Reiche Franzosen in der Schweiz:Ende der Großzügigkeit

Reiche Franzosen in der Schweiz: Der französische Alt-Rocker Johnny Hallyday profitierte bisher von dem Steuerabkommen mit der Schweiz.

Der französische Alt-Rocker Johnny Hallyday profitierte bisher von dem Steuerabkommen mit der Schweiz.

(Foto: AFP)

Neue Front im Steuerstreit mit dem Nachbarland: Dank einer Sonderregelung mussten einige reiche Franzosen in der Schweiz bisher kaum Abgaben zahlen. Dem macht François Hollande nun ein Ende.

Von Wolfgang Koydl, Zürich

Der Schauspieler Gérard Depardieu mag den Häschern des französischen Fiskus zwar in seine neue Wahlheimat Russland entschlüpft sein, anderen wohlhabenden Auslands-Franzosen jedoch kann es in diesem Jahr steuerlich doch noch an den Kragen gehen. Heimlich, still und leise und ganz ohne Vorwarnung hat Paris eine 40 Jahre alte Direktive einseitig außer Kraft gesetzt, nach der manche reiche Franzosen in der Schweiz nur eine Art Abschlag auf ihre Lebenshaltungskosten als Steuer bezahlen mussten.

Überrascht von der Maßnahme zeigten sich nicht nur Steuerflüchtlinge, sondern auch die Schweizer Regierung. Obwohl Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf noch im Dezember mit ihrem Amtskollegen François Hollande in Paris sprach, hielt der es nicht für notwendig, die Eidgenossin über seine Pläne zu informieren. Die Schweiz erfuhr davon aus dem Amtsblatt der französischen Republik.

Bei der sogenannten Pauschalsteuer handelt es sich um eine Schweizer Besonderheit, von der in erster Linie Franzosen und Italiener profitieren, die ihren Wohnsitz in französisch- und italienisch-sprachigen Kantonen wie Genf, Waadt, Wallis und dem Tessin haben. Rund 5500 Ausländer geraten in der Schweiz in den Genuss dieser Steuer; allein 2000 von ihnen kommen aus Frankreich, weitere 650 sind italienische Staatsbürger.

Besteuert wird die Variante, die den höchsten Betrag abwirft

Die Steuer wird auf der Grundlage des Lebensaufwandes des Steuerpflichtigen berechnet. Das können entweder seine weltweit anfallenden Lebenshaltungskosten sein (Wohnung, Autos, Schulgeld, Löhne für Hausangestellte), Einkommen aus Vermögenswerten in der Schweiz oder das Fünffache (demnächst das Siebenfache) des Eigenmietwertes - also jener Summe, welche die von dem Steuerzahler bewohnte Immobilie auf dem Mietmarkt abwerfen würde. Besteuert wird die Variante, die den höchsten Betrag abwirft.

Da die Pauschalsteuer erst ab einem Jahreseinkommen von mindestens 400.000 Franken angeboten wird, spült sie trotz der geringen Zahl von Steuerzahlern stattliche Summen in die Kassen eidgenössischer Gemeinden und Kantone. Im Wallis, in Genf und in der Waadt macht sie knapp zwei Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. Im Kanton Bern zahlen lediglich 230 Personen 18 Millionen Franken Steuern. Die meisten von ihnen leben in einer einzigen Gemeinde: Gstaad, wo unter anderem Formel-1-Chef Bernie Ecclestone und der französische Alt-Rocker Johnny Hallyday ihren Wohnsitz haben.

Neue Front im Steuerstreit

Nach den Regeln gängiger Doppelbesteuerungsabkommen müssen diese Steuerzahler in ihrer Heimat keine Steuern bezahlen, auch nicht auf Einkommen, das sie dort erzielt haben. Auch Frankreich tolerierte diese Praxis in einer eigens dafür im Jahr 1972 ausgefertigten Direktive. Damals regierte Georges Pompidou im Élysée-Palast, und niemand - weder Sozialisten noch Bürgerliche - rüttelte seitdem an der Praxis. Doch nun hat Paris dieser Großzügigkeit unvermittelt ein Ende bereitet und damit eine zusätzliche Front im Steuerstreit mit seinem Nachbarn eröffnet.

Dazu gehört zum einen die Schwarzgeld-Problematik, wie sie auch das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland belastet. Zum anderen will die sozialistische Regierung Hollande von Franzosen, die in der Schweiz leben, zum ersten Mal eine Erbschaftssteuer eintreiben. Schweizer Finanzbeamte sollen dabei Amtshilfe leisten.

Dagegen regt sich Widerstand, anders als bei der Pauschalsteuer, die vor allem in der deutschsprachigen Schweiz nicht so viele Freunde hat. Die Wähler in den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Appenzell-Ausserrhoden, Basel-Stadt und Basel-Land haben sie schon ersatzlos gestrichen. In Luzern, St. Gallen und im Thurgau wurden zumindest die Bemessungsgrundsätze deutlich erhöht, wie es zuvor schon das Bundesparlament in Bern beschlossen hatte.

In Bern will man prüfen, ob der einseitige französische Akt rechtens war oder nicht. Reiche Franzosen in Montreux, Gstaad oder Lausanne werden diese Prüfung nicht abwarten wollen, zumal da die neue Regelung bereits ab 1. Januar dieses Jahres gilt. Im Prinzip bleiben ihnen zwei Möglichkeiten: Sie zahlen Schweizer Steuern auf ihr gesamtes Einkommen und nicht nur auf die Lebenshaltungskosten. Oder sie wandern aus. Es muss ja nicht gleich Russland sein. Es gibt ja auch Belgien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: