Süddeutsche Zeitung

Kaputte Regierungsmaschine:Was Piloten tun, wenn der Funk ausfällt

  • Dass der gesamte Funk eines Flugzeugs ausfällt, wie nun offenbar im Fall der Regierungsmaschine, kommt extrem selten vor.
  • Verkehrsflugzeuge haben in der Regel mindestens drei Funkgeräte mit voneinander unabhängigen Stromquellen.
  • Für den Fall, dass dennoch der gesamte Funk ausfällt, gibt es klare Regeln.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es ist das Zeitalter der Satellitenkommunikation und Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Big Data. Doch in der Luftfahrt läuft die Kommunikation zwischen Piloten und Flugsicherung immer noch auf altmodische Art: Zumindest über Land kommunizieren Piloten und Lotsen über Funk. Das ist überhaupt nicht effizient und kostet viel Zeit. Manchmal rauscht der Funk so sehr, dass man kaum etwas versteht.

Dass die gesamte Funkausrüstung ausfällt, ist allerdings äußerst selten. Es gibt in den Datenbanken für Flugsicherheit in der jüngeren Vergangenheit keinen Unfall, der auf eine solche Störung zurückzuführen wäre und auch allgemein nur wenige Zwischenfälle. Bei den meisten davon konnten die Piloten das System nach einer Unterbrechung wiederherstellen. An Bord des Regierungsfliegers Konrad Adenauer, einem Airbus A340, ist nach Angaben der Flugbereitschaft eine elektronische Verteilerbox defekt gewesen. Offenbar hat das zum Ausfall des gesamten Funks geführt.

Flugzeuge haben in der Regel mindestens drei Funkgeräte mit voneinander unabhängigen Stromquellen. Eines davon hängt auch noch an einer Batterie, damit die Piloten bei einem kompletten Stromausfall immer noch mit der Flugsicherung kommunizieren können. Weil die Systeme voneinander unabhängig sind, sind sie auch schwer zu manipulieren.

In der Luftfahrt werden Frequenzen in einem Bereich von 118 bis 136 Megahertz genutzt. Jedes Kontrollzentrum der Flugsicherung nutzt eine eigene Frequenz. Wenn ein Flugzeug den jeweiligen Luftraum verlässt, reicht die Flugsicherung die Maschine an die nächste Zentrale mit einer anderen Frequenz weiter. Diese müssen die Piloten im Cockpit manuell einstellen. Manchmal vertippen sie sich dabei oder sie verstehen die Zahl falsch - in diesem Fall können und sollen sie zur vorherigen Frequenz zurückkehren und noch einmal nachfragen.

Normalerweise ist eines der Funkgeräte immer auf die Notfallfrequenz 121,5 eingestellt. Dieses wird nur dann genutzt, wenn Flugzeuge auf andere Weise nicht zu erreichen sind, Funkverkehr ist darauf sehr selten. Ein Pilot, der am Donnerstag mit seiner Maschine im gleichen Luftraum wie die Konrad Adenauer unterwegs war, sagte der SZ, die Flugsicherung habe lange Zeit versucht, die Regierungsmaschine zu erreichen - vergeblich.

Theoretisch hätte die Maschine bis Argentinien weiterfliegen dürfen

Was Piloten tun müssen, wenn der Funk wie hier offenbar komplett ausfällt, ist in den Regeln der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO geregelt. Zunächst sollen sie versuchen, andere mögliche Kommunikationswege zu nutzen. Routinemäßig wird dafür die satellitengestützte Controller Pilot Datalink Connection (CPDLC) genutzt, die eigentlich die Menge der routinemäßigen Funksprüche reduzieren soll. An Bord der Konrad Adenauer befinden sich Satellitentelefone, die eigentlich nicht für die Besatzung gedacht sind, sondern für die Passagiere. Viele Linienmaschinen sind mittlerweile mit Breitband-Internetzugang ausgestattet - Kommunikation über E-Mail oder Skype wäre denkbar. Außerdem können vom Boden aus Telexe an die Flugzeuge geschickt werden. In extremen Fällen würde die Luftwaffe des Landes, in dem sich die Maschine gerade befindet, gebeten, Kampfjets zu schicken, damit diese den Jet begleiten können.

Bei einem Funkausfall müssen die Piloten zudem den sogenannten Transponder, der das Flugzeug für die Lotsen auf dem Radar sichtbar macht, auf den Code 7600 drehen. Damit weiß die Flugsicherung, dass die Crew keine Funksprüche empfängt, die Lotsen können dann andere Flugzeuge in der Gegend auf Abstand halten.

Das Verfahren sieht vor, dass Piloten bei einem Funkausfall den zuvor eingereichten Flugplan zunächst fortsetzen. Davon abzuweichen ist eigentlich nur dann geboten, wenn auf andere Art und Weise Kontakt wiederhergestellt worden ist. Der Luftwaffen-Airbus kehrte, nachdem dies gelungen war, um zum Flughafen Köln/Bonn. Theoretisch hätte die Konrad Adenauer auf der Basis der ICAO-Regeln bis Argentinien weiterfliegen können, praktisch würde dies aber kaum ein Pilot bei einem Langstreckenflug verantworten wollen.

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