Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Vielen Regionalflughäfen droht das Aus

Die Corona-Krise setzt gerade kleine Airports besonders stark unter Druck. Viele schreiben ohnehin Verluste und werden mit Steuergeldern finanziert. Eine Studie sagt ihnen existenzielle Probleme voraus.

Von Markus Balser

Leere Flugpläne, leere Pisten, leere Kassen. Ausgerechnet dort, wo viele Kommunalpolitiker mit viel Geld, neuen Terminals und Startbahnen hochfliegende Pläne realisieren wollten, herrscht in diesen Tagen Frust und Stillstand: Auf Deutschlands Regionalflughäfen. Wer etwa im September vom Flughafen Kassel Calden in die weite Welt starten will, hat gerade mal noch die Wahl zwischen vier Zielen: Heraklion, Palma, Westerland - und Mannheim. Tagelang verbucht der Flugplan keinen einzigen Abflug. Auf dem Abflugplan des Airports Erfurt-Weimar sieht es kaum besser aus.

Schon seit Jahren können die meisten der kleinen Flughäfen in Deutschland nur mit hohen Subventionen überleben. Nun macht eine neue Studie klar, dass mit der Corona-Krise Regionalflughäfen besonders stark unter Druck geraten. Viele hängen von einzelnen Billigfliegern ab, deren Geschäft wegen der Pandemie massiv geschrumpft ist.

Die ohnehin anfallenden Verluste könnten deshalb noch größer ausfallen. Das könnte zum existenziellen Problem werden, folgert das Papier, das das Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft für die Umweltorganisation BUND erstellt hat. Auf kurze Sicht sei die Existenz von sieben der untersuchten 14 Regionalflughäfen bedroht. Auf mittlere Sicht bedeute dies sogar für zwölf der Flughäfen, die auf substanzielle staatliche Beihilfen angewiesen sind, das Aus. Die Studie wird am Mittwoch vorgestellt.

Kaum Chancen räumt das Papier den Flughäfen Frankfurt-Hahn, Kassel-Calden, Niederrhein-Weeze, Paderborn/Lippstadt, Rostock-Laage, Erfurt-Weimar und Saarbrücken ein.

Die Corona-Krise ist dabei aber nur Teil des Problems. Mit 24 Hauptverkehrsflughäfen, darunter die Regionalflughäfen, seien in Deutschland im Luftverkehr massive Überkapazitäten aufgebaut worden, heißt es in dem Papier weiter. Höchstens 100 Bahnminuten lägen die großen internationalen Verkehrsflughäfen des Landes von diesen Standorten entfernt. Die böten im Wesentlichen die gleichen Flugziele an und darüber hinaus ein umfassendes Netzwerk an weiteren Destinationen.

Zur stärkeren Konkurrenz kämen härtere Vorgaben der Politik. Die EU hatte schon 2014 beschlossen, dass mit dem Ausgleich von Betriebsverlusten über Steuergelder 2024 endgültig Schluss sein müsse. Das bedeutet: Bis 2024 müssen die Regionalflughäfen ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell finden.

Regionalflughäfen seien ökonomisch nicht nachhaltig, nicht bedarfsgerecht und klimapolitisch bedenklich

Das aber ist vielerorts nicht in Sicht. Im Gegenteil. Der Boom der Vielfliegerei ebbt ab. Billigflieger ziehen sich von den Regionalflughäfen zurück. So drohte Ryanair mit dem Rückzug von den deutschen Flughäfen Frankfurt-Hahn und Weeze. Die Studie warnt davor, mit noch mehr Förderung dagegenzuhalten. So seien "absurde Forderungen der Flughafenverbände nach Übernahme von Infrastrukturkosten" abzuweisen.

Auch die Ausweitung der Subventionierung der Flugsicherung für Regionalflughäfen, die derzeit im Gange sei, müsse gestoppt werden, heißt es weiter. Das System der Regionalflughäfen sei ökonomisch nicht nachhaltig, nicht bedarfsgerecht und klimapolitisch bedenklich. Sinnvoller sei es, die Regionen besser an das Netz der Bahn anzubinden. Die Autoren fordern vom Bund ein Flughafenkonzept und die Definition von nur noch acht Airports die wirklich gebraucht werden - ein Drittel der heutigen Zahl. Für den Rest empfiehlt die Studienautoren alternative Nutzungen: In Betracht kämen Gewerbegebiete und Technologieparks

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SZ vom 19.08.2020
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