Manchmal muss ein Kind sagen, worauf es im Leben ankommt. So tat es der 13-jährige Ali vergangenes Jahr im österreichischen Biber-Magazin, das sich vor allem an Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Alis Liebeserklärung an den Döner wurde Tausende Male in sozialen Medien geteilt. Für ihn ist klar: "Qualität hat ihren Preis: Nehmt ruhig den Döner, der 50 Cent mehr kostet - billig heißt nicht immer gut." Man müsse auch nicht beim coolsten oder luxuriösesten Stand essen, schrieb er, "auch bei kleinen Dönerständen kann der Döner heftig schmecken."
Im Büro der Regiothek hängt Alis Liebeserklärung, in Schwarz-Weiß auf DIN-A4-Papier gedruckt, unübersehbar zwischen bunten Aufgaben-Zettelchen. Als eine Art Leitfaden für die Arbeit. Denn das Start-up kümmert sich darum, vereinfacht gesagt, Lieferketten sichtbar zu machen, wie der Initiator und Gründer Alexander Treml erklärt. Wo kauft der Bäcker von nebenan das Mehl für sein Brot? Woher kommt das Fleisch beim Metzger X und wo wird das Tier geschlachtet? Das können potenzielle Kunden dann auf der Website lesen. Kurz: Eine Art Wikipedia für "ehrliches Essen", wie es Treml nennt.
Die Regiothek sitzt nicht in München, nicht in Berlin, sondern am Rande der Fußgängerzone in Passau. Treml führt durch die Büroräume - zwei Zimmer, deren Atmosphäre zwischen WG und Aktenstapel mäandert, gerade groß genug für ihn und seine sechs Kollegen. An den Wänden hängen Gründerpreise, auf den Tischen liegen leere Tabakpackungen.
Die Idee zur Regiothek kam Treml im Jahr 2015, als er, damals noch Informatik-Student, Brot auf dem Wochenmarkt verkaufte. "Die Menschen haben genau nachgefragt, welche Zutaten verwendet werden und woher sie kommen", sagt er. Zu der Zeit hätten Supermärkte begonnen, regionale Produkte intensiv mit selbst ausgedachten Labels zu bewerben. "Mein Bäcker konnte nicht darstellen, warum seine Brote regionaler und besser waren."
Das Gründungsteam vervollständigte Treml dann mit zwei Jugendfreunden, dem Programmierer Anton Kohlbauer und dem Finanzexperten Simon Nestmeier. Vergangenes Jahr kam noch Bastian Kühnel hinzu. Seit einem halben Jahr akquirieren sie Kunden. Noch begrenzt sich die Regiothek auf Niederbayern. Für Netzwerkeffekte brauche man erst eine gewisse Dichte, sagt Treml. Deshalb halten sie persönlich Kontakt zu den Bauern und Restaurants. Das bedeutet: viele Gespräche und lange Autofahrten.
Der Weg von Passau zu Hannelore Hopfer führt in Serpentinen über die Hügel des Bayerischen Waldes. Die Inhaberin des "Kapellenhof" war eine der ersten, die bei der Regiothek dabei war. Vor ein paar Jahren hat die gebürtige Österreicherin den hoch am Hang liegenden Hof samt Wirtshaus und Reitstall gekauft und liebevoll saniert. Das "richtige Maß" ist ihr Motto. Eine Wellnessanlage gibt es nicht, dafür viel Natur. Die Pferde sind auf der Weide, Fleisch bezieht Hopfer vom Metzger aus dem Nachbardorf, und sie baut so viel selbst an wie möglich. Ohne Bio-Markt geht es aber auch hier nicht. "Man kann immer nur versuchen, so regional wie möglich zu sein. Manche Dinge gibt es aber einfach nicht in der Region, wie zum Beispiel Kaffee", sagt sie. Der müsse dann wenigstens fair produziert sein.
Nicht jeder darf auf die Plattform der Regiothek. "Man muss mit unseren Werten übereinstimmen und zu kompletter Transparenz bereit sein", sagt Treml. Das heißt: Die Lebensmittel müssen umweltschonend und fair produziert, die Tiere gut behandelt werden. Dass ein Betrieb nur in der Nähe ist, reicht nicht. Erklärtes Ziel der Regiothekgründer ist es, kleine Strukturen zu erhalten und dem Trend zu Großbetrieben entgegenzuwirken. Natürlich weiß Treml, dass die Regiothek selbst irgendwann eine gewisse Größe erreichen muss, um eine Wirkung zu erzielen und einmal tatsächlich so etwas wie das Wikipedia für "ehrliches Essen" zu werden. So ist das im Internet, sonst macht es halt ein anderer. Es gibt auch durchaus Konkurrenz: Viele Regionalverbände machen etwas Ähnliches wie die Regiothek. "Wir wollen und werden niemanden verdrängen. Viel eher wollen wir die IT stellen und so all die unterschiedlichen Verbände zusammenbringen", sagt Treml. Wachstum ja, aber nicht zu jedem Preis.
Ein ehrgeiziges Ziel. Die Gründer und ihre Unterstützer verbindet vor allem eines: Sie lieben "gutes" Essen - wie der 13-jährige Ali. "Reich werden wir damit nicht", sagt Hopfer, und Treml nickt zustimmend. Aber man schaffe etwas Schönes. Sie sagt: "Das gibt mir mehr als Zinsen auf der Bank."