforderungen, die man gerecht finanzieren sollte. Wer den Reichen mehr abverlangt, verringert damit zugleich den Marianengraben zwischen Arm und Reich, der viele hart arbeitende Menschen frustriert und demotiviert. Er hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vergrößert.

Ähnlich wie Joe Bidens Amtsvorgänger ziehen Armin Laschet und Markus Söder aus diesem Trend zur Ungleichheit ein anderes Fazit. Ähnlich wie die Republikaner vorexerziert haben, will die Union nach der Wahl vor allem Gutverdiener weniger Steuern zahlen lassen. Berechnungen zeigen, dass dies die Ungleichheit in der Bundesrepublik weiter vergrößern würde.

Die Pläne von SPD, Grünen und Linken dagegen würden die Unterschiede in der Gesellschaft reduzieren. Das liegt auch daran, dass sie den Spitzensatz der Einkommensteuer erhöhen und die Vermögensteuer wiederbeleben wollen. Damit würden sie nur einen Teil der Steuersenkungen für Reiche einkassieren, die es zuletzt gab. Vor diesen Senkungen lag der Spitzensatz der Einkommensteuer in Nachkriegsdeutschland jahrzehntelang deutlich über 50 Prozent. Ihn von heute (mit Zuschlag) 45 Prozent zu erhöhen, wäre kein Linksrutsch - sondern nur eine Abkehr von neoliberaler Reichenbeglückung.

Diese Abkehr sollte ökonomisch möglichst effizient erfolgen. Die Vermögensteuer etwa trifft auch Betriebsvermögen kleinerer Mittelständler. Um wirtschaftliche Schäden zu minimieren, braucht es klare Ausnahmen, oder sie sollte erst ab einem Besitz von 20 Millionen Euro an gelten. Dafür lässt sich bei Millionenerben zugreifen. Zwei Drittel jener Deutschen, die 2018 mehr als 100 Millionen Euro erbten, zahlte darauf null Steuern. Null.

Solche Zahlen räumen mit Mythen auf, die interessierte Kreise über Steuererhöhungen für Reiche verbreiten, um sie zu verhindern. Nein, es geht nicht darum, durchgehend hochbelastete Bürger zu schröpfen. Es wird auch nicht passieren, dass niemand mehr in Deutschland investiert. Und keiner aus der Mittelschicht muss befürchten, plötzlich hohe Steuern auf sein Eigenheim zu zahlen. Es geht nur darum, immer reicher Gewordene angemessen an der Finanzierung der Gesellschaft zu beteiligen, um den sozialen Frieden zu erhalten.

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