Süddeutsche Zeitung

Regierungsprogramm in Griechenland:Gratisstrom für die Ärmsten

Ministerpräsident Tsipras kündigt an, seine Wahlversprechen einzulösen. Diese laufen aber der Rettungspolitik der EU zuwider. Zugleich versucht er deshalb, den EU-Partnern mit einem "Überbrückungsprogramm" entgegenzukommen.

Von Javier Cáceres, Brüssel, und Christiane Schlötzer

Griechenlands neuer Regierung läuft die Zeit davon, aber sie setzt weiter auf Konfrontation mit den internationalen Kreditgebern. Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte in seiner Regierungserklärung am Sonntagabend in Athen ein Bündel von Maßnahmen an, um zunächst die soziale Not eines großen Teils der Bevölkerung zu lindern. Tausende Haushalte sollen kostenlos Lebensmittel und Energie erhalten. Tsipras versprach, Griechenland werde seine Schulden begleichen, das Land brauche jetzt aber ein "Überbrückungsprogramm", um Zeit zu gewinnen. Der Chef der Linkspartei Syriza will zudem die Staatsausgaben verringern, Privilegien für Minister abschaffen und große Auslandsguthaben überprüfen. Der öffentliche Sektor dürfe nicht länger den Interessen der Oligarchen dienen, sagte Tsipras.

Als Symbol für die Abkehr von der Sparpolitik der Vorgängerregierung kündigte Tsipras auch eine Wiedereröffnung des öffentlichen Fernsehsenders ERT an. Auch an der Ankündigung, den Mindestlohn von derzeit 580 Euro bis zum kommenden Jahr auf 750 Euro anzuheben, hielt er fest. Zu der Frage, wie die Mehrausgaben finanziert werden sollen, verwies Tsipras auch auf die seiner Ansicht nach noch offenstehende Forderungen an Deutschland aus der Nazi-Zeit. Tsipras spielte dabei vor allem auf eine Zwangsanleihe der griechischen Nationalbank an das Dritte Reich an, die nie zurückgezahlt wurde.

Am Dienstag steht die Vertrauensabstimmung über Tsipras' Regierung im Parlament an. Die dürfte für die Koalition aus Linkspartei und rechtspopulistischer Anel kein Problem werden. Nach Umfragen ist die Zustimmung zu Syriza seit der Wahl am 25. Januar noch gestiegen. Dass der Tsipras-Kurs ankommt, zeigen auch zahlreiche Neueintritte bei Syriza.

Übergangskredit für Athen ausgeschlossen

Die Finanzminister der Euro-Gruppe erwarten dann am Mittwoch bei einer außerordentlichen Sitzung von ihrem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis Auskünfte darüber, wie Athen konkret über die Runden kommen will, wenn das bisherige Hilfsprogramm der EU am 28. Februar ausläuft. Euro-Gruppen Jeroen Dijsselbloem hatte am Freitag einen Übergangskredit für Athen ausgeschlossen. Damit sollte der Druck auf die Regierung von Tsipras erhöht werden, doch noch rechtzeitig - das heißt bis zum 16. Februar - eine Verlängerung des EU-Programms zu beantragen, damit für die Parlamente der Mitgliedstaaten Zeit bliebe, sie zu billigen. Nach der Regierungserklärung erscheint dies allerdings wenig wahrscheinlich.

Tsipras und Varoufakis hatten schon vorher klargemacht, dass die mit dem EU-Programm verbundenden Auflagen wie weitere Rentenkürzungen und Privatisierungen ihren Wahlkampfversprechen zuwiderlaufen. Diese einzuhalten nannte Tsipras jetzt eine Frage der "Ehre und des Respekts". Der Euro-Gruppe wolle Varoufakis, schreibt der griechische Finanzblog Macropolis, stattdessen eine andere Vereinbarung anbieten und hoffe, dass diese von der EZB auch als "Programm" akzeptiert werde. Nur so könnte die EZB wieder griechische Anleihen als Sicherheiten für neues Zentralbankgeld akzeptieren.

Am Donnerstag hatte der EZB-Rat angekündigt, bereits zum 11. Februar die Annahme solcher Anleihen zu beenden. Varoufakis strebt eine Erhöhung der Grenze an, bis zu der Griechenland sich über kurzfristige sogenannte T-Bills finanzieren kann, von derzeit 15 Milliarden Euro auf 25 Milliarden. Athen will Zeit gewinnen bis Juni, um eine breiter angelegte Vereinbarung mit den Kreditgebern zu erreichen, einschließlich einer Umschuldung.

Zudem fordert Varoufakis jene 1,9 Milliarden Euro, die bei der EZB an Profiten durch den Kauf von Griechenland-Anleihen aufgelaufen sind. Dieses Geld hat die EZB allerdings bereits an die Notenbanken der anderen Euro-Staaten weitergereicht. Als Gegenleistung will Athen einen eigenen "nationalen Reformplan" präsentieren mit den Schwerpunkten: Bekämpfung von Steuervermeidung und Korruption sowie einer Reform der Bürokratie.

Moody's warnt vor Pleitegefahr

Nach der Sitzung der Euro-Gruppe, die am Mittwochabend um 17.30 Uhr beginnt, bleiben nur wenige Stunden bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag. Griechenland steht gar nicht auf der Tagesordnung des Treffens, aber das Thema dürfte kaum zu vermeiden sein. Kanzlerin Angela Merkel und Tsipras werden erstmals Gelegenheit haben, ein paar Worte zu wechseln.

Vergangene Woche waren Tsipras und Varoufakis durch Europa getourt, um für einen neuen Umgang mit Athen zu werben. Sie waren aber mit leeren Händen zurückgekehrt. Danach hatte die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit griechischer Anleihen von B auf B- herabgestuft. Danach drohte mit Moody's ein weiteres Ratinghaus mit einer Senkung der Bonität und warnte, die Pleitegefahr für Griechenland steige "deutlich".

Das Land verfügt nach griechischen Medienberichten nur noch über Bargeld-Reserven von rund 1,5 Milliarden Euro. Das Wall Street Journal zitierte Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis mit den Worten, schon im März könne es Zahlungsschwierigkeiten gebe. Nach der Veröffentlichung twitterte Stathakis, er habe das so nicht gesagt. Man werde für höhere Steuereinnahmen sorgen und so die Liquidität sichern.

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SZ vom 09.02.2015/dayk
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