Süddeutsche Zeitung

Regulierungsgesetz vor dem Aus:Deutsche Bahn scheut Transparenz

Herbst für Herbst steigen die Preise für Bahntickets, gleichzeitig erzielt der Konzern Rekordgewinne. Es gibt kaum etwas Undurchdringlicheres als das Zahlenwerk der Deutschen Bahn. Doch die SPD lässt den Reformvorschlag zur Regulierung im Bundesrat scheitern. Bedauerlich, denn mehr Transparenz hätte allen genutzt - dem Bund, den Fahrgästen, am Ende sogar der Bahn selbst.

Ein Kommentar von Daniela Kuhr

Manche Minister haben es gut: Sie dürfen sich um Familienförderung, Windenergie oder Verbraucherschutz kümmern. Alles Themen, die jeder sofort als wichtig erkennt. Im Vergleich dazu hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Pech gehabt. Sein bedeutendstes Reformvorhaben heißt "Eisenbahnregulierungsgesetz". Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wird es an diesem Freitag im rot-grün dominierten Bundesrat auch noch endgültig scheitern. Nicht nur für Ramsauer ist das ärgerlich, sondern leider auch für die Fahrgäste. Und am Ende vermutlich sogar für die Bahn, die so sehr dagegen gekämpft hat.

Dabei wollte Ramsauer eigentlich nur etwas Selbstverständliches erreichen: eine strenge Kontrolle des Staatskonzerns Deutsche Bahn. Wie nötig die ist, kann man jedes Jahr im Herbst beobachten. Da kündigt die Bahn regelmäßig an, dass sie die Ticketpreise erhöhen wird. So war es 2012, im Jahr davor - und so wird es wohl auch in diesem Jahr wieder sein. Man hat sich daran gewöhnt.

Stutzig macht nur: Die Bahn begründet den Schritt meist damit, dass ihre Kosten gestiegen seien, etwa für Energie, Trassen oder Personal. Zugleich aber hat der Konzern in den vergangenen beiden Jahren Rekordgewinne erzielt. Waren die Preiserhöhungen also übertrieben? Darauf gibt es leider nur eine unbefriedigende Antwort: So ganz genau weiß das niemand.

Grund dafür ist, dass es kaum etwas Undurchdringlicheres gibt als das Zahlenwerk der Bahn. Dass der Konzern aus unzähligen Tochtergesellschaften besteht, ist noch das kleinste Problem. Kompliziert wird es vor allem dadurch, dass aus so vielen verschiedenen Töpfen öffentliche Gelder in das Unternehmen fließen - wo sie zwar nur für bestimmte Zwecke ausgegeben werden dürfen. Doch da die Bahn meist eigenes Geld dazugibt, vermischt es sich. Wenn dann am Jahresende Gewinne von den Töchtern zur Mutter fließen, blickt kaum noch jemand durch, woher die Gewinne genau stammen - und ob sie angemessen sind für einen Staatskonzern, dem die Steuerzahler jährlich so viel Geld zukommen lassen.

Bei der SPD fand Bahn-Chef Grube Gehör - das ist bedauerlich

Ein Beispiel: 2,5 Milliarden Euro überweist der Bund jedes Jahr, damit die Bahn alte Schienen, Weichen und Signale austauscht. 500 Millionen Euro gibt der Konzern dazu. Gleichzeitig verlangt die Bahn-Tochter DB Netz von allen Unternehmen, die auf den Schienen fahren, Trassengebühren. Das gilt für die Regional-, Fern- und Güterverkehr-Töchter der Bahn genauso wie für Konkurrenzunternehmen. Die Wettbewerber aber klagen seit Jahren, dass die Bahn die Trassenpreise ständig erhöht. Auch die Bundesländer klagen. Denn sie sind es, die den Regionalverkehr bestellen und bezahlen. Je höher aber die Trassenpreise, umso weniger Verbindungen können sie ordern. Darunter wiederum leiden dann die Fahrgäste, weil das Verkehrsangebot schrumpft.

An diesem Punkt wollte Ramsauers Gesetz ansetzen. Im Fokus standen dabei nicht die Ticketpreise. Die kann die Bahn ohnehin nicht beliebig erhöhen, da sich die Fahrgäste sonst ins Auto oder Flugzeug setzen. Vielmehr ging es um die Trassenpreise. Ähnlich wie bei Telekommunikations- und Energienetzen sollte sich die Bundesnetzagentur die Preise für das Schienennetz künftig viel genauer ansehen.

Hat die Bahn sie korrekt berechnet? Geht der Konzern effizient mit öffentlichem Geld um? Genehmigt er sich bei der Kalkulation der Preise zu viel Rendite? All das sollte die Behörde künftig prüfen. Doch Bahn-Chef Grube passte das nicht. Er drohte, die Bahn werde keine eigenen Mittel mehr in das Netz investieren, wenn man ihr nicht erlaube, damit Geld zu verdienen. Nur bei der SPD fand er Gehör. Doch in diesem Fall genügt das, um das Gesetz zu kippen. Das ist bedauerlich.

Die Bahn will sich nicht in die Karten schauen lassen

Natürlich darf der Bahn-Chef erwarten, dass sich Investitionen für ihn lohnen. Die Bahn muss Geld verdienen, sonst kann sie weder neue Züge kaufen noch Schulden abbauen. Aber beim Schienennetz verfügt der Konzern über ein Monopol. Und in einem Monopol muss der Staat die Möglichkeit haben, Renditen zu begrenzen. Eben das wäre künftig die Aufgabe der Bundesnetzagentur gewesen.

Es gibt nicht den leisesten Anlass zu glauben, dass die Behörde der Bahn keinen angemessenen Gewinn zugebilligt hätte. Dass Grube sich trotzdem so vehement gegen die Kontrolle wehrt, zeigt vielmehr, dass die Bahn sich nicht in die Karten schauen lassen will.

Wer aber Transparenz scheut, darf sich nicht wundern, wenn der Eindruck entsteht, er habe etwas zu verbergen. Und so mag die Bahn jetzt zwar gewonnen haben, mittelfristig aber ist eines sicher: Brüssel wird nun noch mehr Druck machen, den Konzern strikt zu kontrollieren.

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SZ vom 05.07.2013/sks
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